Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL)

HWRM-RL: Betriebe aufgepasst

Im Jahr 2007 hat die EU die Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL) verabschiedet. Bei der Umsetzung der Richtlinie sollte die Wirtschaft sehr genau hinsehen, denn es droht die Festsetzung neuer Überschwemmungsgebiete. Das würde bedeuten: keine neuen Baugebiete, keine baulichen Erweiterungen, keine Lagerung im Außenbereich, keine Erdbewegungen.
Zur Erinnerung: Parlament und Rat der EU hatten mit diesem sperrig betitelten Regelwerk auf dramatische Katastrophen wie das Jahrtausendhochwasser von 2002 reagiert. Im August 2002 fiel an der Elbe innerhalb weniger Tage soviel Regen wie sonst in zwei bis drei Monaten. Tschechien, Sachsen und Sachsen-Anhalt waren großflächig überflutet. In Sachsen gab es 21 Tote zu beklagen, in Tschechien 17. Der finanzielle Schaden betrug fast 15 Milliarden Euro.
Doch nicht nur an Elbe, Donau und Rhein kann Hochwasser Existenzen gefährden. Auch an kleineren Flüssen steigen die Pegel mitunter dramatisch. Hier sind punktuelle Starkniederschläge die Hauptursache. Diese Hochwasser sind wegen schnell ansteigender Scheitelwellen und einer äußerst kurzen Vorwarnzeit tückisch. Gerade in den engen Tallagen der Mittelgebirge sind dann viele Unternehmen massiv betroffen.
Systematisches Vorgehen
Ziel der HWRM-RL ist es, die Hochwassergefahren EU-weit mittels einer systematischen Erhebung und Bewertung sowie eines systematischen Managements der Risiken zu verringern. Dabei soll das Rad nicht neu erfunden werden, denn schon in den vergangenen Jahren wurde viel erreicht. Aus Sicht der EU gilt es, bewährte Aktivitäten und Maßnahmen gezielt weiterzuentwickeln und dabei die verschiedenen in einer Region Aktiven an einen Tisch zu bringen.
Konkret sieht die HWRM-RL, die 2010 in dem „Hochwasserschutz“ betitelten Abschnitt 6 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHGs) in deutsches Recht umgesetzt worden ist, einen Dreischritt vor.
Im Dreischritt zu den Risikomanagementplänen
Erstens waren bis Dezember 2011 nach § 73 WHG die Flussabschnitte „mit signifikantem Hochwasserrisiko“ zu bestimmen, wobei als Risiko die Verbindung von Hochwasserwahrscheinlichkeit und möglichen Schäden für die vier Schutzgüter Mensch, Umwelt, Kultur und Wirtschaft verstanden wird. Es ging um eine grobe Bestandsaufnahme, für die auf bereits vorhandene oder leicht zu erhebendes Daten zugegriffen werden sollte.
Ende 2013 müssen zweitens für diese Risikogebiete gemäß § 74 WHG Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten fertig gestellt sein. Erstere zeigen im Kern Ausdehnung und Tiefe bei Hochwassern mit niedriger und mittlerer Wahrscheinlichkeit. Niedrige Wahrscheinlichkeit meint Extremereignisse, mittlere Wahrscheinlichkeit zielt auf Ereignisse, die etwa alle 100 Jahr vorkommen (HQ 100). In den Risikokarten sind zusätzlich die gefährdeten Nutzungen verzeichnet. Sie enthalten Informationen über die betroffenen Schutzgüter und bilden damit die Datenbasis für das Kerninstrument des Hochwasserschutzes, die Risikomanagementpläne.
Drittens: Die Risikomanagementpläne als Quintessens des Prozesses sind nach § 75 WHG bis Dezember 2015 zu schnüren. Hier finden sich die konkreten Ziele und Einzelmaßnahmen. Sie müssen – wie die Risikobewertung und die Risiko- und Gefahrenkarten auch – alle sechs Jahre überprüft und erforderlichenfalls aktualisiert werden.
Schritt eins ist vollbracht: Den „Bericht zur vorläufigen Bewertung nach der EG-HWRM-RL in NRW“ hat ein Ingenieurbüro zentral erstellt. Nach diesem sind gut 6.000 der insgesamt 11.000 Flusskilometer als hochwassergefährdet anzusehen. Der Bericht ist auf den Netzseiten des Ministeriums (siehe Kasten) zu finden.
Überschwemmungsgebiete werden wichtiges Thema
Zurzeit arbeiten die Bezirksregierungen an der Erstellung der Karten, die ersten liegen bereits vor. Die IHKs begleiten diesen Prozess im Sinne betroffener Unternehmen kritisch. Nach Auskunft des Düsseldorfer Umweltministeriums können aus den Karten und den Plänen für Unternehmen zwar keine zusätzlichen Verpflichtungen erwachsen. Sie hätten nur Informationscharakter. Darüber sei zu betonen, dass in der HWRM-RL im Gegensatz zur Wasserrahmen-Richtlinie (WR-RL) keine detaillierten Zielvorgaben gemacht würden. Während letztere für Flüsse und Seen die Erreichung eines guten ökologischen Zustandes bzw. Potenzials und eines guten chemischen Zustandes vorschreibt (§ 27 WHG), fordert die HWRM-RL gemäß § 75 WHG nur „angemessene“ Ziele.
Gleichwohl: In den Gefahren- und Risikokarten sind – wie oben erwähnt – die von einem HQ-100 bedrohten Flächen ausgewiesen, und diese hat die Landesregierung nach § 76 WHG (durch eine gesonderte Rechtsverordnung) als Überschwemmungsgebiet festzusetzen. Für Unternehmen in diesen Bereichen gelten nach § 78 WHG strenge Schutzvorschriften wie die im ersten Absatz erwähnten. Deshalb ist es für die Wirtschaft sehr wohl wichtig zu beobachten, ob in den Karten neue HQ-100-Flächen ausgewiesen werden.
Die Risikomanagementpläne schließlich sollen – vergleichbar mit den Maßnahmenprogrammen gemäß WR-RL – in Arbeitskreisen mit allen Betroffenen erarbeitet werden. Während für die Schritte eins und zwei lediglich „der Öffentlichkeit Zugang“ zu den Informationen gewährt werden muss, ist bei den Plänen „eine aktive Einbeziehung der interessierten Stellen“ (Art. 10 HWRM-RL) vorgeschrieben. Hier können sich die Unternehmerinnen und Unternehmer auch persönlich einmischen. Die IHK wird betroffene Unternehmen gezielt ansprechen.
Dr. Jens Ferber
Unter folgendem Link finden Sie weitere Informationen wie die Texte der Richtlinie und des WHGs und die entsprechenden Seiten von Bundesumweltministerium, NRW-Umweltministerium und der Bezirksregierung Arnsberg.