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WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 10/2014
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AUFMACHER
erweist sich bei den Regionalvermarktern
heute als Vorteil: „Das kommt uns sehr zu
Gute“, weiß Schaaf, die Kunden fragten
danach, die Metzger können damit die Her-
kunft des Rindfleischs mit Brief und Siegel
belegen, Restaurants werben damit auf ihrer
Karte und die fünf Kühl-LKWs von Färber
tragen die Aufschrift „Fleisch von hier“.
Von Gastronomen geschätzt ist ein
besonderer Service: Die „Trockenreifung“
von Roastbeef im Kühlhaus bei einer Tem-
peratur von minus zwei Grad und 70 Pro-
zent Luftfeuchte. Jedes Fleischstück am
Haken trägt ein Schild mit dem Namen des
Kunden, der genau dieses Stück ausgesucht
und bestellt hat, „das machen immer mehr
Gastronomiebetriebe“, sagt Schaaf. Enzy-
matische Prozesse machen das Fleisch wäh-
rend des vier- bis fünfwöchigen Abhängens
zart – allerdings auch teuer, der Kilopreis
kann am Ende doppelt so hoch sein. Denn es
trocknet in dieser Zeit auch, das Fleisch ver-
liert Gewicht, auch lassen sich einige Rand-
schnitte nicht mehr verwerten, aber „wer
das gerne isst, der bezahlt es auch“.
Weil es in Mittelhessen keinen Schlacht-
hof mehr gibt, müssen die Rinder einen
Umweg über den Schlachthof in Aschaffen-
burg nehmen. Die Fahrtzeit von den Vogels-
berger Weiden ist aber mit etwa einer Stun-
de minimal im Vergleich zu anderen Tier-
transporten. 20 Rinder und 300 Schweine
pro Woche werden in Lützellinden verarbei-
tet, 17 Mitarbeiter sind hier beschäftigt und
Schaaf betont: „Alles feste Angestellte, wir
haben keine Leiharbeiter.“ Dienstbeginn für
das Zuschneiden und Portionieren der ange-
lieferten Hälften ist täglich um Mitternacht,
denn „der Metzger will morgens um sechs
Uhr frische Ware“. Man sieht es dem neuen
Betriebsgebäude in Lützellinden nicht unbe-
dingt an, aber hier wurden in diesem Jahr
drei Millionen Euro investiert. Teuer war
weniger das Gebäude, sondern die einge-
baute Kälte- und Lüftungstechnik, berichtet
Schaaf, also vor allem „das, was man nicht
sieht, kostet Geld“.
Verbraucher wollen
Produkte aus der Heimat
Die hessische Ernährungsindustrie
bedient überwiegend heimische Märkte, ihre
Exportquote liegt mit 18 Prozent weit unter
der des verarbeitenden Gewerbes in Hessen
(50
Prozent). Regionalität ist aber nicht nur
ein Merkmal kleiner Unternehmen. Auch die
Großen der Branche haben sie entdeckt, wie
die Hochwald-Molkerei in Hungen. Inner-
halb des genossenschaftlichen Konzerns
Hochwald Foods“ (Thalfang, Hunsrück) ist
Hungen das „Frische-Werk“ mit der Herstel-
lung von Frischmilch und Quark in ver-
schiedenen Fettstufen sowie saurer Sahne
(
Schmand). „Die Lage ist günstig, es bietet
sich an, hier Frischprodukte herzustellen“,
merkt Werksleiter Hartmut Grießing an,
denn „wir haben hier Zugang zu den großen
Verbraucherzentren“, mit Rhein-Main im
Süden und dem Ruhrgebiet im Norden.
1.900
Milchbetriebe in Hessen liefern ihre
Milch an Hochwald, täglich 1,2 Millionen
Liter Milch allein in Hungen. Zu den Liefe-
ranten gehören auch viele kleine Milchbau-
ern, und wenngleich der Aufwand hoch ist,
betont Kathrin Lorenz von der Pressestelle
der Hochwald-Zentrale in Thalfang: „Als
Genossenschaft holen wir jede Menge ab.“
Das Werk in Hungen beschäftigt 205 Mitar-
beiter: im Frischewerk, das etwa 60 Prozent
der angelieferten Milch verarbeitet, und im
Trocknungswerk, das Milchpulver als
Grundstoff für die Lebensmittelindustrie
und den Export herstellt.
"
Neupositionierung" - Hartmut Grießing,
Werksleiter bei der Hochwald-Molkerei in
Hungen, zeigt die neugestalteten Milchtüten
mit der von den Kunden gewünschten Info zu
den Lieferanten (1).
Dort werden täglich 1,2 Millionen Liter Milch
verarbeitet, unter anderem zu Speisequark
(2
+3).
Fotos: Michael Schlag