Seite 25 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 10/2014
25
WIRTSCHAFT UND POLITIK
rüber reden. Was halten Sie
von einer Meldepflicht, damit
die Behörden über Spionage-
attacken besser informiert
sind?
Wir wollen Unternehmen nicht
pauschal mit bürokratischen
Pflichten überziehen, sodass es
sehr auf den Einzelfall ankommt.
Wenn wir die Cyber-Kriminalität
jedoch wirkungsvoll eindämmen
wollen, dann können wir es Unter-
nehmen, die von einer größeren
Attacke betroffen sind, nicht
selbst überlassen, ob sie dies mel-
den oder nicht.
Während in Deutschland
Zurückhaltung herrscht, tre-
ten Minister und Geheim-
dienstchefs anderer Staaten
offensiv auf. So macht man
etwa in Frankreich keinen
Hehl daraus, dass Unterneh-
mensschutz Staatsaufgabe sei
und man deshalb andere Staa-
ten ausspioniere. Warum ist
Deutschland hier so dezent?
Naja, das ist vielleicht eine Mentali-
tätsfrage. Auch wir setzen alles
daran, Spionage zu verhindern. Der
Präsident des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz hat es jüngst ver-
kündet: Wir werden uns zunehmend
um die vermeintlichen und tatsäch-
lichen Freunde kümmern müssen.
Wie sieht das aus?
Im Zuge der Enthüllung um die
NSA ist es doch offenbar gewor-
den, dass unsere amerikanischen
Freunde offensichtlich weiterge-
hende Aufklärungsmaßnahmen
auch gegen uns betreiben. Uns
dagegen zu schützen, ist der Auf-
trag des Staates. Aber unser
Rechtsstaat, unsere demokrati-
sche Grundordnung, lässt nicht zu,
dass wir für die Wirtschaft Spiona-
ge im Ausland betreiben.
In den Medien kursiert
immer wieder die Zahl von
100.000
chinesischen
Geheimdienstlern, die Wirt-
schaftsspionage betreiben.
Sitzt der größte Feind tat-
sächlich in Fernost?
Ich gehe natürlich davon aus, dass
nicht die größere Gefahr von Län-
dern der EU oder aus der NATO
ausgeht. Den Umfang der chinesi-
schen Aufklärung kann ich aber so
nicht bestätigen.
Eine mindestens ebenso
große Gefahr wie Industrie-
spione sind unzufriedene
oder geltungssüchtige Mitar-
beiter, die ins Plaudern kom-
men. Was kann man dagegen
tun?
Die Gefahr gibt es natürlich – sie
bestand aber auch schon in der
Vergangenheit ganz ohne IT. Dage-
gen helfen vor allem beschränkte
Zugangskanäle für den einzelnen
Mitarbeiter mit entsprechenden
Passwörtern. Aber einen völligen
Schutz kann es nicht geben. Wenn
wir überall Regelungsmechanis-
men einziehen, wird das Arbeiten
unmöglich gemacht. Am Ende
schützt eine gute Unternehmens-
kultur am besten.
Plant Ihr Ministerium Auf-
klärungskampagnen zum
Schutz sensibler Daten?
Es existieren bereits zahlreiche
Aufklärungskampagnen für
unterschiedliche Zielgruppen.
Als Hessisches Innenministeri-
um nehmen wir gemeinsam mit
den Industrie- und Handels-
kammern das Thema Cyber-
Sicherheit für kleine und mit-
telständische Unternehmen
nochmal stärker in den Fokus.
Eine erfolgreiche Auftaktveran-
staltung fand schon letztes
Jahr in Darmstadt statt, im
September folgt eine Veran-
staltung in der IHK Wiesbaden.
Das Interview führten Friede-
mann Götting-Biwer und Gor-
don Bonnet von der IHK Wies-
baden.
Peter Beuth, Hessischer Minister des Innern und für Sport
Foto: Samira Schulz