WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 10/2014
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WIRTSCHAFT UND POLITIK
Herr Minister Beuth, rufen
Sie die Bundeskanzlerin
noch auf dem Handy an?
Ich hätte keine Bedenken, mit
ihr auf dem Handy zu telefonie-
ren.
Wie war Ihre erste Reaktion,
als Sie gehört haben, dass
die NSA das Handy der
Bundeskanzlerin abhört?
Das macht man unter Freunden
nicht.
Wir wollen hier aber mehr
über das Thema aus Wirt-
schaftssicht sprechen.
Cyber-Attacken durch
Industriespione verursa-
chen jährlich einen Scha-
den von rund 50 Milliar-
den Euro. Kann sich ein
Mittelständler überhaupt
gegen Hightech-Spione
schützen?
Einen völligen Schutz gibt es
sicherlich nicht. Aber man sollte
natürlich Vorkehrungen treffen,
um einigermaßen gesichert zu
sein. Ein Teil der Unternehmen
nutzt zum Beispiel nicht mal
Firewalls oder Ähnliches. Diese
„
Viele Unternehmen
gefährden sich leichtfertig!“
Seit dem 18. Januar ist Peter Beuth Hessischer Minister des Innern und für Sport.
Die HESSISCHE WIRTSCHAFT der IHK Wiesbaden sprach mit dem gebürtigen Kölner
und heutigen Wahl-Taunussteiner über Cyber-Kriminalität.
Unternehmen gefährden sich
damit leichtfertig. Bei den indivi-
duellen Schutzmechanismen ist
noch reichlich Luft nach oben.
Wird das Problem der Cyber-
Kriminalität unterschätzt?
Der Gesamtschaden ist immens. Es
fängt an bei Betrug über Ebay und
Onlineshops bis hin zu Spionage-
aktivitäten. Ich glaube schon, dass
das ein wachsendes Kriminalitäts-
phänomen ist.
Sie haben in Ihrem Ministe-
rium ein Kompetenzzentrum
Cyber-Sicherheit etabliert.
Können Sie kurz beschreiben,
welchen konkreten Nutzen es
Unternehmen stiftet?
Wir alle nutzen das Internet und
hängen von seiner Verfügbarkeit
ab. Unternehmen, Bürger und auch
die öffentliche Verwaltung müssen
sich darauf verlassen können, dass
ihre Daten im Netz sicher sind. Mit
dem Kompetenzzentrum Cybersi-
cherheit haben wir eine Struktur
geschaffen, die Bürger, Wirtschaft
und Verwaltung beim Thema IT-
Sicherheit mit zahlreichen Maß-
nahmen unterstützt. So wurde
beispielsweise zusammen mit dem
Fraunhofer-Institut für sichere
Informationstechnik der TU Darm-
stadt eine Broschüre zum Umgang
mit sozialen Netzwerken erstellt.
Zu den Aufgaben zählt auch eine
behördenübergreifende Koordina-
tion aller Cyber-Sicherheits-Fach-
leute – vom Landeskriminalamt
über die Polizeipräsidien bis hin
zum Landesamt für Verfassungs-
schutz. Im Rahmen unseres Com-
puter Emergency Response Teams
(
CERT) finden kleine und mittel-
ständische Betriebe, die von
Cyber-Kriminalität akut betroffen
oder einfach nur in Sorge sind,
ebenso wie Kommunen einen
konkreten Ansprechpartner. Im
Herbst werden wir zusätzlich mit
einem entsprechen Portal öffent-
lich erreichbar sein, welches Infor-
mation, Austausch und Beratung
bietet.
Auch das Bundesinnenminis-
terium ist mit der Wirtschaft
aktiv geworden und hat eine
„
Nationale Strategie zum
Wirtschaftsschutz“ ausgeru-
fen. Damit will man Unter-
nehmen motivieren, mehr
Informationen zum Schutz
vor Wirtschaftsspionage
preiszugeben. Haben sich die
Erwartungen erfüllt?
Leider noch nicht. Hier zeigt sich
ein Phänomen, welches wir in
ähnlicher Form aus Schulen in den
90
er-Jahren kennen. Dort haben
Schulen versucht zu verschweigen,
wenn es bei ihnen ein Drogen-
oder Gewaltproblem gab – aus
Sorge, in einen schlechten Ruf zu
geraten. Unternehmen, die Opfer
von Cyber-Kriminalität wurden
und Schaden genommen haben,
sind ebenfalls sehr zurückhaltend
in ihrer Kommunikation. Würden
sie hingegen offener kommunizie-
ren, könnten andere Betriebe
gewarnt und der gesamtwirt-
schaftliche Schaden könnte
gemindert werden. Es geht ja nicht
darum, dass Unternehmen ihren
Schadensfall an die große Glocke
hängen, aber die entsprechenden
Sicherheitsbehörden sollten sie
schon informieren, damit Abwehr-
strategien zum Nutzen aller ent-
wickelt werden können.
Kaum jemand, der ausspio-
niert wurde, wird gerne da-