Seite 23 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 10/2014
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WIRTSCHAFT UND POLITIK
Gefühltes Kabarett
Drogenhandel und Zigarettenschmuggel ins Bruttoinlandsprodukt
von Matthias LeDer
U
kraine, Israel und Paläs-
tina, Syrien, Irak, Nige-
ria, Somalia und Ebola.
Die Welt ist voller Krisen und
Tragödien. Eine Krise jedoch hat
sich so ziemlich aus unserem
Blickfeld oder besser aus dem
Fokus der Medien verabschie-
det: die Euro-Krise. Sicher, Spa-
nien und Irland geht es besser.
Griechenland wurstelt weiter
vor sich hin. Portugal lässt mit
der Bank des Heiligen Geistes
aufhorchen. Frankreich rutscht
immer mehr in die Krise. Und
Italien? Italien freut sich.
Nein, nicht wegen der Fuß-
ball-WM. Italien freut sich auf
Drogen. Denn durch neue Vor-
gaben aus der EU kann zum
Beispiel der neue italienische
Ministerpräsident Matteo Renzi
mit einem höheren Bruttoin-
landsprodukt (BIP) rechnen.
Und wenn das BIP steigt, sinkt
die Schuldenquote und die Kri-
senländer können wieder leich-
ter Darlehen aufnehmen. Dro-
genhandel, illegale Prostitution
oder Zigarettenschmuggel sol-
len künftig zum BIP hinzuge-
rechnet werden. Die Wirtschaft
wächst also umso mehr, je
mehr Drogen gehandelt wer-
den. In Italien stiege damit das
BIP um satte 1,3 Prozent. Die
EU-Vorgaben zur Entschul-
dung werden damit eiskalt
erfüllt. Oder kabarresk: Kiffen
für das BIP.
Seit September gilt diese
neue EU-Richtlinie, rückwir-
kend obendrein. Dies berichtet
die Agentur Bloomberg. In der
entsprechenden ESA (European
System of Accounts)-Mitteilung
heißt es dazu: „Illegale Geschäf-
te werden als Transaktionen
gewertet, wenn alle involvierten
Parteien diesen Handlungen
einstimmig zustimmen. Der
Kauf und Verkauf von oder der
Tauschhandel mit illegalen Dro-
gen oder Hehlerware sind Trans-
aktionen, Diebstahl ist dagegen
keine.“ Die Süddeutsche Zeitung
schreibt dazu: „Erwirtschaftet
ist nun einmal erwirtschaftet“,
und im gleichen Sinne äußert
sich ein Sprecher des Eurostat
(
Amt für Statistik der EU): „Das
BIP ist kein Indikator für Moral.“
Richtig aber ist: Umsätze aus
kriminellen Handlungen ins BIP
aufzunehmen, ist der schmähli-
che Versuch, die europäische
Schuldenkrise zu bekämpfen.
Weil aber fast alle Staaten mit
Haushaltsproblemen zu kämp-
fen haben, kommen die Vor-
schläge gerade jetzt auf den
Tisch und sind damit vielen
Staatslenkern hochwillkommen.
Es geht auf Kosten der ehrli-
chen, redlichen Staaten und
Steuerzahler.
n
ihK-hauptgeschäftsführer Matthias Leder
kritisiert die neue EU-Richtlinie.
Foto: i. Jakob-Diedolph
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