WIRTSCHAFT UND POLITIK
WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 11/2014
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Herr Professor Lorz, wie sind Ihre
Erfahrungen nach den ersten Monaten
Ihrer Amtszeit?
Sie dürfen nicht vergessen, ich bin in diesem
riesigen Bereich Bildung schon ein bisschen
länger unterwegs durch die zwei Jahre, die ich
vorher schon Staatssekretär in diesem Hause
war und davor zwei Jahre als Staatssekretär
im Wissenschaftsministerium. Außerdem bin
ich von Beruf Hochschullehrer. Bildung und
Ausbildung sind das Geschäft meines Lebens
und etwas, dem ich mich verschrieben habe.
Deswegen ist es schön, nachdem ich es lange
Zeit praktisch ausgeübt habe, es jetzt auch
politisch zu begleiten. Was einem natürlich
schon auffällt, ist die Emotionalität, mit der
die Debatten in diesem Bereich geführt wer-
den. Es kommt hier sehr viel auf Psychologie
und Kommunikation an.
Was setzen Sie als Hauptziele für Ihre
Amtsperiode? Wo würden Sie sagen:
Das muss ich unbedingt durchsetzen!
Wenn wir schon beim emotionalen Bereich
anfangen, dann würde ich sagen: Wenn es
mir gelingen würde, etwas Dampf aus dieser
schulpolitischen Debatte herauszunehmen
und gewisse Konsensspielräume auch über
die Parteigrenzen hinweg und im Zusammen-
wirken mit der Wirtschaft und anderen Betei-
ligten auszuloten, wäre schon viel gewonnen.
Wir haben in Hessen ein sehr vielfältiges
Schulsystem. Wir müssen sicherlich darüber
nachdenken, ob wir alles so aufrechterhalten
können und wollen, aber grundsätzlich halte
ich Schulvielfalt für eine gute Sache, gerade
weil sie ermöglicht, individuell auf die Bedürf-
„
Das Geschäft meines Lebens“
Im Interview mit dem IHK-Report der Darmstädter Kollegen erläutert der Hessische
Kultusminister Alexander Lorz (CDU) die Bildungspolitik des Landes, seine Amtsziele
und wie wichtig die Berufsorientierung der Schüler ist.
nisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen.
Im vergangenen Jahr war die Diskussion voll und
ganz auf den gymnasialen Bildungsgang fokus-
siert, nun ist es an der Zeit, wieder das ganze
Spektrum in den Blick zu nehmen, gerade auch
die Berufsbildung. Das wäre mir ein wesentli-
ches Anliegen.
Außerdem haben wir eine große Herausforde-
rung vor uns, das Ganztagsprogramm, das heißt:
Wir möchten bis zum Ende der Legislaturperiode
zu einer Bildungs- und Betreuungsgarantie für
alle Grundschülerinnen und Grundschüler kom-
men. Wichtig ist mir auch die Unterrichtsquali-
tät. Ich will wirklich den guten Unterricht in den
Vordergrund stellen. Ich halte diese Debatte für
wichtiger als alles, was wir zu Strukturen und
Formen miteinander diskutieren, und dann sind
wir eben auch bei dem Punkt der Lehrerbildung.
Das ist sozusagen das ganz dicke Brett, das ich
aber zumindest anbohren möchte.
Wie können sich die IHKs neben der poli-
tischen Begleitung noch weiterhin opera-
tiv einbringen?
Eine wesentliche Aufgabe der Wirtschaft ist es,
den Schülerinnen und Schülern ihre beruflichen
Perspektiven aufzuzeigen. Der Großteil der jun-
gen Menschen, die aus der Schule kommen,
geht entweder direkt oder nach einem weiteren
Ausbildungszwischenschritt in eine Beschäfti-
gung in der Wirtschaft. Je mehr sie die Perspek-
tiven schon vor Augen haben und wissen, wel-
che Möglichkeiten sie auf der Basis eines ent-
sprechenden Schulabschlusses haben, umso
motivierter sind sie in der Regel auch, sich in
der Schule zu engagieren. Deshalb ist es wich-
tig, schon in der Schule aufzuzeigen, dass die
Schule kein Selbstzweck ist, sondern junge
Menschen vor allem befähigen soll, ihr Leben zu
gestalten. Je klarer ihnen das vor Augen steht,
umso einfacher wird es.
Wenn wir jetzt mal ganz konkret ein klei-
nes Unternehmen als Beispiel nehmen,
große Unternehmen sind da ja sehr aktiv
und haben eigene Schulprogramme. Soll-
ten sich auch kleinere Unternehmer stär-
ker in den Schulen engagieren?
Die große Stärke unserer Wirtschaft und damit
auch unserer Gesellschaft ist die Basis in den
kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Das ist ein Pfund, das wir uns bewahren müs-
sen, und dafür brauchen wir den Nachwuchs.
Damit sind wir beim Thema Fachkräfte. Deswe-
gen ist es wichtig, dass die jungen Leute von
Anfang an im Blick haben, dass es eben nicht
nur Siemens, Lufthansa oder auch Merck gibt,
sondern dass da draußen unendlich viele Fir-
men existieren, die höchst erfolgreich sind, bei
denen man tolle Karrierechancen hat und
deren Namen man überhaupt nicht kennt,
wenn man nicht in der Branche tätig ist. Wir
müssen die Schulen und die Betriebe einfach
noch besser zusammenbringen. Und wenn uns
die Kammern dabei helfen könnten, indem sie
eine Art Bündelungseffekt für die kleinen und
mittelständischen Betriebe bewirken und wir
dann umgekehrt die Kontakte zu Schulen ver-
mitteln könnten, wäre das eine gute Ausgangs-
basis.
Die Berufsorientierung soll künftig auch
an Gymnasien verbessert werden. Einen
entsprechenden Erlass gibt es aber noch
nicht. Warum?