Seite 10 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 11/2014
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AUFMACHER
Ebola – ein Virus
schwächt die Wirtschaft
André Rönne, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Nigeria,
steht bei der IHK Rhein-Neckar Rede und Antwort zur aktuellen Lage.
Herr Rönne, Sie leben mit Ihrer Familie
in Nigeria. In Deutschland berichten die
Medien täglich, dass sich die Lage in vie-
len Ländern Westafrikas weiter zuspitzt.
Wie nehmen Sie die Situation vor Ort in
Nigeria, aber auch in den Nachbarstaaten
wahr?
Ernsthafte Probleme bereiten dem Land neben
den politischen Unruhen zwischen Christen und
Muslimen im Norden Nigerias seit Ende Juli
dieses Jahres die westafrikanische Ebola-Krise.
Mit dem Ausbruch des Virus in der Millionen-
metropole Lagos ist Nigeria nach Sierra Leone,
Guinea und Liberia als viertes Land in der Regi-
on betroffen. Bis Mitte September starben acht
Menschen, 22 Infektionen wurden zusätzlich
nachgewiesen, Hunderte befinden sich unter
Quarantäne, nicht nur in Lagos, sondern leider
mittlerweile auch in der südnigerianischen
Ölmetropole Port Harcourt. Die Situation ist
nicht so gravierend wie in den drei erstgenann-
ten Ländern. Dennoch kommt das wirtschaftli-
che Leben immer mehr zum Erliegen. Vor allem
die Lage in Port Harcourt bereitet uns Sorgen,
da die gesundheitliche Versorgung dort nicht so
gut ist wie in Lagos.
Zeigen sich bereits Auswirkungen der
Ebola-Epidemie auf die Wirtschaft in
Subsahara-Afrika? Einige afrikanische
Staaten haben ihre Grenzen zu den Nach-
barländern geschlossen. In Nigeria
scheint insbesondere die Wirtschaftsme-
tropole Port Hartcourt betroffen, was
hören Sie von dort?
Bisher war die Lage an unserem Standort unter
Kontrolle, und die Regierung hat wirklich gute
Arbeit in der Handhabung der Krise geleistet. In
Port Harcourt ist ein Großteil der internationa-
len Ölfirmen des Landes angesiedelt, über die
Einnahmen aus dem Erdölhandel erwirtschaftet
Nigeria nach wie vor etwa 80 Prozent der
Staatseinnahmen und 95 Prozent der Devisen-
einnahmen. Sollte sich die Situation in der
Stadt verschlechtern, würde dies auch massive
Auswirkungen auf die Einnahmen des Landes
haben. Ausländische Unternehmensvertreter
meiden das Land mittlerweile, der Schaden für
die einheimische Ökonomie wird auf etwa fünf
Milliarden US-Dollar für das dritte Quartal
2014
geschätzt. Das wirtschaftliche Wachstum
könnte 2014 in Nigeria um insgesamt eins bis
zwei Prozent sinken.
Welche Vorsichtsmaßnahmen unter-
nimmt die nigerianische Regierung, ist
sie für eine Epidemie solchen Ausmaßes
gewappnet? Welche Unterstützung kann
gegebenenfalls seitens in Westafrika akti-
ver Unternehmen geleistet werden?
Die nigerianische Regierung unternimmt sehr
viel zum Schutz der Bevölkerung. So wurden
etwa alle Schulen bis Ende dieser Woche
geschlossen, statt wie geplant im August zu
öffnen. Ich halte diese Maßnahme für sinnvoll,
um Kinder vor eventueller Ansteckung zu
schützen. Besonders an den internationalen
Flughäfen in der Landeshauptstadt Abuja und
in Lagos werden alle Passagiere auf Symptome
gecheckt durch Fragebögen und Temperatur-
messung. Bisher ist der internationale Flugver-
kehr von und nach Nigeria nicht eingeschränkt.
Besonders bei der Identifizierung der an Ebola
Erkrankten und deren Kontaktpersonen hat das
Lagos State Government vorbildlich und beson-
nen gehandelt und die Betroffenen zeitnah iso-
liert und medizinisch behandelt. Vom Erfolg
dieser Maßnahmen zeugt vor allem die im Ver-
gleich zu den anderen betroffenen Ländern ver-
hältnismäßig geringe Zahl der Toten und Infi-
zierten. Wir stehen mit deutschen Unterneh-
men und deren Vertretern in stetigem Kontakt
und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden.
Es gilt jetzt vor allem darum, auf die Gefahren
hinzuweisen, aber nicht panisch, sondern ange-
messen zu reagieren. Das bedeutet, sich selbst
und seine Mitarbeiter zu schützen und seine
Geschäftspartner im Ausland aufzuklären. Wir
sind aufgrund der Erfahrungswerte mit der
andré Rönne:
Auf die Gefahr
angemessen reagieren.
Foto: AHK Nigeria