WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 3/2014
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NACHRICHTEN
V
iele kleinere Städte und
Kommunen haben damit
zu kämpfen, dass ihre
Kunden in die nahegelegenen
Ballungszentren und Einkaufs-
center abwandern. Oft können
sie beim sogenannten „Erlebnis-
kauf“ nicht mehr mithalten.
Wenn dann noch Störfaktoren
von außen kommen wie zum
Beispiel eine länger anhaltende
Baustelle in der Innenstadt,
dann ist für viele Einzelhändler
sozusagen „der Ofen aus“ und
die Existenz des Unternehmens
gefährdet.
Ein positives Beispiel dafür,
was man in einer Krisensituati-
on tun kann, um nicht im Sog
der Wehklage unterzugehen,
zeigt die 2011 bis 2013 durchge-
führte Einzelhandels-Werbe-
Ich kauf in
Wie kann eine Werbekampagne die Kundenloyalität erhöhen?
kampagne „Ich kauf‘ in Bad Vil-
bel“. Hier hatten sich wegen der
nahenden Innenstadt-Großbau-
stelle „Neue Mitte“ 40 Einzel-
händler zu einem temporären
Werbeverbund unter dem
Namen „City Initiative Bad Vil-
bel“ zusammengeschlossen.
Durch die Initiative von Stadt-
marketing, Gewerbering, der
Stadt Bad Vilbel, dem Eigenbe-
trieb Stadtwerke und den beiden
externen Marketingpartnern
Friedemann Kuhl und André
Haußmann erfolgte eine Bünde-
lung der Kräfte, um die Kunden-
frequenz in Bad Vilbel zumin-
dest zu erhalten und die negati-
ven Auswirkungen der nahen-
den Baustelle abzumildern. Dies
hört sich im Nachgang leichter
an, als es tatsächlich war. Denn
zuerst mussten viele Einzel-
händler an einen Tisch gebracht
und davon überzeugt werden,
dass die Gemeinschaftswerbung
die einzige Möglichkeit war, um
einen nachhaltigen Kommuni-
kationseffekt bei den Kunden zu
erzielen. Der räumliche Schwer-
punkt der Initiative lag dabei
auf der Innenstadt, hier kann
man auch von einem „Stadt-
Teil-Marketing“ sprechen.
In den Köpfen der Einzel-
händler war die Befürchtung,
dass das einzelne Geschäft nicht
zur Geltung kommt und im
Zuge globaler Werbeaussagen
unter den Tisch fällt. Außerdem
sollten alle Gewerbetreibenden
in der Bad Vilbeler Innenstadt
integriert werden. Schnell stellte
sich allerdings heraus, dass die
Handelsketten nicht dabei
waren, da die Konzernleitungen
den Filialen keinen individuel-
len Handlungsspielraum erlaub-
ten. Nach längerer Überlegung
der Initiatoren wurde der Begriff
des „inhabergeführten Fachge-
schäfts“ gefunden. Das waren
alle die Geschäfte, die in der
Regel schon länger am Ort tätig
waren, manche schon über
Generationen, und die bereit
waren, sich mit Engagement für
die Sache einzusetzen. Jetzt galt
es, die beiden Gruppen Nachfra-
ge und Angebot zusammenzu-
bringen. Zum einen wollte man
ohne den erhobenen Zeigefinger
an die Loyalität der Kunden
appellieren, trotz Beeinträchti-
gungen durch die Baumaßnah-
men den Läden die Treue zu
halten. Und zum anderen sollte
jeder teilnehmende Einzelhänd-
ler in Szene gesetzt werden und
somit trotz Gemeinschaftswer-
bung als Individuum wahrge-
nommen werden.
Sich persönlich in
Szene setzen
Gelöst wurde diese Kommu-
nikationsaufgabe mit dem Slo-
gan: „Ich kauf´ in Bad Vilbel“.
Durch dieses vorformulierte
Kundenbekenntnis sollte auf
einfühlsame Weise ein unsicht-
bares Band der Sympathie für
André Haußmann (Marketing
Effekt GmbH) und Friedemann
Kuhl (Kuhl Design)
haben die
Marketing-Kampagne „Ich kauf‘ in
Bad Vilbel“ entwickelt.
Foto: pm
Der „große“ Wettbewerb um die
Kunden findet in erster Linie nicht
zwischen den verschiedenen
Geschäften vor Ort statt, sondern
im ersten Schritt mit den umlie-
genden Einkaufscentern und
Innenstädten der Ballungsräume.
Welche Standorte sich durchset-
zen, hängt nach Aussagen von
Experten von drei Faktoren ab:
Der guten Erreichbarkeit, insbe-
sondere mit dem Auto einschließ-
lich der Höhe der anfallenden
Parkgebühren. Der Attraktivität
des Branchenmix und der Qualität
der vorhandenen Geschäfte sowie
dem Flair und dem Image der Ein-
kaufstätte. Nur wer einen ent-
sprechenden Gegenwert bekommt,
wird Parkgebühren akzeptieren
und nicht auf Shopping-Center
oder Fachmarkt-Agglomerationen
mit kostenlosen Parkplätzen aus-
weichen.
n
DreI Faktoren!