Seite 16 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 6/2014
16
WIRTSCHAFT UND POLITIK
Uni-Abgänger verlassen Region
Regionalmanagement Mittelhessen kündigt Initiativen zur Fachkräfte-Vermittlung an.
J
edes Jahr verlassen tausen-
de qualifizierte Absolven-
ten die drei mittelhessi-
schen Hochschulen. Doch laut
einer aktuellen Studie der
Philipps-Universität Marburg
im Auftrag der Regionalma-
nagement Mittelhessen GmbH
(
RMG) nutzt die regionale Wirt-
schaft diesen Standortvorteil zu
selten: Über die Hälfte der hiesi-
gen Uni-Abgänger versuchen
erst gar nicht, in der Region
einen Job zu finden, nur ein
Bruchteil der Studierten wird
hier fündig. „Die Aufgabe muss
darin bestehen, die Transparenz
der Karrieremöglichkeiten in
Mittelhessen herzustellen“,
kommentiert RMG-Geschäfts-
führer Jens Ihle das Papier. Das
Resultat sei „Auftrag und Chan-
ce für die Region“ zugleich, fügt
er hinzu. Gleichzeitig kündigt
Ihle Initiativen an, um die Ver-
mittlung von Fachkräften zu
fördern – darunter das Portal
Mittelhessen Connect, das noch
diesen Sommer starten soll.
Die Forschungsarbeit ist das
Ergebnis einer Nachbefragung,
die die Arbeitsgruppe für Wirt-
schaftsgeografie und Standort-
forschung unter der Leitung von
Universitätsprofessor Thomas
Brenner im vergangenen Jahr
gemacht hat. Adressaten waren
ehemalige Studierende, die in
einer ersten Untersuchung 2012
darüber befragt wurden, ob und
wie sie nach ihrem Hochschul-
abschluss in Mittelhessen auf
Jobsuche gehen. Schon diese
Befragung hatte Defizite bei der
regionalen Bindung künftiger
Fachkräfte aufgezeigt. So ver-
missten die Teilnehmer den
Anschluss an regionale Unter-
nehmen zum Beispiel durch
Praktika, Abschlussarbeiten und
Nebenjobs. Sie wünschten sich
zudem eine bessere Karrierebe-
ratung der Universitäten. Die
aktuelle Umfrage sollte die Frage
klären, welchen tatsächlichen
Erfolg die Arbeitssuche in der
Region für die Betroffenen hatte
und woran sie gescheitert ist.
Vor allem weist die Studie
auf ungenutzte Potenziale hin:
Immerhin rund 40 Prozent der
befragten Absolventen hätten
einen Job in Mittelhessen in
Erwägung gezogen, erläutert
Brenner das Ergebnis. Etwa die
Hälfte der übrigen 60 Prozent
ziehe es aus persönlichen Grün-
den in andere Gegenden – „die
haben irgendwo anders Familie,
einen Freundeskreis oder Part-
ner“. Die andere Hälfte wolle
eher aus Sympathie-Gründen in
andere Regionen, etwa „weil
München so schön ist“, sagt
Brenner.
Das wirtschaftliche Image
einer Region scheint auch bei
der Entscheidung für den Studi-
enweg bedeutsam zu sein:
Viele Studierenden kommen
nach Marburg, um ihren Bache-
lor zu machen und gehen nach
drei Jahren wieder“, berichtet
Brenner über die Erfahrungen
an seinem Institut. Sie verließen
die Uni nicht etwa, weil ihnen
das Studienangebot nicht passe.
Die Uni-Abgänger wollten ihren
Master an einer Stelle machen,
wo es nachher Jobs gibt“. Und
als solche werde die Region
nicht wahrgenommen.
Hochschul-Absolventen bleiben
zu selten in Mittelhessen:
Der
Marburger Wirtschaftsgeograf
Professor Thomas Brenner (links)
übergibt seine Studie an Jens Ihle,
Geschäftsführer der Regionalma-
nagement Mittelhessen GmbH.
Foto: pm