Seite 15 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFT UND POLITIK
WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 6/2014
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dem Beschaffungsziel zusammenhängen, ein
wirtschaftliches Angebot zu finden. Sie
machen das Verfahren für beide Seiten zeit-
aufwändiger und damit teuer. Das Vergabe-
recht sollte einen Großteil der kleinen und
mittelständischen Unternehmen in die Lage
versetzen, sich um einen öffentlichen Auf-
trag zu bemühen. Das verliert die öffentliche
Hand gelegentlich aus dem Auge. Hinzu
kommt, dass die Vergabestellen oft viel zu
hohe Maßstäbe an die Eignung des Unter-
nehmens legen – aus Angst, bei der Auftrags-
vergabe etwas falsch zu machen.
Weiß die öffentliche Hand denn nicht,
was bei der Auftragsvergabe zu beach-
ten ist?
Unkenntnis und ein falsches Verständnis von
Regelungsinhalten kommen beim öffentli-
chen Auftraggeber genauso vor wie bei den
Unternehmen. Allein in Hessen gibt es 426
Kommunen mit Beschaffungsstellen – oft
nur mit ein, zwei Mitarbeitern besetzt – da
ist es schwer, eine komplexe Materie wie das
Vergaberecht so aufzubereiten, dass kein
Fehler bei der Auftragsvergabe passiert.
Daher beraten wir jedes Jahr fast genauso
viele öffentliche Auftraggeber wie Unterneh-
men.
Seit 1954 berät die Auftragsberatungs-
stelle Unternehmen, wie sie am besten
an öffentliche Aufträge kommen. Was
hat sich in dieser Zeit am stärksten ver-
ändert?
Nicht das Vergabeverfahren stand anfangs im
Fokus, sondern der Wunsch des Bundes, für
den Aufbau der Bundeswehr geeignete
Unternehmen im Rüstungsbereich genannt
zu bekommen. Heute haben wir ein detailliert
geregeltes Vergabeverfahren, das aufgrund
seiner Komplexität erheblichen Beratungsbe-
darf auslöst – obwohl es immer noch erklär-
tes Ziel der Politik ist, es zu vereinfachen. Der
größte Umbruch liegt in einem Bereich, mit
dem wir uns seit fünf Jahren sehr intensiv
beschäftigen: der elektronischen Vergabe.
Wer in zwei bis vier Jahren noch einen öffent-
lichen Auftrag haben will, der muss in der
Lage sein, sein Angebot elektronisch abzuge-
ben. Da wird kein Papier mehr hin- und her-
geschickt. Unternehmen, die sich rechtzeitig
darauf einrichten, haben eindeutig einen
Wettbewerbsvorteil.
n
Foto: Paul Müller
Brigitta Trutzel ist seit Oktober 2007
Geschäftsführerin der Auftragsberatungs-
stelle Hessen. Zuvor war die Volljuristin
zehn Jahre als Referentin in der Rechtsab-
teilung der Architektenkammer Rheinland-
Pfalz tätig. Sie engagierte sich acht Jahre
als Mitglied der Wiesbadener Stadtverord-
netenversammlung im Ausschuss Bau, Pla-
nung und Verkehr und arbeitete anschlie-
ßend vier Jahre als Referatsleiterin beim
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt,
bevor sie zur hessischen Wirtschaft wech-
selte. Die Wiesbadenerin ist Beisitzerin in
der Vergabekammer des Bundes und des
Landes Hessen.
ZUR PERSON
Die Auftragsberatungsstelle Hessen mit
Sitz in Wiesbaden ist eine Gemeinschafts-
einrichtung der Industrie- und Handels-
kammern und Handwerkskammern, der
Ingenieurkammer, der Architekten- und
Stadtplanerkammer in Hessen und des Lan-
des Hessen. Sie berät hessische Unterneh-
men und öffentliche Auftraggeber rund um
das nationale und europäische öffentliche
Auftragswesen.
AUFTRAGSBERATUNGSSTELLE
HESSEN
Auftragsberatungsstelle Hessen
Tel.: 0611/974588-0
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