Seite 14 - Wirtschaftsmagazin

WIRTSCHAFT UND POLITIK
WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 6/2014
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wir zum Beispiel die Hessische Ausschreibungs-
datenbank entwickelt: Betriebe können hier
kostenlos sämtliche hessischen Ausschreibun-
gen online recherchieren. Damit der Weg zur
Auftragsvergabe einfacher wird, haben wir
zusätzlich ein Präqualifikationsregister aufge-
baut: Unternehmen sparen damit Zeit und
Kosten, da sie ihre Eignung für öffentliche Auf-
träge nicht mehr bei jeder Bewerbung geson-
dert nachweisen müssen. Sie gelten grundsätz-
lich als für öffentliche Aufträge geeignet.
Woran scheitern Betriebe am häufigsten?
Meistens an Unkenntnis über formale Anforde-
rungen, weniger am wirtschaftlichen Angebot.
Das Regelgeflecht ist schwer durchschaubar
und eine Bewerbung kann schon wegen eines
kleinen Formfehlers ausgeschlossen werden:
Etwa wenn ein Nachweis fehlt oder Zusätze
gemacht werden, die gar nicht gefordert wur-
den. Auch zu kurze Fristen für die Angebotser-
stellung spielen eine Rolle.
Was sind typische Anforderungen an
Unternehmen, um bei der öffentlichen
Hand den Zuschlag zu bekommen?
Das kreist immer um Eignungsnachweise und
Referenzen. Idealerweise sollten die Betriebe
vergleichbare Leistungen schon über mehrere
Jahre ausgeführt haben, am besten mit dem
gewünschten Volumen. Dann müssen sie Jah-
resumsätze nachweisen, die oft das Dreifache
des Auftragsvolumens beinhalten. Hinsichtlich
der Qualifikation der Mitarbeiter gibt es eben-
falls hohe Anforderungen.
Ist das der Grund, dass immer weniger
kleine und mittlere Unternehmen über-
V
om Brötchen bis zum Bauprojekt –
für etwa 300 Milliarden Euro kaufen
Bund, Länder und Kommunen in
Deutschland jedes Jahr ein. Gut zehn Prozent
des Einkaufskorbes füllt die öffentliche Hand
in Hessen. Wenn Unternehmen hier zum
Zuge kommen wollen, müssen sie eine Reihe
von Hürden überwinden – dabei unterstützt
sie die Auftragsberatungsstelle Hessen, die in
diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert.
Ein Interview mit Geschäftsführerin Brigitta
Trutzel, geführt von Melanie Dietz (IHK Wies-
baden):
Frau Trutzel, wie schafft es ein Mittel-
ständler, an öffentliche Aufträge zu
kommen?
Er sollte sich zunächst einmal im Klaren sein,
dass hier ganz andere Anforderungen gelten
als bei einem privaten Auftraggeber. Das
Bewerbungsverfahren ist kompliziert und
Unternehmen kommen nicht daran vorbei,
sich in die Grundzüge des Vergaberechts ein-
zuarbeiten. Das wird von der Wirtschaft
stiefmütterlich behandelt, nach dem Motto:
Irgendwie klappt das schon, Hauptsache der
Angebotspreis stimmt. In der Regel endet
diese Einstellung mit einer Bauchlandung.
Ich kann jedem nur raten, die Möglichkeiten
in Anspruch zu nehmen, die man hier in Hes-
sen gerade durch die Auftragsberatungsstelle
hat. Neben Beratungen bieten wir auch
Seminare an.
Wie unterstützen Sie Unternehmen im
Rennen um Aufträge?
Damit Unternehmen Ausschreibungen der
öffentlichen Hand schneller finden, haben
Vom Brötchen bis zum Bauprojekt
Immer mehr Betriebe fallen durchs Raster.“
haupt noch ins Rennen um einen
öffentlichen Auftrag gehen?
Jedenfalls wird es für sie zunehmend schwie-
riger, an öffentliche Aufträge heranzukom-
men. Die Auftragsvolumina steigen, die
Anforderungen an die Eignung steigen – und
damit fallen immer mehr Unternehmen
durchs Raster. Hinzu kommt die Konjunktur-
entwicklung: Wenn die Auftragsbücher gut
gefüllt sind, bemühen sich weniger Unter-
nehmen um öffentliche Aufträge, weil ihnen
das Verfahren zu aufwändig ist. Dem muss
man entgegenwirken: Die Spirale der immer
höheren Anforderungen muss wieder nach
unten geschraubt werden.
In Hessen soll es ein neues Vergaberecht
geben. Ein Lichtblick für die Unternehmen?
Derzeit ist die Debatte, an der wir auch als
Auftragsberatungsstelle beteiligt sind, in
einer heißen Phase. Die Novelle des Vergabe-
rechts ist ja auch Teil des Koalitionsvertrags
und nach dem Willen der GRÜNEN werden
soziale und umweltpolitische Aspekte eine
größere Rolle im Vergabeprozess spielen. Eine
Voraussetzung, um an öffentliche Aufträge zu
kommen, soll die Einhaltung von Tarifverträ-
gen und Mindestlöhnen sein.
Das klingt aber nicht so, als würden die
Anforderungen gesenkt…
Allgemein gibt es seit einigen Jahren die Ten-
denz, das Vergabeverfahren zu überfrachten.
Das Vergaberecht hat nach Vorstellung der EU
auch gesellschaftspolitische Aufgaben über-
nommen – die Auftragsvergabe wird immer
häufiger an Aspekte gekoppelt, die zwar
erstrebenswert sind, aber nicht direkt mit