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WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 1/2014
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AUFMACHER
Dadurch ergibt sich auch die Möglichkeit,
noch spät im Fertigungsablauf auf
veränderte Kundenwünsche Rücksicht zu
nehmen. „Früher hat man gesagt: Alles, was
man am Fließband machen kann, kann man
kostengünstig herstellen“, sagt Heinz Kraus
von der THM. Heute wisse man, dass ein
einzelnes Stück genauso kostengünstig
gemacht werden kann wie hundert oder
tausend.
Fabrik der Zukunft“
Die Firma Bender in Grünberg hat bereits
einen großen Schritt in Richtung Industrie 4.0
gewagt. Manfred Nicklas arbeitet im
Unternehmen als Bereichsleiter Produktion
und verweist stolz auf die Erfolge, die die
Umstellung gebracht hat. Der Hersteller von
Sicherheitstechnik nahm Mitte 2012 eine neue
Produktionshalle in Betrieb. Zunächst liefen
die Fertigungsprozesse noch nach den alten
Mustern, um einen reibungslosen Übergang
zur neuen Fabrikationsstätte zu gewährleisten.
Daneben wurden aber bereits die
Voraussetzungen für eine Vernetzung von
Maschinen und Werkstücken geschaffen, um
nach den Idealen von Industrie 4.0 zu
produzieren. Definiertes Ziel sei dabei gewesen,
die Fabrik der Zukunft zu bauen, so Nicklas.
Wir haben uns bei erfolgreichen Firmen
umgeschaut“, sagt Nicklas. Es waren simple
Ideen, die von den Bender-Mitarbeitern mit
nach Grünberg gebracht wurden: „Wir
wollten die Verschwendung eindämmen“,
erklärt er und meint damit, dass einfache,
repetitive Tätigkeiten wie Suchen,
Rausholen, Zurückbringen und Einlagern
wegfallen sollten. Die Produktionsprozesse
sollten dezentral und sich selbst regulierend
ablaufen. Und die Tätigkeiten der Menschen
sollten von allzu simplen Verrichtungen
befreit
und
auf
ein
höheres
Anforderungsniveau gehoben werden. Im
Januar 2013 stellte Bender die Produktion in
der neuen Halle schließlich um.
Vieles läuft nun anders. Und besser, wie
Nicklas bekräftigt. Das serielle Abarbeiten
von großen Losen gehört der Vergangenheit
an. Jeder Auftrag wird in Einzelstücke
aufgeteilt, verschiedene Aufträge laufen
parallel zueinander durch die Produktion.
Werkstücke und Maschinen kommunizieren
miteinander. Die Werkstücke suchen sich ihre
Stationen. „Chaotisch im One-Piece-Flow“
nennt der Produktionsleiter das. „Da ist alles
im Fluss und es gibt keinen Stillstand“, sagt
er. Die Umlaufbestände seien stark reduziert
worden, praktisch kein Werkstück müsse an
einer Station noch warten.
Die Firma Bender hat ein breites
Produktportfolio. Weil man nicht jeden
Typen neu entwerfen wollte, um ihn mit
den erforderlichen Komponenten zur
Kommunikation auszurüsten, bedient man
sich bei Bender eines Tricks: Die Träger, auf
denen die Werkstücke über ein
Transfersystem die Fertigung durchlaufen,
sind mit solcher Kommunikationstechnik
bestückt.
Die Effizienz der Produktion sei durch
die neuen Prozesse um 20 Prozent gesteigert
worden, sagt Manfred Nicklas. Hinzu
kommt, dass der Bedarf an Lagerplatz für
Endgeräte drastisch reduziert wurde, weil
man eben fast nur noch für ausstehende
Aufträge produziert. Und obwohl kaum
noch fertige Produkte im Lager auf den
Abverkauf warten, habe man die
Lieferzeiten beträchtlich reduzieren
können. „Wir behaupten“, sagt Nicklas,
dass die wirtschaftlichste Losgröße ‚eins‘
ist. Das gelte allerdings nicht
uneingeschränkt für jedes Produkt in jedem
Unternehmen, räumt er ein. Ein radikales
Umdenken ist es dennoch. „Vor zwanzig
Jahren hieß es ja noch: Je größer das Los,
umso besser.“
Die Fabrik der Zukunft?
Bei der Firma Bender in Grünberg wird „chaotisch im One-Piece-Flow“ gefertigt. Die Warenträger des Transfersystems wurden
mit Kommunikationstechnik ausgestattet und den Fertigungsmaschinen vernetzt (links). Bei Bender hat man durch neue Fertigungsprozesse die
Arbeitsplätze von einfachen, repetitiven Tätigkeiten zu befreien versucht. Die Anforderungen an das Know-How der Mitarbeiter sind gestiegen. Laut
Produktionsleiter Manfred Nicklas musste wegen der Neuorganisation keine einzige Kündigung ausgesprochen werden (rechts).
Fotos: pm