WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 2/2014
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AUFMACHER
gleichzeitig so viel Strom wie möglich selbst
erzeugen möchte. „Das passt nicht zusam-
men“, sagte Homann.
Die Energiewende habe aber auch inter-
nationale Bedeutung. „Die Energiewende
geht nicht ohne Europa“, machte der Chef
der Bundesnetzagentur deutlich: Der Solar-
und Windkraftboom in Deutschland habe
bereits Auswirkungen auf die Nachbarlän-
der. Schon heute fließe Strom aus dem Nor-
den Deutschlands auch über Leitungen in
Ländern wie Polen und Tschechien in den
Süden der Bundesrepublik. Dies sorge in den
Nachbarländern für Verärgerung, sagte der
studierte Volkswirt, der seit 1982 in verschie-
denen Positionen an maßgeblicher Stelle im
Wirtschaftsministerium gearbeitet hat.
Energiewende ist
Generationenauftrag
Trotz aller Probleme sei die Energiewende
ein Innovationsanreiz, von dem die deutsche
Wirtschaft nachhaltig profitieren werde:
„
Die Welt schaut auf Deutschland und die
Fehler, die es beim Umbau seiner Energiever-
sorgung macht. Trotzdem kann Deutschland
mit dem Vorhaben seine Technologieführer-
schaft im Bereich erneuerbare Energien wei-
ter ausbauen.“ Eine Absage erteilte Homann
den medialen Unkenrufen über ein mögli-
ches Scheitern der Energiewende: „Die Ener-
giewende ist ein Generationenauftrag, der
auf lange Frist und nicht Woche für Woche
bewertet werden sollte.“
Vor dem Festvortrag hatte der Präsident
der IHK Gießen-Friedberg, Dr. Wolfgang
Maaß, das vergangene Jahr aus Sicht der
Wirtschaft Revue passieren lassen. Vorab
erklärte er, dass er nach gut zwölfeinhalb
Jahren und Ablauf der aktuellen Amtszeit
nicht mehr für dieses Amt kandidieren
werde. Rückwirkend würdigte er das Enga-
gement der Verantwortlichen beim Zusam-
menschluss der Kammern Gießen und Fried-
berg und der Unternehmer in der neuen,
größeren Industrie- und Handelskammer
Gießen-Friedberg: „Seit dem Jahr 2002 führt
sich die IHK Gießen-Friedberg – und damit
war sie die erste deutsche IHK – mit einem
strategischen Managementsystem, dessen
Kern eine Balanced Scorecard, ein ausgewo-
genes Zielsystem, ist. Sie ist also gut aufge-
stellt, unsere, Ihre IHK. Wir werden auf allen
Ebenen als wichtige Stimme der Wirtschaft
wahrgenommen, wir zeichnen uns durch ein
hohes ehrenamtliches Engagement aus, und
wir stehen finanziell gut da.“
Maaß erinnerte an die Gründung des
Regionalmanagementvereins Mittehessen,
den die IHK Gießen-Friedberg nicht zuletzt
durch ihre beiden Geschäftsführer Dr. Matt-
hias Leder und Beate Hammerla auch perso-
nell unterstützt habe. Der „Schulterschluss
zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und
Politik“ habe dazu beigetragen, dass sich die
Region positiv entwickelt habe. „Auch per-
sönlich war die Zeit als IHK-Präsident für
mich trotz aller Verantwortung und nicht
unerheblicher Belastung eine große Berei-
cherung. Es hat mir Freude gemacht, von
verantwortlicher Stelle aus bei der engeren
Anbindung an den Ballungsraum Rhein-
Main und der Entwicklung Mittelhessens
mitwirken zu können. Und ich kann nur
jeden ermuntern, sich in der IHK zu enga-
gieren“, sagte Maaß.
Maaß: Koalitionsvertrag
enttäuschend
Wenig Positives konnte Maaß dem neuen
Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf
Bundesebene entnehmen: „Aus Sicht der
Wirtschaft bietet der Koalitionsvertrag nur
wenig Anlass zur Freude, und die Pläne der
Großen Koalition im Bereich Wirtschaftspo-
litik sind insgesamt enttäuschend. Das fängt
schon damit an, dass das von der Union pro-
klamierte Ziel, dass es keine Steuererhöhun-
gen geben wird, nicht verbindlich in den
Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.
Dabei hätte auf 180 Seiten doch Platz sein
müssen für diese kurze klare Aussage. Über-
haupt – gerade im Bereich Steuerpolitik
bleiben die Aussagen der neuen Regierung
deutlich hinter den Erwartungen der Wirt-
schaft zurück.“ Trotz sprudelnder Steuerein-
nahmen fände man nichts zum Thema Steu-
ervereinfachungen, zur Beseitigung der kal-
ten Progression oder auch zur Verkürzung
der Aufbewahrungsfristen, was in den
Unternehmen mit erheblichem bürokrati-
schem Aufwand verbunden wäre. Kritisch
äußerte Maaß sich auch zur geplanten
Finanztransaktionssteuer. Mit dieser Steuer
In der ersten Reihe beim Jahresempfang in
der Gießener Kongresshalle:
IHK-Präsident
Dr. Wolfgang Maaß, Festredner Jochen Homann,
Präsident der Bundesnetzagentur für Elektrizi-
tät, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen-
bahnen, und IHK-Hauptgeschäftsführer
Dr. Matthias Leder (v.li.n.re.).
Foto: O. Schepp
Der Vogelsberg zeigt Präsenz auf dem IHK-
Jahresempfang 2014 in Gießen.
Foto: I. Jakob-Diedolph