WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 2/2014
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AUFMACHER
Volles Haus beim IHK-Jahrsempfang in Gießen
Im Maschinenraum
der Energiewende
Festredner Jochen Homann drängt auf bezahlbare Stromrechnung.
D
ass IHK-Präsident Dr. Wolfgang
Maaß seine letzte Rede in dieser
Funktion bei einem Jahrsempfang
seiner Institution ausgerechnet neben
einem kunstvoll verzierten „Marterpfahl“
halten musste, sei keinesfalls symbolisch-
hintergründig zu verstehen. Diesen Gag
mochte sich Maaß dann doch nicht ver-
kneifen. Gut zwölf Jahre an der Spitze der
seinerzeit fusionierten Kammern Gießen
und Friedberg seien zwar anspruchsvoll,
aber keinesfalls quälend gewesen. Der
Marterpfahl weise vielmehr in die nahe
Zukunft, sei er doch Teil des Kunstprojekts,
mit dem Betriebe, Vereine und Einzelper-
sonen im öffentlichen Raum für das kom-
mende Gießener Großereignis, die Landes-
gartenschau 2014, werben. Rund 600 Ver-
treter aus Wirtschaft, Politik und Verbän-
den waren in die Gießener Kongresshalle
gekommen, um gemeinsam mit Maaß auf
das vergangene Jahr zurückzublicken und
einen Ausblick auf das Jahr 2014 zu
wagen.
Ein Ausblick aus berufenem Munde
waren auch die Ausführungen von Festred-
ner Jochen Homann. Der Präsident der Bun-
desnetzagentur für Elektrizität, Gas, Tele-
kommunikation, Post und Eisenbahnen
steht vor dem Hintergrund der beschlosse-
nen Energiewende einer der wichtigsten
Bundesbehörden vor. Wie geht es voran mit
der Umstellung der Energieversorgung auf
erneuerbare Energien? Diese vielerorts
gestellte Frage war Mittelpunkt in Homanns
Festvortrag, dessen Überschrift „Ener-
giewende – quo vadis?“ lautete.
„
Ich wünsche Ihnen ein frohes neues
Jahr und eine bezahlbare Stromrechnung
2014“ -
schon mit seinem ersten Satz mach-
te Homann deutlich, wo aus seiner Sicht der
Knackpunkt der Energiewende liegt: „Der
Fokus der Energiewende hat sich in den ver-
gangenen Monaten weg vom Klimaschutz
hin zu Bezahlbarkeit und Versorgungssi-
cherheit entwickelt“, – für ihn eine überfäl-
lige Entwicklung. Die Kosten der künftigen
Energieversorgung dürften Wirtschaft und
Privathaushalte gleichermaßen nicht über-
fordern. Deswegen werde sich die neue Bun-
desregierung gemeinsam mit den Bundes-
ländern für eine grundlegende Reform des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein-
setzen. Es stimme ihn hoffnungsvoll, dass
sich die Parteien in diesem Punkt grundsätz-
lich einig seien und das Vorhaben im Koali-
tionsvertrag von Union und SPD auf Bun-
desebene enthalten sei. Die Marktverzerrung
durch die festgeschriebene Einspeisevergü-
tung von Strom aus erneuerbaren Ener-
gieformen sei immens: „Es ist ökonomisch
nicht sinnvoll, dass die Erzeugung einer
Strommenge, die einen aktuellen Börsen-
wert von zwei Milliarden Euro hat, tatsäch-
lich 20 Milliarden Euro kostet“, machte
Homann deutlich. Das sei offenkundig kein
gutes Verhältnis.
Viele Stellschrauben
Er ließ aber auch keinen Zweifel daran,
dass er zu den Zielen der Energiewende
stehe. Seine Behörde befände sich dabei
gewissermaßen „im Maschinenraum der
Energiewende“. Und dort werde derzeit noch
an einigen Stellschrauben gedreht, um das
Projekt zum Erfolg zu führen. Das gegen-
wärtig gesellschaftlich und wirtschaftspoli-
tisch bedeutendste Vorhaben der jüngeren
Geschichte laufe noch nicht rund, machte er
deutlich. Handlungsbedarf sieht er unter
anderem im föderalistischen Zusammenwir-
ken von Bund und Bundesländern: „Die
Energiewende des Bundes und der 16 Bun-
desländer fügt sich nicht zu einem harmoni-
schen Ganzen zusammen.“ Der Netzausbau
hinke deutlich hinter dem Ausbau der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
hinterher. Der Grund: Es gehe erheblich
schneller, ein Windrad aufzustellen, als eine
Stromleitung von mehreren hundert Kilo-
metern Länge zu planen und zu bauen. Des-
wegen müssten die Bundesländer ihre Aus-
bauziele besser untereinander abstimmen.
Es könne nicht sein, dass der Norden massiv
auf den Ausbau der Windkraft setze, um den
produzierten Strom in andere Bundesländer
exportieren zu können, während der Süden