WIRTSCHAFTSMAGAZIN · 4/2014
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SONDERTHEMA
sich nunmehr mit dem Gedanken anfreun-
den, dass immer mehr jüngere Frauen und
Männer sich lieber papierlos über das Netz
bewerben.
Weltweit benutzen über eine Milliarde
Menschen Facebook. Kein Wunder also, dass
viele Unternehmen als erstes fragen, ob sie
Facebook brauchen, wie Jung schildert.
Einen eigenen Facebook-Kanal zu etablie-
ren, ist in vielen Fällen schon der richtige
Ansatz. Doch warnen die Experten davor, es
dabei zu belassen. „Ein solcher Kanal muss
dann auch bespielt werden und darf auf kei-
nen Fall unbeaufsichtigt bleiben“, sagt
Haas. Dazu seien Profis vonnöten, die sich
im Duktus auskennen und so authentisch
kommunizieren. Auch bräuchten solche
Social-Media-Manager Freiraum, um spon-
tan reagieren zu können. Gerade in Krisen
ist Zeit ein wichtiger Faktor. Eine lange
Autorisierungskette kann zeitnahes Handeln
erschweren.
Ein anderes Problem: Das mediale Feld
ist ständig in Bewegung. An einem Tag ent-
stehen auf Basis von Software-Innovationen
neue Möglichkeiten und Communities, die
diese Möglichkeiten ausloten. Am anderen
Ende der Entwicklung fallen einst stark fre-
quentierte Netzwerke aus der Mode. Kann
ein Unternehmen da überhaupt Schritt hal-
ten, wenn es nah am Puls der Zeit Öffent-
lichkeitsarbeit betreiben will? Gerade kleine
und mittlere Unternehmen haben häufig
nicht die Ressourcen, um alle Kanäle glei-
chermaßen zu bespielen und auf jeden Trend
sofort aufzuspringen. Das ist aber auch gar
nicht nötig.
Ob Google Plus, Twitter oder Xing – die
Auswahl des richtigen Kanals hängt allein
von den Zielen der Kommunikation ab. Haas
betont, dass die transportierten Inhalte den
eigentlichen Kern der Strategie ausmachen.
Werthaltige Beiträge machen hier das Ren-
nen um die Aufmerksamkeit. „Erzähle eine
Geschichte“, rät der Marketingprofessor.
Dabei können Unternehmen auf verschiede-
ne Aspekte der eigenen Situation zurück-
greifen. Die Firmengeschichte, soziales
Engagement oder die regionalen Wurzeln
bieten den Stoff für authentische Geschich-
ten, so Haas. Keinesfalls sollten diese Kanä-
le nur für hergebrachte Werbemaßnahmen
benutzt werden.
„
Content is king“ zitiert Matthias Mok-
kenhaupt, Social-Media-Manager von SGC,
eine alte Werbermaxime und schlägt damit in
die gleiche Kerbe. „Die Phase des Experimen-
tierens ist vorbei“, sagt er. Jetzt müsse Sub-
stanz liefern, wer Aufmerksamkeit will.
Wichtig dabei sei, dass die Kommunikation
authentisch bleibe und zum Unternehmen
und dessen Angeboten passe. Agenturbetrei-
ber Jung sagt, dass dazu eine gewisse Offen-
heit gegenüber den Adressaten gepflegt wer-
den sollte. „Dann muss man auch mal sagen,
wenn etwas in die Hose gegangen ist.“
Ebenfalls wichtig für eine gelingende
Öffentlichkeitsarbeit im Social Web ist es,
die Diskussionen möglichst flächendeckend
zu verfolgen. Auch dort, wo das Unterneh-
men selbst gar nicht aktiv werden möchte.
Schon im Vorfeld der Planungen sollte daher
ein Monitoring etabliert werden, mit dem
systematisch Vorgänge im Netz beobachtet
werden können, rät Sumner. Einfache Werk-
zeuge wie Alert-Dienste bilden eine Basis.
Mit Suchbegriffen lassen sich recht unkom-
pliziert neue Einträge im Netz finden, in
denen beispielsweise der Name eines Unter-
nehmens oder Produktes fällt. Mehr geht
immer. Der Markt für Monitoring-Anwen-
dungen bietet von solch rudimentären Gra-
tiswerkzeugen bis hin zu teuren Komplett-
paketen viele Möglichkeiten, das Geschehen
im Netz im Blick zu behalten.
Wenn eine Agentur von einem Unterneh-
men den Auftrag erhält, dessen PR-Auftritt
im Netz zu planen, stehen die Kommunika-
tions-Experten immer wieder vor den glei-
chen Problemen. „Die größte Schwierigkeit
für uns ist dabei, den Verantwortlichen die
Schwellenangst vor diesen Medien zu neh-
men“, sagt Sumner. Jungs Erfahrungen sind
ganz ähnlich: „Unternehmen treten häufig
mit völlig falschen Erwartungen an das
Thema heran.“ Eine Strategie gebe es häufig
überhaupt nicht, Ergebnisse sollen aber
sofort erzielt werden.
Wer selbst mal eine gute Geschichte
erzählt hat, weiß: Dafür braucht es Zeit.
n
Steven Sumner und Matthias Mockenhaupt
von der Gießener Agentur Sumner Groh +
Compagnie (v.l.).
Foto: D. Heitz
Dominic Heitz
Autor/IN