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Nr. 6515428

Austausch auf Augenhöhe

Die IHK Gießen-Friedberg verfolgt bei ihren Afrika-Projekten das nachhaltige entwicklungspolitische Leitbild „Hilfe zur Selbsthilfe“ –ökonomisch, ökologisch und sozial.
Eine deutschlandweite Afrika-Roadshow machte im November 2012 Station in Gießen und legte damit den Grundstein für eine vielversprechende Initiative. Bei der Veranstaltung gaben die Leiter der Außenhandelsvertretungen von Angola, Kenia, Nigeria und Ghana Einblicke in die wirtschaftlichen Perspektiven und Herausforderungen, die deutsche Unternehmen in diesen aufstrebenden Märkten erwarten.
Schon damals zeichnete sich ab: Deutschlands starke Fokussierung auf den europäischen Exportmarkt könnte mittelfristig zur Achillesferse der Wirtschaft zu werden. Deshalb sei die Erkundung neuer Märkte auf dem afrikanischen Kontinent besonders wichtig.
Noch im selben Jahr startete die IHK Gießen-Friedberg als deutsche Projektträgerin eine Berufsbildungspartnerschaft mit ausgewählten Partnerkammern in Nigeria (BBP, Laufzeit 6 Jahre). Für Nigeria fiel die Entscheidung, weil das westafrikanische Land
  • bereits ein Schwerpunktland der IHK war. Diese berät seit 2005 Unternehmen mit Nigeria-Bezug;
  • mehr als 200 Millionen Einwohner hat, das bevölkerungsreichste Land auf dem afrikanischen Kontinent ist und damit ein interessanter Markt;
  • für Deutschland nach Südafrika der zweitwichtigste Exportpartner in Subsahara-Afrika ist.
Ziel der BBP war es, Elemente der deutschen dualen Ausbildung (theoretischer Unterricht kombiniert mit praktischem Training) in den Berufsfeldern Industrieelektronik, Industriemechanik, Gebäudemanagement und Verwaltung zu implementieren – allerdings angepasst an die nigerianischen Verhältnisse. Die BBP fokussierte sich auf die Regionen Ogun State, Lagos und Abuja; drei der dort ansässigen nigerianischen Handelskammern sowie zwei Wirtschaftsverbände unterstützten die Umsetzung des Projekts. Finanziert wurde die BBP vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Koordinierung übernahm die sequa gGmbh, eine Durchführungsorganisation für Projekte der privaten Wirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit.
Im Rahmen der BBP durchliefen 310 Ausbilder und 290 Auszubildende die berufliche Ausbildung. Von den Auszubildenden wurden 95 Prozent von den Unternehmen übernommen und erhielten anschließend einen deutlich höheren Lohn. Die Ausbilder trainieren heute rund 3.000 Auszubildende pro Jahr. 2018 gab die IHK Gießen-Friedberg das Projekt an die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ab, bringt aber weiterhin ihre Expertise ein. Des Weiteren: Das National Board of Technical Education (NBTE, eine Einrichtung des nigerianischen Bundesministeriums für Bildung) hat die im Rahmen des BBP entwickelten Lehrpläne offiziell anerkannt. Die lokalen Kammern können die Aktivitäten zur Ausbildung eigenständig weiterführen.
In Kooperation mit der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main betreute die IHK Gießen-Friedberg von Dezember 2014 bis September 2021 die BBP Kenia im Großraum Nairobi. Ausgebildet wurde in den bedarfs- und praxisorientierten Berufsfeldern Gerüstbau, KFZ (Mechatronik, Karosseriebau und Fahrzeuglackierung) sowie Industrieelektronik. Insgesamt schlossen 815 Auszubildende und 378 Trainer die Berufsausbildung erfolgreich ab.

Stärkung des Kammerwesens

Seit Januar 2023 besteht zwischen der IHK Gießen-Friedberg und der Wirtschaft in den nigerianischen Regionen Lagos und Ogun eine Kammer- und Verbandspartnerschaft (KVP), wie die BBPs finanziert durch das BMZ und koordiniert von der sequa gGmbH. Ziel der KVP ist es, die drei nigerianischen Partnerkammern OGUNCCIMA, LCCI und der Dachverband NACCIMA so zu stärken, dass sie die Interessen der Unternehmen vor Ort selbstständig erfolgreich vertreten können und gleichzeitig national und international besser vernetzt sind. Neben Organisationsentwicklung unterstützt die KVP bei dem Aufbau eines nachfrageorientierten und kostenpflichtigen Dienstleistungsangebots, zum Beispiel Marktstudien oder „Shared Services“ für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Unterstützung bei der Erstellung von Businessplänen und Zugang zu Finanzierung. Gefördert werden auch nigerianische und deutsche Kooperationen und Geschäftskontakte sowie der Erfahrungsaustausch in Form von Branchentreffen oder Netzwerkveranstaltungen in ausgewählten Fokusbranchen. So können ebenfalls die hessischen Unternehmen Kontakte zu Partnern in Afrika aufbauen.
Delegationsbesuche aus Nigeria und anderen afrikanischen Ländern gehören seit Jahren zum täglichen Geschäft der IHK. Eine Delegation aus Mozambique wurde im Frühjahr 2022 begrüßt, im Sommer desselben Jahres empfing die IHK Gießen-Friedberg zu ihrem 150-jährigen Bestehen eine Delegation aus Nigeria. Weitere Besuche aus Nigeria folgten im Mai 2023 sowie im Juni und im September 2024. Im Fokus der Besucher stand vorrangig der Austausch über das deutsche System der dualen Berufsausbildung. Das galt auch für die Gruppe von Auszubildenden aus Namibia im November 2024. Weitere Themen insbesondere der nigerianischen Delegationen sind die Stärkung des Genossenschaftswesens und die legale Migration von lokalen Fachkräften nach Deutschland.

Multiplikator für internationale Vernetzung

Seit Sommer 2023 ist die IHK Gießen-Friedberg Gastgeber der internationalen Konferenz „The World meets in Giessen“. Die Konferenz bietet vielfältige Möglichkeiten, sich international zu vernetzen und mit neuen Partnern in Kontakt zu kommen, so etwa im Vertrieb, im Einkauf oder für mögliche Investitionen.
Unternehmen mit Interesse an der Geschäftstätigkeit in Entwicklungs- und Schwellenländern, insbesondere in Afrika, können sich zusätzlich über den IHK-Hub durch einen Business Scout for Development beraten lassen. Dieser fungiert bundesweit als „Lotse“ für Kooperationsmöglichkeiten in der Entwicklungszusammenarbeit. Gebündelt und koordiniert werden die Afrika-Aktivitäten der IHK Gießen-Friedberg seit 2019 unter dem Dach des Kompetenzzentrums Afrika von der Afrika-Referentin Dr. Kirsten Albrecht mit Unterstützung von Bárbara Dos Santos, Fachreferentin im Bereich International.

Delegation Nigeria TWMIG 2024
Die Beteiligten der Kammer- und Verbandspartnerschaft mit der IHK Gießen-Friedberg erwarten, dass die Zusammenarbeit positive Effekte für nigerianische und hessische Unternehmen bringen wird.