1. Mittelstand und Unternehmensfinanzierung
- 1.1 Mittelstand stärken: Unternehmertum nachhaltig unterstützen
- 1.2 Unternehmensgründung, -nachfolge, -förderung: Unternehmerbild verbessern, Förderung konzentrieren
- 1.3 Unternehmensfinanzierung: Neue Möglichkeiten erschließen, bewährte Wege bewahren
- 1.4 Sustainable Finance: Finanzierung der Transformation fördern statt erschweren
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1.1 Mittelstand stärken:
Unternehmertum nachhaltig unterstützen
Vertragsfreiheit, Gewerbefreiheit, Privateigentum und offene Märkte sind Grundprinzipien unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung. Sie bilden die Basis für einen funktionierenden Wettbewerb und den wirtschaftlichen Erfolg.
Der Mittelstand ist eine starke Säule der deutschen und europäischen Wirtschaft. KMU stellen in Deutschland und der EU mehr als 99 Prozent aller Unternehmen und deutlich mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft.
Die Unternehmer stellen sich ihrer Verantwortung den eigenen Mitarbeitern, Geschäftspartnern, Kunden, der Umwelt und Gesellschaft gegenüber und stiften einen ökonomischen Mehrwert. Sie setzen auf Freiwilligkeit und orientieren ihr Handeln am Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns. Den freien und fairen Wettbewerb gilt es zu erhalten.
Deshalb braucht die Wirtschaft in der Breite wachstums- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Zwar ist eine zunehmende Zahl von mittelständischen Unternehmen grenzüberschreitend aktiv. Oftmals können diese Unternehmen aber hiesige Standortnachteile nicht oder nur mit höheren relativen Kosten durch einen Auf- oder Ausbau von Standorten im Ausland kompensieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Belastungen etwa durch Bürokratie treffen den Mittelstand besonders. Angesichts der aktuellen großen Herausforderungen wie einer hohen Bürokratiebelastung, deutlich gestiegener Energiekosten, des starken Fachkräftemangels, der geopolitischen Spannungen und des energie- und klimapolitischen Transformationsprozesses benötigen die Unternehmen mehr unternehmerische Freiheiten und einen größeren Spielraum mit einem breiten technologieoffenen wirtschaftspolitischen Ansatz.
Unternehmen brauchen klare und marktorientierte Rahmenbedingungen statt selektive und oft auch bürokratische (Förder-)Maßnahmen. Das gilt auch für die Sicherung der immer schwieriger werdenden Suche nach einer geeigneten Unternehmensnachfolge.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen
- Dem Mittelstand verlässliche wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen bieten, angemessene Entscheidungsspielräume und Vorrang der Eigenverantwortlichkeit vor staatlicher Regulierung.
- Bürokratieabbau aktiv vorantreiben
- Wertschätzung für Unternehmertum erhöhen
- Wirtschaftskompetenz und Unternehmertum fördern
- Unternehmensübergaben und -übernahmen erleichtern
- Mittelstandspolitik auch EU-seitig hohe Priorität einräumen
- Wachstumschancen und größeren Mittelstand (Mid Caps) stärker in den Blick nehmen
- Schwellenwerte in der EU-Rechnungslegungsrichtlinie anpassen
- die KMU-Definition mit Blick auf die Potenziale der vielen mittelgroßen wachstums- und innovationsstarken Unternehmen anpassen. Dies umfasst:
- die Erhöhung der Schwellenwerte zum Jahresumsatz (derzeit 50 Mio. Euro) und zur Jahresbilanzsumme (derzeit 43 Mio. Euro)
- die Erhöhung der Schwellenwerte für die Mitarbeiterzahl auf bis zu 500 Beschäftigte (derzeit 250)
- die Erhöhung der Schwellenwerte, ab denen ein Unternehmen nicht mehr als eigenständig gilt (derzeit 50 Prozent Beteiligung und 1,25 Mio. Euro Beteiligung)
- die Ausdehnung der Phase, innerhalb der ein Unternehmen seinen KMU-Status auch bei Überschreiten der Schwellenwerte beibehält (derzeit zwei Jahre) sowie
- die Schaffung eines klaren Regel-Ausnahme-Verhältnisses für verbundene Unternehmen, die nur dann in die Berechnung des KMU-Status einzubeziehen sind, wenn sie tatsächlich auch von der konkreten Sonderregelung profitieren
1.2 Unternehmensgründung, -nachfolge, -förderung:
Unternehmerbild verbessern, Förderung konzentrieren
Neu gegründete Unternehmen bringen innovative Ideen auf den Markt, fördern den Wettbewerb, schaffen neue Arbeitsplätze und schließen Marktlücken. Als rohstoffarmes Land ist Deutschland besonders auf Unternehmertum und Innovationsgeist angewiesen. Die Gründungsneigung ist hierzulande jedoch vergleichsweise gering.
Oberste Priorität muss die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen haben. Sowohl die Investitionsförderung als auch die Innovations- und Außenwirtschaftsförderung bleiben die wichtigsten Säulen der Thüringer Förderpolitik.
Die gesellschaftspolitische Rolle von kleinen und mittleren Unternehmen muss anerkannt werden. Ein gesellschaftliches Klima für die Entwicklung von Unternehmerpersönlichkeiten ist zu entwickeln. Die Landesregierung sollte die Bedeutung von Unternehmertum für die gesamte Gesellschaft erkennen und die Wirtschaft auch in der Öffentlichkeit stärken.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen
- mehr Wertschätzung für das Unternehmertum durch die Politik
- Förderpolitik weiterentwickeln: Effektivität steigern, regionale Besonderheiten berücksichtigen, vorrangig auf Bestandsunternehmen und Unternehmensnachfolgen ausrichten, Förderprogramme regelmäßig evaluieren
- bestehende EU-Förderinstrumente vereinfachen und zwecks Klarheit mit den nationalen Ansätzen besser abstimmen
- Bürokratie in der Förderpolitik (Beratung, Antrag und Abrechnung) abbauen und Umsetzung vereinfachen
- Förderpolitik auf die Begleitung des Strukturwandels, der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, der Vertiefung der Wertschöpfung sowie der Energieeinsparung und CO2-Senkung ausrichten. Forderungen nach zusätzlichen Arbeitsplätzen gehen an den realen Notwendigkeiten vorbei
- Mittel zur Unterstützung der Gründer konzentrieren sowie die bereits vorhandenen Netzwerke für Unternehmensgründer auf Effizienz überprüfen und nicht noch weiter ausbauen
- Förderprogramme sind länderübergreifend besser abstimmen
- durchgängige und umfassende Kofinanzierung durch den Freistaat zur Vermeidung von Förderlücken gewährleisten
- Fonds auf Zukunftsthemen ausrichten
1.3 Unternehmensfinanzierung:
Neue Möglichkeiten erschließen, bewährte Wege bewahren
Mit dem Ende der Niedrigzinsphase sind die Kosten der Unternehmensfinanzierung deutlich gestiegen. Gleichzeitig erhöht sich die Notwendigkeit für Unternehmen in Innovationen, Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu investieren. Vor diesem Hintergrund sollten die Strukturen und Regulierungen im Finanzsystem so ausgerichtet werden, dass die für die Investitionen notwendige Finanzierung zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung steht.
Die Kapitalmarktunion in Europa kann dafür neue Möglichkeiten erschließen. Gleichzeitig werden die Bedingungen für die wichtigste Finanzierungquelle deutscher Unternehmen, die Bankkredite, regulatorisch kontinuierlich verschlechtert. Es gilt deshalb, einen Ausgleich zwischen stärkerer Kapitalmarktorientierung und bewahrenden Rahmenbedingungen für Bankkredite sowie zwischen Stabilität des Finanzierungsrahmens und besseren Finanzierungskonditionen für Investitionen zu finden. Die Stärke des hiesigen Standorts liegt in der Vielfalt der Unternehmen – von großen Konzernen über typische KMU bis hin zu Kleinstunternehmen. All diese Unternehmen sind auch in Bezug auf die Finanzierungsbedingungen auf ein investitionsfreundliches Umfeld angewiesen. Dazu sollten auch neue technische Möglichkeiten erschlossen und administrative Hürden gesenkt werden.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen
- das traditionelle Bankgeschäft nicht gegenüber Kapitalmarktanlagen benachteiligen
- zusätzliche bürokratische Lasten sowohl bei Unternehmen als auch bei Kreditinstituten vermeiden
- Ausgleich zwischen Finanzstabilität und Finanzierung von Investitionen verbessern
- erfolgreiche und europarechtlich anerkannte Institutssicherungssysteme in Deutschland erhalten, um die Funktionsfähigkeit der kreditwirtschaftlichen Verbünde und damit auch die KMU-Kreditversorgung zu sichern. EDIS-Pläne werden als kontraproduktiv abgelehnt
- Proportionalität der Regulierung wieder herstellen
- einen europäischen Kapitalmarkt schaffen, ohne die Subsidiarität zu beeinträchtigen
- mehr Gewicht im EU-Haushalt für KMU-Förderinstrumente einräumen
- administrative Hürden in der Finanzierung abbauen
- technologische Chancen eines Digitalen Euros nutzen
1.4 Sustainable Finance:
Finanzierung der Transformation fördern statt erschweren
„Sustainable Finance" ist, ergänzend zur C02-Bepreisung und anderen Maßnahmen, ein wesentlicher Eckpfeiler des European Green Deal. Finanzmarktakteure sollen Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Mit der EU-Taxonomie wird der Versuch unternommen, wirtschaftliche Aktivitäten danach einzuteilen, ob sie nachhaltig sind oder nicht. Dazu kommen vielfältige Berichts- und Offenlegungspflichten für Unternehmen sowie für Banken und Versicherungen. In den vergangenen Jahren hat es auf EU-Ebene und in vielen außereuropäischen Staaten Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegeben und es wurde eine Fülle von Rahmensystemen, Methoden und Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Unternehmen, die Teil internationaler Wertschöpfungsketten sind, müssen sich deshalb inzwischen mit vielfältigsten Anforderungen auseinandersetzen.
Die derzeitigen Trends in der Finanzmarktregulierung und -aufsicht, wie z.B. im Bereich von „Sustainable Finance" (Nachhaltigkeit im Finanzsystem), engen die Spielräume in der Unternehmensfinanzierung zusehends ein. Der Finanzierungszugang der eher kleineren mittelständischen Betriebe ist hiervon besonders betroffen.
Im Einklang mit der besonders mittelständisch geprägten Wirtschaft in Thüringen liegt der Schwerpunkt des Finanzsystems auf der bankbasierten Unternehmensfinanzierung. Eine lückenlose Finanzierung entlang aller Entwicklungsphasen der Unternehmen und Konjunkturzyklen sichert deren Handlungsfähigkeit. Die bankmäßige Vermittlung hat dies in Deutschland bisher leisten können und durch eine adäquate Risikobewertung der vielfältigen Geschäftsmodelle, gerade auch im Mittelstand, bewährt. Prägend für die hiesige Unternehmensfinanzierung ist das Zusammenspiel von kommunalen Sparkassen, genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken und privaten Banken (3-Säulen-Modell).
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen
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Regulierung vereinfachen, Verhältnismäßigkeit wahren
- auch bei einem nachhaltigen Finanzwesen und der Entwicklung einer grünen EU-weiten Taxonomie muss der Mittelstand ausreichend Finanzierungsmittel für Investitionen in Wachstum und Innovation in allen Branchen zur Verfügung haben
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Globale Standards unterstützen
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Widersprüchlichkeit zwischen diversen Regulierungsvorhaben reduzieren, falsche Steuerungsanreize und Mehrfachbelastungen der Finanzinstitute abschaffen und eine Risikoverlagerung auf Unternehmen der Realwirtschaft verhindern