4. Energie und Nachhaltigkeit

Sie haben bis zum 30. Juni 2025 die Möglichkeit, Ihre Interessen in den Meinungsbildungsprozess einzubringen. Teilen Sie uns Ihre Anmerkungen zu den gewünschten Themenkomplexen mit unter: beteiligungen@gera.ihk.de.

4.1 Energiewende zum Erfolg machen:
Wettbewerbsfähigkeit sichern, Eigenverantwortung stärken, Chancen nutzen

Die Energiewende ist eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Verlässliche und effiziente Rahmenbedingungen sind daher die Grundvoraussetzung, um notwendige Investitionen der Unternehmen in die Transformation zu schultern und Chancen ergreifen zu können. In weiten Teilen der Wirtschaft wird die Energiewende aber zunehmend als Risiko für die eigene Wettbewerbsfähigkeit wahrgenommen, die zudem mit politischer Detailsteuerung weit in betriebliche Ressourcenplanungen und Investitionsentscheidungen eingreift. Es fehlt Raum für Eigenverantwortung und Innovation sowie die erforderliche langfristige Planungssicherheit. Dabei bietet der Transformationspfad zur Klimaneutralität auch nachhaltige Wachstumsperspektiven, weil die deutsche Wirtschaft eine technologische Vorreiterrolle auf weltweit wachsenden Märkten einnehmen kann. Es mangelt auch nicht am Willen der Betriebe oder an Konzepten. Es fehlt vielmehr das Vertrauen der Politik in die Effizienz des Marktes und es fehlt das Vertrauen der Unternehmen in die Steuerungsfähigkeit der Politik. Ein hohes Maß an Bürokratie bindet dringend benötigte Kapazitäten und Ressourcen für die praktische Umsetzung der Energiewende.
Auch auf europäischer Ebene funktioniert ein wettbewerblich geprägter Energiebinnenmarkt trotz mancher Fortschritte noch nicht vollständig. Staatliche Preisregulierungen, ein schleppender grenzüberschreitender Netzausbau und das Streben nach nationaler Energieautarkie prägen weiterhin das Bild einer zersplitterten europäischen Energielandschaft.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen

  • Qualität der Energieversorgung als Standortfaktor sichern, kostengünstig und stabil
  • Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende
  • Energiewende einfach und handhabbar gestalten, wettbewerbsfähige Strompreise schaffen (bspw. durch die Senkung der staatlichen Strompreisbestandteile)
  • Eigenverantwortung stärken und Innovationen für die Energiewende erschließen, Raum für Investitionen schaffen
  • Energiebinnenmarkt stärken, Energieinfrastruktur (Netze und Speicher) ausbauen, Energieversorgung sicherstellen
  • Netzausbau beschleunigen, Versorgungssicherheit erhalten sowie dezentrale Stromversorgung ausbauen bei gleichzeitiger Begrenzung regionaler Kostennachteile bei Netzentgelten
  • Erdgas bleibt als Brückentechnologie vorerst ein essenzieller Bestandteil des Thüringer Energieversorgungssystems im Hinblick auf Versorgungssicherheit und industrielle Prozesse;
  • Verfügbarkeit erneuerbarer Energien erweitern
  • Etablieren eines Wasserstoffmarktes (Erzeugung, Netze und Speicher)
  • Wärmewende als Bestandteil der Energiewende technologieoffen und nach wirtschaftlichen Kriterien gestalten
  • Rolle der Energieabnehmer im Binnenmarkt stärken

4.2 Klima schützen:
Global, effizient und innovativ für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Deutschland und die EU haben sich im internationalen Vergleich ambitionierte CO2- Reduktionsziele gesetzt. Allerdings sind die für den Klimaschutz ergriffenen Maßnahmen teils durch eine bürokratische Detailregelung für die Wirtschaft geprägt. Klimapolitische Maßnahmen werden zudem bislang häufig ohne ausreichende Rücksicht auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ergriffen.
Minderungen von Treibhausgasemissionen auf lokaler, nationaler oder EU-Ebene sind wichtig, für sich allein aber kein Gradmesser für eine wirksame Klimaschutzpolitik: Klimaschutz kann nur durch gemeinsame weltweite Anstrengungen gelingen. International abgestimmte Bemühungen sind notwendig, um weltweit faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen.
Klimaschutzpolitik kann schnell unwirksam werden, wenn sie zu „Carbon Leakage“ und zur Verlagerung von Wertschöpfungsketten ins Ausland führt. Denn trotz des Pariser Übereinkommens ergreifen internationale Wettbewerber der EU bisher kaum vergleichbare Klimaschutzmaßnahmen. Ein wirksamer und unbürokratischer Carbon Leakage-Schutz ist neben ausreichend klimaneutralen Alternativen für die grüne Transformation der Industrie notwendig.
Die Unternehmen benötigen Planungssicherheit und eine Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Erreichung der Klimaziele ist nur gemeinsam mit der Wirtschaft möglich.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen

  • Klimaschutz international vorantreiben und weltweit betrachten
  • Effiziente Klimaschutzinstrumente einsetzen: marktbasiert und technologieoffen
  • Wettbewerbsnachteile national und international vermeiden
  • Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Investitionen in die Transformation schaffen
  • Anreize für Klimaschutzinnovationen setzen, dazu verlässlichen regulatorischen Rahmen, d. h. Technologieoffenheit, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, transparente Kriterien
  • Anpassung an den Klimawandel verstärken

4.3 Umwelt schützen, Wirtschaft stärken:
Fokus auf bürokratiearme Green Deal Umsetzung

Der deutschen Wirtschaft ist es gelungen, bei wachsender Wirtschaftsleistung die Belastungen für die Umwelt stetig zu senken. Trotzdem werden noch nicht alle Umweltziele des Bundes, der EU oder internationaler Organisationen erreicht. Die Unternehmen werden von Gesellschaft und Politik aufgefordert, Umwelteinflüsse noch weitreichender zu vermindern. Die Bemühungen um mehr betrieblichen Umweltschutz bleiben deshalb eine stetige Herausforderung.
Umweltschutz bietet Chancen und ist wirtschaftliche Herausforderung zugleich: Auf der einen Seite ist die Umweltgesetzgebung in Deutschland ein Treiber für Innovationen und Exporte von Umwelttechnologien. Die Unternehmen nehmen Umweltschutz als einen Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wahr, der zu attraktiven Standortbedingungen beiträgt und Risiken minimieren kann. Unternehmen, die Vorreiter im Umweltschutz sind, sind häufig besonders innovativ, weniger anfällig für Krisen und attraktiv für Fachkräfte. Auf der anderen Seite können zu strenge umweltrechtliche Anforderungen hohe Kosten verursachen, zusätzliche Dokumentations-, Berichts- oder Genehmigungspflichten hervorrufen oder technischen Innovationen im Weg stehen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft einschränken. Das Umweltrecht nennen Unternehmen als einen der wichtigsten Gründe für die zu langwierigen und komplexen Genehmigungsverfahren in Deutschland. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind mit der überbordenden Bürokratie und Genehmigungsverfahren im Umweltbereich häufig überfordert. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, berichten zudem von Wettbewerbsnachteilen, wenn umweltrechtliche Anforderungen in Deutschland über EU-Vorgaben hinaus gehen.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen

  • Innovationskraft und Verantwortung für Umweltschutz stärken
  • „Level-playing-field“ für nachhaltiges Wirtschaften
  • Vermeidung von Risiken für die Umwelt und die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gleichermaßen berücksichtigen
  • freiwilliges Engagement der Wirtschaft fördern und einen besseren Ausgleich von Wirtschafts- und Umweltinteressen anstreben
  • die zur Erreichung der Klimaschutzziele notwendige Effizienzsteigerung fördern, statt Einsparungen vorschreiben
  • Risiken des Stoffrechts minimieren
  • Anlagen praxisgerecht und effizient genehmigen und überwachen
  • neue finanzielle und bürokratische Belastungen der Unternehmen durch die Einführung des sog. Wassercent verhindern

4.4 Kreislaufwirtschaft und Rohstoffe:
Potenziale nutzen und Zugang sichern

Die Versorgung mit Rohstoffen und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen sind wichtige Säulen wirtschaftlicher Tätigkeit. Für zahlreiche Produkte müssen Rohstoffe importiert werden. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft bietet große Chancen für mehr Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit. Dies ist für alle Akteure der Wertschöpfungskette essenziell, insbesondere für Krisenzeiten. Um die vollen Potenziale einer Kreislaufwirtschaft zu erschließen, sollten Stoffkreisläufe bürokratiearm und technologieoffen erschlossen werden können.
Statt allein auf neue Regulierungsmaßnahmen zu setzen, sollte die einheitliche Anwendung und Durchsetzung bestehender Regeln einen Schwerpunkt der europäischen Kreislaufwirtschaftspolitik bilden. Im Vorfeld umwelt- und insbesondere abfallrechtlicher Regulierungsvorschläge sollten deren ökonomische Auswirkungen und praktische Umsetzbarkeit über die Breite der unmittelbar wie mittelbar betroffenen Unternehmen ermittelt werden. Die Umsetzung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollte auf Grundlage realistischer Zielannahmen erfolgen. Kommt es zu neuen Regelungen, sollten diese mit möglichst geringem Aufwand in die betriebliche Praxis integriert werden können. Vor jeder gesetzlichen Regulierung sollte geprüft werden, ob die Umweltziele durch eigenverantwortliche Initiativen oder Anreize erreicht werden können.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen

  • Kreislaufwirtschaft unternehmensfreundlich und wettbewerblich organisieren und damit die Rahmenbedingungen für mehr Ressourceneffizienz und Recycling verbessern. Der Einsatz von Ersatz- und Recyclingbaustoffen ist zu forcieren
  • Herstellerverantwortung und Wettbewerb fair gestalten
  • Verpackungsverordnung – Bürokratie abbauen und Verfahren vereinfachen
  • Bemühungen der Unternehmen bei der Rohstoffbeschaffung flankieren
  • Zugang zu heimischen Rohstofflagern langfristig sichern sowie die Rohstoffinteressen der Thüringer Industrie im Ausland durchsetzen
  • Forschung und Entwicklung im Bereich Energie und Rohstoffe technologieoffen ausbauen. Insbesondere ist der Erhalt und Ausbau von nachhaltigen Speicherkapazitäten zu fördern
  • Rohstoffpotenziale Thüringens erfassen und neu bewerten
  • vorsorgende Rohstoffsicherung gewährleisten. Dazu sind die planungs- und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen zur Nutzung einheimischer Rohstoffe zu optimieren und die Akzeptanz für Rohstoffgewinnung zu steigern, z.B. mit einer breit angelegten Akzeptanzoffensive.
  • vorhandene und neu zu schaffende Deponiekapazitäten auch langfristig sichern

4.5 Corporate Responsibility:
Nachhaltiges Wirtschaften unterstützen, Gestaltungsspielräume bewahren

Verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften ist in der Tradition des Leitbilds der Ehrbaren Kaufleute. Deutsche und Thüringer Unternehmen verbinden wirtschaftlichen Erfolg mit der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und gesellschaftlicher Aspekte auf vielfältige Weise. Dennoch sehen sich sowohl große als auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) innerhalb der Wertschöpfungskette zunehmend politischen und gesellschaftlichen Anforderungen, Nachweispflichten oder regulatorischen Vorgaben ausgesetzt.
Grundsätzlich sollte die Politik die Wirtschaft als Partnerin verstehen, da sich die Herausforderungen der Transformation zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft nur gemeinsam mit der Wirtschaft lösen lassen. Aufgabe der Politik ist es, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die notwendigen Freiräume für die Wahrnehmung und Ausgestaltung unternehmerischer Verantwortung zu gewähren.
Ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene beim Thema Corporate Responsibility ist für die Investitions- und Planungssicherheit der Wirtschaft essenziell. So sollten die Europäischen Institutionen einheitliche, verlässliche Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit in Europa schaffen und die notwendigen Freiräume für die Wahrnehmung und Ausgestaltung unternehmensspezifischer Verantwortung lassen. Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht sollten die gesetzten EU-Standards gewahrt werden und keine weiteren Verschärfungen zum Nachteil der deutschen Wirtschaft im nationalen Recht erfolgen.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
  • Staatliche Verantwortung für Menschenrechte und Umweltstandards darf nicht auf Unternehmen übertragen werden
  • Für Menschenrechte und Umweltstandards weltweit: „Level-playing-field“ sicherstellen
  • Vorgaben zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht bürokratiearm und praxistauglich ausgestalten
  • Mehr Unterstützung anbieten, Nachhaltigkeit fördern statt regulieren
  • Komplexität und Aufwand der Nachhaltigkeitsberichterstattung begrenzen. Die vielen unterschiedlichen Regulierungen (u.a. Taxonomieverordnungen, Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR), Corporate Sustainabilitiy Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und vielfältigen Vorgaben im Umweltbereich sowie der europäischen und nationalen Finanzaufsichtsbehörden) sind konsequent zu überarbeiten, zu vereinfachen und zu harmonisieren. Aufwand und Nutzen der Regelungen sind in ein angemessenes Verhältnis zu bringen
  • Freiwillige Umweltmanagementsysteme und freiwilliges Engagement anerkennen anstelle Vorgaben und Verpflichtungen in allen Bereichen der Nachhaltigkeit
  • Chancen der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung nutzen