EU verlängert Übergangsfristen für Medizinprodukte

Gute Nachrichten für die Hersteller und Anwender von Medizinprodukten:

Nach dem Europäischen Parlament hat am 7. März nun auch der Rat den Vorschlag der EU-Kommission angenommen, die Übergangsfristen in der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) zu verlängern und "Abverkaufsfristen" zu streichen.
Die Änderungsverordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie sieht vor, dass die Übergangsfrist für die seit dem 26. Mai 2021 verbindliche MDR-Verordnung nicht wie geplant am 26. Mai 2024 ausläuft, sondern erst Ende 2027 (für Produkt mit höherem Risiko) beziehungsweise Ende 2028 (für Produkte mit mittlerem bis geringem Risiko).
Betroffen sind beispielsweise chirurgische Instrumente, medizinische Software, Endoskope, Geräte für die Intensivmedizin, aber auch Nischenprodukte wie Baby-Stents oder Radiofrequenz-Perforationskatheter für verklebte Herzklappen bei Neugeborenen.
Die MDR verschärft hierfür die rechtlichen Vorgaben erheblich, gleichzeitig ergeben sich enorme praktische Umsetzungsprobleme für die Unternehmen. Schon jetzt wurden wichtige Produkte vom Markt genommen, andere drohten spätestens zum Ende des Übergangszeitraumes zu verschwinden. Die IHK-Organisation hatte sich deshalb mehrfach für eine Fristverlängerung bestehender Zertifikate ausgesprochen, zuletzt am 8. Dezember 2022.
Atempause, aber weitere Maßnahmen nötig
Mit der Neuregelung erhalten nun alle Akteure mehr Zeit zur Auflösung der bestehenden Engpässe. Auch die Abschaffung der Abverkaufsfristen ist wichtig, um die unnötige Vernichtung bereits produzierter sicherer Medizinprodukte zu verhindern.
Viele weitere Probleme werden durch die Änderungen allerdings nicht behoben. Deshalb müssen zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um auch zukünftig eine wettbewerbsfähige und innovative europäische Medizintechnikindustrie sicherzustellen.
So hat die Kommission weitere Aktivitäten angekündigt, die nun ebenfalls zügig angegangen werden müssen – beispielsweise mehr Unterstützung von kleineren und mittleren Betrieben. Die hohen Bürokratie- und Kostenbelastungen sind gerade für die vielen Mittelständler der Branche besondere Hürden. Sie verfügen in der Regel nur über begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen. Zudem wird die Entwicklung von innovativen Nischenprodukten aufgrund des zusätzlichen Aufwandes oft unrentabel.
Betriebe weichen in die USA oder nach Asien aus
So hat eine gemeinsame Befragung der IHK-Organisation, der MedicalMountains GmbH und des Industrieverbandes Spectaris gezeigt, dass fast jeder zweite Betrieb Innovationsprojekte gestoppt hat – im Bereich der Pädiatrie sind es sogar mehr als zwei Drittel der Unternehmen. Ein Fünftel der Unternehmen weicht bei der Erstzulassung ihrer medizintechnischen Innovationen auf andere Märkte wie etwa die USA oder Asien aus. Dies hat negative Auswirkungen auf die klinische Forschung und Entwicklung in Europa, da in der Folge klinische Datenerhebungen und Studien ebenfalls in die Länder der Erstzulassung verlagert werden.
Hinzu kommen praktische Probleme: Für die Überführung von Bestandsprodukten in die MDR fehlen vielfach Ärzte für erforderliche klinische Prüfungen, andernorts verhindern Negativ-Bescheide der Ethik-Kommission diese Prüfungen.
Vorschriften vereinfachen, Evaluation vorziehen
Ein erster wichtiger Schritt wäre nun, die Vorschläge der Medical Device Coordination Group (MDCG 2022-14) zügig, rechtssicher und verbindlich umzusetzen. Soweit nicht die Qualität und Sicherheit der Produkte betroffen sind, sollten Vorschriften insgesamt vereinfacht werden. Zum Beispiel bringen die komplexen MDCG-Guidelines in ihrer Vielzahl oft keine praktische Hilfestellung, sondern weitere Rechtsunsicherheiten in der Umsetzung.
Zudem sind dringend Lösungen gerade für kleine und mittlere Betriebe nötig, die trotz großer Bemühungen keine "Benannte Stelle" finden, wie sie für die Zulassung ihrer Innovationen erforderlich wäre.
Und nicht zuletzt ist es aus Sicht der Unternehmen unbedingt erforderlich, dass die EU-Kommission die geplante Evaluation des Rechtsrahmens gegenüber dem geplanten Termin 2027 deutlich vorzieht und die gesamte Verordnung so schnell wie möglich auf den Prüfstand stellt. Denn negative Auswirkungen sind bereits heute spürbar.
Quelle: DIHK