Deutschland wählt

Prof. Dr. Shervin Haghsheno (BSW) im Interview

Die Bundestagswahl steht vor der Tür, und mit ihr rückt auch die Frage in den Mittelpunkt, welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes getroffen werden. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die konkreten Standpunkte der Parteien – WRF hat dazu sechs Direktkandidat:innen* zu den drängendsten Themen der Wirtschaft befragt. Hier im Interview: Prof. Dr. Shervin Haghsheno von der BSW.

Für Unternehmen gilt der Fachkräftemangel als eine der größten Herausforderungen: Allein auf dem Fuldaer Arbeitsmarkt werden bis 2028 rund 10.000 Fachkräfte fehlen. Was sind Ihre Ansätze, um dieser Situation entgegenzuwirken?

Immer mehr Jugendliche verlassen die Schule ohne einen Schulabschluss. Zwei Drittel der Bürgergeldempfänger haben keinen Berufsabschluss. Wir wollen in erster Linie junge Menschen in Deutschland qualifizieren und ausbilden. Dabei setzen wir auf gezielte Unterstützung der Arbeitssuchenden. Mitwirkungspflichten bei Qualifizierungsangeboten sind notwendig. Den Missbrauch von Sozialleistungen wollen wir unterbinden. Mittelfristig braucht es eine gezielte Fachkräfteeinwanderung und langfristig eine familien- und kinderfreundliche Politik, um unsere demographischen Herausforderungen zu bewältigen.

Kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Gerade sie leiden an dem hohen Bürokratieaufwand. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um KMU dahingehend zu entlasten?

Den Abbau von Bürokratie sehen wir als wichtigen Schlüssel für Wachstum und Innovation. Wir werden uns dafür einsetzen, unnötige Regeln, Auflagen und Prozesse abzubauen. Dafür haben wir in unserem Wahlprogramm eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Unter anderem wollen wir die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aussetzen und uns für eine Reform des Lieferkettengesetzes einsetzen. Insgesamt wollen wir Schwellenwerte so gestalten, dass KMU stärker von Berichts- und Dokumentationspflichten befreit werden, um den unternehmerischen Freiraum zu erweitern und damit Innovationen zu fördern.

Im Landkreis Fulda sind zahlreiche Rohstoffe verfügbar. Wie stehen Sie zur Nutzung dieser Ressourcen – insbesondere mit Blick auf regionale Erschließungs- und Erweiterungsprojekte?

Im Landkreis Fulda ist die Nutzung von Rohstoffen für die wirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung. Wir begrüßen unternehmerische Initiativen, die auf den Abbau dieser Ressourcen abzielen, um unter anderem die regionale Bauwirtschaft und die Infrastruktur zu stärken. Auch Erweiterungsprojekte sind zu unterstützen, um Arbeitsplätze zu sichern und die regionale Wertschöpfung zu steigern. Dabei ist es wichtig, den Abbau nachhaltig und mit modernsten Verfahren durchzuführen, um Umweltbelastungen zu minimieren.

Die heimische Produktion wird nicht zuletzt aufgrund hoher Energiekosten zunehmend teurer. Welche Lösungen schlagen Sie vor, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten?

Für wettbewerbsfähige Energiepreise und Versorgungssicherheit brauchen wir wieder langfristige Verträge zu Energieimporten, die sich am Kriterium des niedrigsten Preises orientieren. Der europäische Emissionshandel muss entweder globalisiert oder auf EU-Ebene abgeschafft werden. Ein Alleingang Europas hilft nicht dem Klima, führt aber zur Abwanderung energieintensiver Branchen. Außerdem wollen wir die Energienetze verstaatlichen und die Netzentgelte auf ein Minimum reduzieren, da deren Instandhaltung und Ausbau öffentliche Aufgaben sind und nicht über die Strompreise finanziert werden sollten.

* WRF hat für diese Ausgabe alle Direktkandidat:innen der im Bundestag vertretenen Parteien kontaktiert. Bis zum Druckzeitpunkt hat sich „Die Linke“ trotz mehrfacher Anfragen nicht zurückgemeldet.