Heimische Rohstoffgewinnung stärken
Positionspapier "Nachhaltiges Wirtschaften durch heimische Rohstoffgewinnung im Landkreis Fulda stärken“ der IHK Fulda, veröfffentlicht am 25. Juni 2025
Einleitung
Der Landkreis Fulda verfügt über zahlreiche oberflächennahe, aber auch tiefliegende Rohstoffvorkommen, die noch viele Jahrzehnte weit reichen. Die Unternehmen der mineralischen Rohstoffindustrie im Landkreis Fulda leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der Bevölkerung, vergleichbar mit deren Versorgung mit Wasser, Strom und der Übertragungsmöglichkeit von Daten. Mineralische Rohstoffe stehen am Anfang der Wertschöpfung, gerade auch im industriellen Bereich. Sie bilden die Grundlage für die Herstellung von Produkten, für die Erzeugung von Energie und für die Erbringung von Dienstleistungen. Sie sind unerlässlich bei der direkten Anwendung im Zuge von Baumaßnahmen und bilden darüber hinaus den Grundstoff für die Produktion in einer Vielzahl industrieller Prozesse.
Leider werden Debatten um die Gewinnung von heimischen Rohstoffen nicht immer sachlich geführt. Auch wenn das Verständnis für die Notwendigkeit des Abbaus grundsätzlich vorhanden ist, soll er doch möglichst nicht in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen. Hinzu kommen langsame Genehmigungsverfahren und vielfältige Interessenskonflikte. Was volkswirtschaftlich und auch aus Nachhaltigkeitsgründen sinnvoll wäre, kommt nicht immer oder nicht immer schnell genug zustande.
Die mittelständisch geprägten Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung für Natur, Umwelt und Menschen bewusst. Sie sind gewillt, den Abbau zum Wohle der Region voranzutreiben. Sofern ihnen nicht weitere Hürden in den Weg gelegt werden und die aktuellen Rahmenbedingungen unternehmensfreundlicher werden, so werden sie dies noch viele Jahrzehnte lang tun.
Aus diesem Grund hat die IHK Fulda das Positionspapier „Nachhaltiges Wirtschaften durch heimische Rohstoffgewinnung im Landkreis Fulda stärken“ erarbeitet. Es hat die Absicht, politische und behördliche Entscheider und Bevölkerung abwägend und ausgleichend zu informieren und Debatten rund um den Bergbau zu versachlichen.
Die Bedeutung heimischer Rohstoffe
Die Gewinnung heimischer Rohstoffe ist die Grundlage für Umwelt- und Klimaschutz, was auf den ersten Blick überraschend klingen mag:
In das Fundament einer Windkraftanlage fließen bis zu 1.600 Tonnen Gesteinskörnungen*. Hinzu kommen weitere rund 600 Tonnen für den Stahlbeton im Mast, Quarzsande für die glasfaserverstärkten Kunststoffe in den Flügeln und große Mengen an Gesteinskörnungen für den Bau der Zuwegungen und die Verlegung von Stromkabeln. Insgesamt summieren sich die benötigten Gesteinskörnungen für eine Windkraftanlage auf rund 2.200 Tonnen. Dies verdeutlicht: die dringend notwendige Energiewende kann ohne die heimische Rohstoffgewinnung nicht umgesetzt werden.
Ein anderes Beispiel sind Radwege: Hier werden pro Radwegkilometer gut 11.000 Tonnen Gesteinskörnungen für den Unterbau und den Asphalt benötigt.
Wird die Rohstoffgewinnung vor der eigenen Haustür abgelehnt, müssen Rohstoffe woanders gewonnen und über weite Strecken transportiert werden, was wiederum bedeutet, dass deutlich mehr Klimagase ausgestoßen werden.
Heimische Rohstoffe werden natürlich nicht nur für die Energiewende benötigt, sondern jeder von uns nutzt sie im Alltag. Ob auf den Gleisbetten aus Schotter bei der Reise mit der Bahn oder auf Asphalt bei der Fahrt mit dem Auto oder Fahrrad – Mobilität ohne heimische Rohstoffe ist nicht möglich. Nach Berechnungen des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe (MIRO) benötigt jeder Bundesbürger ein Kilogramm Steine pro Stunde.
Darüber hinaus sind mineralische Rohstoffe in alltäglichen Produkten wie Zahnpasta (Kreide- und Silikatpulver) oder Gläsern (70% Quarzsand, 13% Soda und 10% Kalk) enthalten. Viele Sportarten wie Fußball (Besandung von Bundesligarasen) und Reitsport (Reitplätze) sind zudem auch von mineralischen Rohstoffen abhängig. Auch für die Landwirtschaft sind die regional gewonnenen Nährstoffe bedeutsam.
Im Werk Neuhof-Ellers wird seit 1910 Kali gefördert
*Sämtliche Beispiele dieses Abschnittes stammen vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO).
Die regionale Rohstoffgewinnung
Hessen fördert knapp 50 Prozent seiner eingesetzten Rohstoffe regional. Mit einer Jahresförderung von über 30 Millionen Tonnen oberflächennaher mineralischer Rohstoffe steht unser Bundesland bundesweit an vierter Stelle. Dabei werden einige Gewinnungsstätten bereits seit Jahrhunderten betrieben. Die Rohstoffgewinnung ist wichtiger Bestandteil der Geschichte unseres Landkreises Fulda, der für deutsche Verhältnisse rohstoffreich ist. Die Kaligemeinde Neuhof trägt Hammer und Schlägel in ihrem Wappen, in Bergmannsvereinen und -chören wird die Bergbautradition lebendig gehalten.
In gut 20 Gruben und Steinbrüchen sowie einem Untertagebau gewinnen über ein Dutzend Unternehmen mit insgesamt rund 1.000 Mitarbeitenden Kiese und Sande, Natursteine, Karbonatgesteine sowie Kalisalz. Dabei tragen sie je nach Jahr mit bis zu 100 Millionen Euro zum regionalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei*. Weitere bislang unerschlossene Lagerstätten von Kiesen und Sanden, Tonrohstoffen, Natur- und Naturwerksteinen, Karbonatgesteinen und Gipsrohstoffen sind vorhanden. Für die osthessischen Verbraucher bedeutet die heimische Rohstoffgewinnung und der Verkauf direkt beim Erzeuger erheblich günstigere Preise beispielsweise bei Splitten gegenüber rohstoffarmen Metropolen wie Berlin und Frankfurt, die diese aus anderen Regionen zumeist per LKW beziehen.
Abbaustätten oberflächennaher und tiefliegender Rohstoffe im Landkreis Fulda
Ob für die Energiewende, die Mobilität, das alltägliche Leben oder die Landwirtschaft – die verantwortungsvolle Gewinnung von regionalen Rohstoffen ist für all diese Bereiche unverzichtbar. Aufgabe der nächsten Jahre muss deshalb sein, den Unternehmen weiterhin aus wirtschaftlicher und umweltpolitischer Sicht zu ermöglichen, die Region mit Rohstoffen zu versorgen. Dies erkennt auch der Entwurf des Regionalplans Nordosthessen an.
*Berechnungen der IHK Fulda. Berücksichtigt werden die Gewerbeerträge, die ein wesentlicher Bestandteil der Einkommensrechnung zur Berechnung des BIP sind. Weitere wirtschaftliche Effekte, die durch die Bergbauunternehmen im regionalen Netzwerk erst ermöglicht werden, sind hingegen nicht berücksichtigt.
Nachhaltigkeit in der Rohstoffgewinnung
Richtig ist, dass die Gewinnung von Rohstoffen stets einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt – dies gilt aber sowohl für den sichtbaren Abbau vor der eigenen Haustür als auch für den für viele von uns unsichtbaren Abbau in fernen Ländern, der oftmals unter weniger strengen Umweltauflagen stattfindet. Die im Abbau von heimischen Rohstoffen im Landkreis Fulda tätigen Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung gegenüber der Natur und den Menschen bewusst. Viele von ihnen führen umfangreiche und innovative Nachhaltigkeitsprojekte durch, die weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen:
Bereich Klimaschutz
- Kontinuierliches Senken des CO2-Footprints durch die Umsetzung von Projekten zur Energieeinsparung (z.B. Einsatz von effizienteren Fahrzeugen im Steinbruch), durch den Wechsel von Energieträgern (z.B. Brennstoffwechsel in Asphaltmischanlagen) oder die Nutzung von erneuerbaren Energien wie dem Einsatz von Photovoltaik bei Brecheranla-gen. Viele Unternehmen gehen aus Verantwortung für die kommenden Generationen freiwillig weit über die gesetzlich geforderten Anforderungen hinaus, was auch die Lan-desenergieagentur in einem Praxisbeispiel aus Osthessen hervorhebt.
- Betreiben eines Energiemanagements, bei dem kontinuierlich daran gearbeitet wird, Pro-zesse effizienter zu gestalten, um Energie einzusparen.
Bereich Biodiversität
- Biodiversitätsmanagement in den Steinbrüchen, d.h. regelmäßiges Kartieren von beson-deren Tierarten und Förderung dieser durch Maßnahmen oder Berücksichtigung bei der Gewinnung.
-
Zusammenarbeit mit Akteuren des Naturschutzes in der Region. Es mag erstmal überra-schend klingen, dass Gewinnungsstätten in naturschutzfachlichen Fachkreisen mittler-weile als Hotspots der Biodiversität gelten, aber es ist tatsächlich wahr. Steinbrüche bie-ten eine Vielzahl an Lebensräumen, für z.T. selten gewordene Tier- und Pflanzenarten:FCN baut Phonolit und Basalt in der Rhön ab und wurde als erstes regionales Unternehmen der Rohstoffgewinnung mit dem IHK-Prädikat #lichtbewusstsein ausgezeichnet
- Felswände, in denen der Uhu brüten kann,
- Felsschutthalden, in denen sich Eidechsen wohlfühlen,
- Temporäre Kleingewässer sowie permanente Gewässer als Laichgewässer für Amphibien,
- Gewässerränder, an denen sich z. B. der Flussregenpfeifer einfindet,
- Offene Bodenbereiche für darauf angewiesene Insekten,
- Thermophile Säume an den Abbruchkanten, an denen sich Schmetterlinge aufhalten,
- Nährstoffarme Standorte, an denen seltene Pflanzenarten vorkommen können
- In Gewinnungsstätten tauchen durch das Abtragen des Oberbodens nährstoffarme Standorte auf, die in der sonstigen Landschaft durch intensive Nutzung fehlen. Nacheinander siedeln sich hier, angefangen bei den Pionierarten, verschiedene Pflanzengesellschaften an (Sukzession). Da sich die Gewinnungsstandorte im Steinbruch verändern, entsteht dadurch ein vielfältiges Mosaik an Lebensräumen, die sich in einem unterschiedlichen Entwicklungsstadium befinden.
- Steinbrüche sind keine lebensfernen Flächen auf der Landkarte. Vielmehr dienen sie mittlerweile als Rückzugorte und Ausweichstandorte für viele Tier- und Pflanzenarten, die in der sonstigen Landschaft keinen Raum mehr finden (beispielsweise Auenstandorte). Viele Steinbruchbetriebe betreiben deshalb abbaubegleitend ein Biodiversitätsmanagement und gehen Kooperationen mit Naturschutzverbänden ein, um gemeinsam vorkommende Arten zu fördern und zu erhalten.
- Oftmals erfolgt die Rekultivierung (z.B. Wiedernutzbarmachung durch Wiederaufforstung) und Renaturierung (Schaffung von Biotopen, Naturschutz im Vordergrund) von Steinbrüchen abbaubegleitend und wird sukzessive durchgeführt, sobald die Abbauplanung dies zulässt.
- Verringerung der Lichtverschmutzung an den Produktionsstandorten, insbesondere im Sternenpark Rhön. Hierfür wurden erste Unternehmen mit dem Prädikat #lichtbewusstsein der IHK Fulda ausgezeichnet.
Bereich Ressourcenschonung
- Projekte zum ressourceneffizienten Arbeiten, sodass möglichst alles an gewonnenem Rohstoff verwendet wird und nicht auf eine Halde gefahren werden muss – hier können beispielsweise neuartige mobile Siebanlagen eingesetzt werden. Unternehmen scheuen auch hier nicht vor hohen Investitionen zurück, um ressourcenschonend zu arbeiten.
- Durch eine höhere Ressourceneffizienz verlängert sich die Lebensdauer der Gewinnungsstätte, wodurch weniger Sprengvorgänge notwendig werden. Außerdem können damit Fahrten zu Halden eingespart werden (Reduktion Staub- und Lärm-Emissionen).
Bereich Soziales
- Oftmals sind die Unternehmen wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Gemeinde des Betriebsstandorts und bieten sowohl Arbeits- als auch Ausbildungsplätze.
- Zwischen den Unternehmen und den Gemeinden gibt es einen engen Austausch, Probleme werden ernst genommen und angegangen, was runde Tische bei der geplanten Steinbrucherweiterung in Großenlüder-Müs und zur Vermeidung von Haldenabwässern in Neuhof verdeutlichen.
-
Für Emissionen wie Staub oder Lärm gibt es strenge Grenzwerte, die die Unternehmen einzuhalten haben. Darüber hinaus führen Unternehmen in der Region freiwillige Maßnahmen zur Reduktion solcher Emissionen durch und scheuen hier auch nicht vor großen Investitionen und Planungs- sowie Genehmigungskosten zurück.Bildungsangebote sind wichtiger Bestandteil der regionalen Verbundenheit rohstoffgewinnender Unternehmen – hier Besucherplattform im Steinbruch Otterbein
- Die Unternehmen unterstützen soziale Projekte oder Sportvereine in der Region. Viele regionale Bergbauunternehmen sind Gesellschafter der Perspektiva gGmbH und geben Menschen mit schwierigen Startbedingungen eine berufliche Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt.
- Unternehmen der Rohstoffindustrie engagieren sich häufig durch Bildungsangebote wie Führungen für Kindergärten und Schulklassen sowie Exkursionen in die aktiven Lagerstätten. So bieten beispielsweise die ZKW Otterbein neben „regulären“ Führungen auch eine Mineralienexkursion für Kinder an, die im Rahmen des Sommerferienprogramms der Gemeinde regelmäßig stattfindet, die FCN-Unternehmensgruppe einen „Wandertag für Kids – Entdeckertour im Steinbruch“ und K+S in Zusammenarbeit mit dem Bergmannsvereins „Glückauf“ Neuhof e.V. Haldenführungen.
- Die jährliche untertägige Barbarafeier ist zudem ein fester Traditionstermin zu Ehren der Bergleute im Werk Neuhof-Ellers.
Bereich Ökonomie
-
Unternehmen der Rohstoffgewinnung sind der Grundpfeiler für die Wirtschaftsregion Fulda – ohne intakte Infrastruktur wie Straßen können die Unternehmen in der Region und der nachgelagerten Wertschöpfungskette nicht arbeiten.
-
Die Unternehmen sind wichtiger Arbeitgeber in der Region und für die Gemeinden bedeutende Quelle von Gewerbesteuereinnahmen. Die Kundengebiete – sowohl auf der Zulieferer- als auch der Verbraucherseite – liegen größtenteils im Umkreis weniger Dutzend Kilometer um die Abbaustelle, so dass der heimische Bergbau regionale Wertschöpfungsketten ermöglicht. Zudem sind einige Bergbauunternehmer Pächter und zahlen jährlich signifikante Beträge für die Nutzung an die Verpächter, was ein zusätzliches Element regionaler Wertschöpfung ist. Nach Berechnungen des Verbandes der Bau- und Rohstoffindustrie schafft jeder Arbeitsplatz in der Baustoff- und Rohstoffindustrie im Schnitt sieben weitere Arbeitsplätze in vor- und nachgelagerten Branchen. Für den Landkreis Fulda würden dies über 1.000 direkte und über 7.000 weitere Arbeitsplätze bzw. rund 8 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bedeuten.
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Die Rohstoffwirtschaft ist in Hessen und auch im Landkreis Fulda, abgesehen von wenigen Unternehmen, ausgesprochen klein- und mittelständisch strukturiert. Das Bild ist geprägt durch eine Vielzahl von Betrieben mit weniger als 30, häufig auch weniger als 10 Beschäftigten. Die Sicherung heimischer Lagerstätten für die Rohstoffgewinnung trägt auch zur nachhaltigen Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen im ländlichen Raum bei.
Bereich Kreislaufwirtschaft
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Viele Unternehmen, die oberflächennahe Lagerstätten abbauen, bereiten mineralische Bau- und Abbruchabfälle in eigenen Recyclinganlagen wieder auf. Diese Recyclingmaterialien könnten unmittelbar wieder in den regionalen Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden, was sowohl ökonomisch als auch ökologisch vorteilhaft wäre.
-
Regionale Rohstoffgewinnung führt immer nur zu einer zeitlich begrenzten Nutzung von Flächen, nicht aber zu Flächenverbrauch. Wirtschaftliches Handeln, insbesondere in der Bauindustrie, geht auch mit der Entsorgung von Erdaushub und Erde einher, was die ohnehin bereits hohen Baukosten erhöht. Die vorhandenen Gruben könnten im Rahmen der Renaturierung verstärkt mit ebensolchen Stoffen verfüllt werden, was besonders in Zeiten der Deponieverknappung sinnvoll wäre.
Forderungen an Politik und Verwaltung
1. Bewusstsein für heimischen Rohstoffabbau stärken
Politik und Wirtschaft sollten gemeinsam das Bewusstsein für die Notwendigkeit des heimischen Rohstoffabbaus stärken, da die Akzeptanz des heimischen Rohstoffabbaus in der Bevölkerung wie vor einigen Jahren bei der Kalkkiesgrube in Malkes und Besges stetig zurückgeht.
Erweiterungen wie beim Kalksteinbruch in Großenlüder-Müs oder der Umgang mit Ewigkeitsaufgaben wie bei der Haldenabdeckung in Neuhof führen zu teilweise heftigem Widerstand durch Bürgerinitiativen. An dieser Stelle sei auf die anfangs genannten Einsatzbereiche der Rohstoffe verwiesen – jeder Mensch in der Region nutzt diese im Alltag zwangsläufig und sollte sich dessen bewusst sein. Die Rohstoffe für die Region fallen nicht vom Himmel, geologische Lagerstätten sind örtlich gebunden und die Gewinnung dort hat meist bereits eine lange Tradition. Erweiterungen von bestehenden Gewinnungsstätten sind mit geringeren Umweltauswirkungen verbunden als ein ansonsten notwendiger Neuaufschluss, der notwendig werden würde, wenn die Region weiterhin im gleichen Maße mit Rohstoffen versorgt werden möchte. Darüber hinaus sollten sich auch gerade Stimmen aus dem Bereich des Klimaschutzes bewusst machen, dass die Energiewende ohne regionalen Rohstoffabbau nicht funktionieren kann und die Wege vom Hersteller zum Verbraucher nur durch regionale Rohstoffgewinnung kurz bleiben.
Die rund zwanzig Steinbrüche der Region sind Grundlage vieler regionaler Wirtschaftskreisläufe
2. Bürokratie abbauen, Genehmigungsverfahren beschleunigen
Trotz seiner Bedeutung für größere strategische Unabhängigkeit steht der Bergbau in Deutschland und Hessen vor immer höheren Hürden und Barrieren. Grund hierfür sind die kontinuierliche Verschärfung und Bürokratisierung von Genehmigungsverfahren: durch fehlende Technologieoffenheit bis hin zu Verboten und einer stetigen Ausweitung anspruchsvoller, komplexer Umweltauflagen. Die Zahl von Nebenbestimmungen in Genehmigungsbescheiden ist kaum noch für die Unternehmen in der Praxis umzusetzen und die Kosten für Genehmigungsanträge schießen durch immer häufiger werdende Forderungen nach aufwendig zu erstellenden Gutachten in die Höhe. Das führt dazu, dass sogar die Umsetzung von genehmigungsbedürftigen Nachhaltigkeitsprojekten von Unternehmen infrage gestellt werden muss. Die bestehenden Ermessensspielräume bei Genehmigungsverfahren sollten von den bewilligenden Stellen konsequent unternehmensfreundlich genutzt werden. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sollte zudem auch die Öffentlichkeitsbeteiligung stärker digitalisiert werden – denn langwierige Präsenzveranstaltungen verzögern häufig den Prozess, während zeitgemäße Online-Formate eine effizientere und dennoch transparente Beteiligung ermöglichen.
3. Sekundärrohstoffe gleichstellen, Deponiepotentiale nutzen
Da auch regionale Rohstoffe endlich sind, ist die hochwertige Aufbereitung von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Recycling-Baustoffe sollten Naturmaterialien insbesondere bei öffentlichen Bauvorhaben und bei kommunalen Bebauungsplänen gleichgestellt werden. Dazu wären einheitliche deutsche und europäische Vorgaben für den Einsatz von Sekundärrohstoffen wünschenswert. Dies würde auch die zuletzt in Osthessen deutlich gestiegene illegale Entsorgung von Bauschutt verringern. Bei einer Gleichstellung würde der regionale Markt entscheiden, welche Rohstoffe in eine Baumaßnahme einflössen. Das Potential von Gruben als Deponieraum zur Beseitigung mineralischer Abfälle und Erdaushub sollte zudem verstärkt genutzt werden.
4. Heimischen Rohstoffabbau langfristig sichern
Um eine ausreichende Versorgung mit heimischen Rohstoffen für Wirtschaft und Gesellschaft sicherzustellen und Hessen damit resilient gegenüber externen Risiken wie Lieferverzögerungen und Preissteigerungen zu machen, bedarf es einer Aktualisierung des bestehenden Rohstoffsicherungskonzeptes, der Ausweisung deutlich größerer Vorranggebiete für die Rohstoffgewinnung in den zukünftigen Regionalplänen und der Erhöhung der Freiheitsgrade für rohstoffabbauende Unternehmen: Viele Unternehmen bleiben bei Erweiterungen unter der 10 Hektar-Grenze, um nicht unter eine strengere Regulierung zu fallen. Das führt zu kleinteiligerem Vorgehen, was oftmals betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Teilweise sind die im Regionalplan Osthessen ausgewiesenen geplanten Gebiete für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe zudem nicht ohne größere Hürden nutzbar, da sie sich im landwirtschaftlichen Besitz befinden. Gerade in Osthessen wollen viele Landbesitzer ihren Grund und Boden nicht verkaufen oder nur unter der Voraussetzung des Landtausches. In diesen Fällen müssen die Unternehmen ein Zielabweichungsverfahren angehen, was zusätzlichen zeitlichen Aufwand erfordert.
Rohstoffgewinnung stellt zwar stets einen Eingriff in die Natur und Landschaft dar. Die Folgenutzung ist bereits bei der Genehmigung geregelt und zurück bleiben oftmals Biotope wie beim ehemaligen Basaltsteinbruch Ulmenstein
Bei der Neuaufstellung von Regionalplänen, wie es gerade auch für den regionalplan Nordosthessen geschieht, wäre auch im Sinne des Bürokratieabbaus wünschenswert, wenn die Fläche des standortgebundenen und nachgewiesenen Vorkommens in einem Zuge als Vorranggebiet ausgewiesen wird, anstatt dies stückweise aufwendig in den jeweiligen Regionalplänen beantragen zu müssen, da bisher ein Planungshorizont von 25 Jahren vorgegeben ist. Rohstoffvorkommen sind auch für die Energiewende (beispielsweise Windkraftanlagenfundament und Zuwegung) unverzichtbar und haben das Alleinstellungsmerkmal der Standortgebundenheit, was unbedingt berücksichtigt werden muss. Mit der heutigen Technik von Geophysik, Erkundungsbohrungen bis hin zu 3-D-Modellierungen können Unternehmen sehr genau bestimmen, wie weit das Vorkommen reicht. Folglich wäre bei Hervorbringen solcher Nachweise die Ausweisung des gesamten nachgewiesenen Vorkommens als Vorranggebiet für Rohstoffabbau nur logisch, würde zur langfristigen Rohstoffsicherung beitragen und gleichzeitig für Unternehmen und auch die Behörden Bürokratie abbauen.
Die Landes- und Regionalplanung muss ausreichende und langfristige Flächen für die Rohstoffgewinnung sichern, indem Gewinnungsstätten festgelegt und von anderweitiger Nutzung freigehalten werden. Nur so kann Hessen langfristig aus Hessen mit ausreichend mineralischen Rohstoffen versorgt werden. In einem vom Bundeswirtschaftsministerium bei der Unternehmensberatung EY in Auftrag gegebenen Gutachten wird herausgearbeitet, dass in allen betrachteten Rohstoffgruppen über die nächsten 25 Jahre und länger eine Gefährdung der Versorgungslage eintreten kann (vgl. EY 2022, S. 143.). Um Versorgungslücken zu vermeiden, müsste sich die seit 2014 positive Abbauentwicklung bis zum Jahr 2050 fortsetzen. Für einen Rückgang der Abbaumengen von Primärrohstoffen gibt es gemäß Gutachten im Hinblick auf die Versorgungssicherheit keinen Spielraum, selbst wenn Effizienzspielräume bestmöglich ausgeschöpft würden. Die Ausweisung von Vorranggebieten in der Landes- und Regionalplanung ist aus planungsrechtlicher Sicht daher unverzichtbar, um eine langfristige und ausreichende Versorgung mit mineralischen Rohstoffen sicherzustellen.
Gebiete für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten, Bestand und Planung
Gemeinde
|
Ortsteil
|
Rohstoff
|
Bestand (ha)
|
Planung (ha)
|
Folgenutzung
|
---|---|---|---|---|---|
Dipperz
|
Kohlgrund
|
Kalkstein
|
11
|
-
|
Landwirtschaft,
Biotop
|
Ebersburg
|
Ried
|
Sandstein, entfestigt
|
24
|
28
|
Wald, Biotop
|
Eiterfeld
|
Ufhausen
|
Kalkstein
|
4
|
-
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland
|
Eiterfeld
|
Ufhausen
|
Kalkstein
|
15
|
-
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Sukzession
|
Eiterfeld
|
Leibolz „Am Steiger“
|
Kalkstein
|
9
|
8
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland
|
Eiterfeld
|
Leimbach „Am Herrenberg“
|
Kalkstein
|
2
|
1
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland
|
Flieden
|
Magdlos
|
Sandstein, entfestigt
|
5
|
-
|
Landwirtschaft,
Wald, Biotop
|
Fulda
|
Rodges
|
Kalkstein
|
10
|
4
|
Landwirtschaft,
Sukzession
|
Großenlüder
|
Müs
|
Kalkstein
|
51
|
6
|
Landwirtschaft, Biotop,
Wasser, Sukzession
|
Hilders
|
Batten
|
Basalt
|
55
|
-
|
Wald,
Sukzession
|
Hilders
|
Liebhards
|
Phonolith
|
9
|
-
|
Wald,
Sukzession
|
Hilders
|
Rupsroth, Liebhards
|
Phonolith
|
8
|
-
|
Wald,
Sukzession
|
Hofbieber
|
Langenbieber
|
Kalkstein
|
4
|
-
|
Landwirtschaft, Biotop
|
Hünfeld
|
Roßbach
|
Kalkstein
|
9
|
-
|
Wald, Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Sukzession
|
Hünfeld
|
Roßbach
|
Kalkstein
|
6
|
-
|
Wald, Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Sukzession
|
Hünfeld
|
Malges, Roßbach, Kirchhasel
|
Basalt
|
5
|
-
|
Wald, Sukzession,
Biotop
|
Hünfeld, Eiterfeld
|
Malges, Roßbach, Betzenrod, Leimbach
|
Kalkstein
|
-
|
44
|
Wald, Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Sukzession
|
Kalbach
|
Mittelkalbach, Oberkalbach
|
Basalt
|
7
|
-
|
Deponie, Wald
|
Kalbach
|
Niederkalbach, Mittelkalbach
|
Basalt
|
17
|
-
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Biotop
|
Nüsttal, Hünfeld
|
Haselstein, Motzbach
|
Basalt
|
45
|
25
|
Wald, Biotop,
Sukzession
|
Nüsttal
|
Mittelaschenbach
|
Kalkstein
|
4
|
-
|
Landwirtschaft,
Sukzession
|
Poppenhausen (Wasserkuppe)
|
Steinwand
|
Kalkstein
|
17
|
-
|
Landwirtschaft,
Extensivgrünland,
Sukzession
|
Quelle: Regionalplan Nordosthessen, Entwurf für die 1. Offenlage, Stand September 2024, S. 133 f.
Methodik
Das vorliegende Positionspapier ist auf Initiative des Ausschusses für nachhaltiges Wirtschaften der Industrie- und Handelskammer Fulda entstanden. Dazu wurden vom Hauptamt Gespräche mit den Geschäftsführungen sämtlicher regionaler rohstoffgewinnenden Unternehmen geführt und die jeweiligen Abbaustätten besucht. Weiter wurden Daten der IHK Fulda und der Arbeitsagentur Fulda zu der jeweiligen Branche genutzt und auf bestehende Veröffentlichungen, insbesondere des HIHK und der DIHK zurückgegriffen. Das Positionspapier wurde in der Sitzung des Ausschusses für nachhaltiges Wirtschaften am 23. April 2025 diskutiert und vom Präsidium am 3. Juni 2025 sowie der Vollversammlung am 11. Juni 2025 beschlossen.
Ein besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Ausschusses für nachhaltiges Wirtschaften, insbesondere Mandana Hoffmann, für die sehr aktive und profunde Mitarbeit, ohne die dieses Positionspapier nicht möglich gewesen wäre.