„Das Land gemeinsam entfesseln“

Der Vorsitzende der CDU Baden-Württemberg und Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Manuel Hagel, war zu Gast bei der IHK-Vollversammlung. Der Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, Eberhard Liebherr, begrüßte Hagel, den er bereits kurz nach seiner Wahl zum CDU-Landesvorsitzenden als Gastredner bei der BWIHK-Vollversammlung in Stuttgart erleben durfte.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Dieter Salomon ergänzte bei der Begrüßung des Gastredners: „Manuel Hagel ist für einen Politiker, ein verdammt junger Mann. Er ist 35 Jahre alt und gleichzeitig ein unheimlich erfahrener Politiker. Und beides zusammen gibt’s eigentlich selten.“ Und er ist auch ein Botschafter für die duale Ausbildung: Bevor Manuel Hagel im Jahr 2016 in den Landtag gewählt wurde, absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann sowie eine Weiterbildung zum Dipl. Bankbetriebswirt und leitete als Filialdirektor die Sparkasse in Ehingen.
In Zeiten gravierender Veränderungen mahnte Hagel, nicht den Anschluss zu verlieren. „Wir dürfen Baden-Württemberg und Deutschland nicht aufgeben, aber wenn wir nicht zu einem neuen Mindset kommen in unserem Land, dann passiert das ganz zwangsläufig.“ Alle OECD-Länder hätten ihr Vor-Corona-Niveau wieder erreicht. Die Weltwirtschaft wachse um drei Prozent, während die deutsche und die baden-württembergische Wirtschaft schrumpften. „Wir führen bei uns im Land seit vielen Jahren mit viel Leidenschaft eine Diskussion, wie der Wohlstand eigentlich verteilt werden soll. Aber wir haben verlernt, ernsthafte Diskussionen in unserem Land zu führen, wie man Wohlstand eigentlich erwirtschaftet“, kritisierte Hagel. „Die Vier-Tage-Woche ist übrigens kein Problem, ein Problem ist die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Wenn wir verlernen, diese Zusammenhänge auch darzustellen und nur noch populistisch diesen Forderungen hinterherzulaufen, dann läuft was schief in unserem Land.“ Leistung, Fleiß und Anstrengung seien positive Werte, für die man auch wieder einstehen müsse. „Wenn wir nur darauf setzen, Anstrengung, Fleiß und Leistung zu vermeiden, dann ist ein Null-Wachstum eben auch die logische Folge.“
Dieses falsche Mindset ziehe sich laut Hagel weiter durch die Gesellschaft – auch in Richtung Schule und Bildung. „Was ist denn jetzt an den Bundesjugendspielen bitte falsch?“, stellte er als Frage in den Raum. Er selbst hatte früher Fußball in der Kreisliga B gespielt – demensprecht waren die Bundesjugendspiele durchaus auch für ihn mit Anstrengung verbunden. Dennoch sei es nicht schlecht, den Umgang mit Stärken und Schwächen, mit Sieg und Niederlagen zu lernen, im Team etwas zu erreichen.
„Wir werden uns ein paar unangenehmen Wahrheiten stellen müssen.”
„Das wünsche ich mir so sehr für Baden-Württemberg, dass wir die Ambition im Bildungssystem nicht verlieren.“ Bis 2011 war Baden-Württemberg immer unter den Top drei mit Sachsen und Bayern. Jetzt sei das Bildungssystem im Südwesten im unteren Mittelfeld angekommen. „Das ist dramatisch für dieses Land“, sagte Hagel. „Ich will, dass das wieder anders wird.“ Das werde nur funktionieren, wenn die Wirtschaft zusammen mit der Politik anpacke. „Wir werden uns ein paar unangenehmen Wahrheiten stellen müssen.”
Beispielsweise, dass wir das merkwürdige Ziel, Ergebnisgleichheit, niemals erreichen können.“ Ein viel erstrebenswerteres Ziel sei es, Chancengleichheit am Start herzustellen. Dazu gehöre vor allem, das Thema frühkindlicher Bildung ernst zu nehmen. Hagel appellierte, sich in der Grundschule auf die Grundfertigkeiten Lesen, Rechnen, Schreiben zu konzentrieren. Das Ziel müsse sein, dass Kinder in der ersten Klasse die Lehrkräfte verstehen und ihnen folgen können. Und in der vierten Klasse vernünftig lesen, rechnen, schreiben können, sodass ein Übergang in die weiterführenden Schulen gelinge. „Wenn wir das jetzt nicht hinbekommen, versündigen wir uns an der jungen Generation in Baden-Württemberg.“
Auch das Thema Demokratievertrauen sprach Hagel an. Er zitierte aus einer Umfrage der großen Tageszeitungen in Baden-Württemberg, nach der nur noch 43 Prozent der Menschen im Land davon überzeugt sind, dass die Demokratie die geeignete Staatsform ist. „Diese 43 Prozent sind dramatisch.“ „Dahinter steht keine Sehnsucht nach Königen, Kaisern oder Fürsten – Monarchie – das haben wir ja alles mal probiert in unserem Land, und es hat sich ja nicht wirklich bewährt. Dahinter steckt auch keine Verachtung für die Demokratie, aber die Menschen werden der Demokratie überdrüssig, weil sie an diesem Staat und seiner Verwaltung verzweifeln. Weil sie dort, wo sie den Staat ganz konkret brauchen, ihn als überfordert, als nicht veränderungsbereit ansehen.“
“Haben wir all die Ziele erreicht, die wir mit dieser Norm erreichen wollten?”
Doch wie kriegt man all diese Herausforderungen in den Griff? Hagels Antwort: „Wir brauchen wieder mehr Eigenverantwortung. Wir haben uns in den vergangenen 20 Jahren verirrt. Wir müssen wegkommen vom Anspruch, jeden Spezialfall regeln zu wollen. Wir haben geglaubt, ein Leben ohne Risiko schaffen zu können. Doch das ist das Gegenteil von Eigenverantwortung.“ Dazu zählt auch das Thema Entbürokratisierung, das Dieter Salomon als Vorsitzendem des Normenkontrollrates von Baden-Württemberg sehr am Herzen liegt. Hagel: „Wie wäre es, wenn jede Norm in diesem Land ein Verfallsdatum von drei, fünf oder sieben Jahren bekommen und nach Ablauf der Zeit automatisch außer Kraft treten würde? Dann müsste man sich die Frage stellen: ‚Haben wir all die Ziele erreicht, die wir mit dieser Norm erreichen wollten?‘. Damit müsste die Wiedereinführung einer Norm mit guten Argumenten belegt werden.“
Trotz aller Herausforderungen sieht Hagel das Potenzial, Dinge positiv zu verändern. „Ich finde, Baden-Württemberg hat immer die Kraft, Veränderungen zu meistern. Wir haben tolle Menschen bei uns im Land, und wenn wir jetzt dieses Land gemeinsam wieder entfesseln, werden wir bemerken, dass die besten Zeiten nicht hinter uns, sondern noch vor uns liegen.“
(27.03.2024)