Ökologie und Ökonomie
© Claus
Ein wesentlicher Schwerpunkt des Maritimen Papiers besteht darin, eine bessere Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen zu schaffen. Die maritime Wirtschaft in Ostfriesland und Papenburg bekennt sich zu ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt. Viele Projekte im Bereich Green Shipping wie etwa das neue LNG-Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft zeigen, dass Unternehmen Umweltschutz ganz praktisch betreiben können. Fragwürdig und wenig zielführend erscheint es hingegen, wenn überbordende und teilweise nicht nachvollziehbare Auflagen zum Umweltschutz der wirtschaftlichen Entwicklung keinen Raum lassen.
Die maritime Wirtschaft an der Ems hat in ihren Aktivitäten Rücksicht zu nehmen auf ausgeprägte Umweltstandards. Hierzu zählen vor allem die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), der Masterplan Ems 2050 und das Weltnaturerbe Wattenmeer/Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Nachfolgend erläutert die IHK die wichtigsten Punkte und ihre Forderungen für die Branche.
Umweltschutz an der Ems
- Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
Im Jahr 2000 wurde die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG von der EU beschlossen. Sie sieht die Erreichung eines guten ökologischen und chemischen Zustands der Oberflächengewässer und Grundwasser bis spätestens 2027 vor. Der „gute
Zustand“ beschreibt jenen Zustand, der nur geringfügige Abweichungen vom natürlichen Referenzzustand aufweist.
Die EU-Mitgliedstaaten entwickeln und überarbeiten im Abstand von sechs Jahren Bewirtschaftungspläne, die Aussagen zu dem Zustand, den Belastungen, der Zielerreichung und den Maßnahmen für den Gewässerschutz beinhalten. Bis zum Ende der zweiten Bewirtschaftungsphase in 2021 können nur 18% der Oberflächengewässer die ökologischen Bewirtschaftungsziele erreichen. Die EU muss daher entweder die Anforderungen an die Mitgliedstaaten deutlich senken oder die Frist für die Zielumsetzung um einige Jahre verlängern.Das absolute Verschlechterungsverbot erschwert Industrieansiedlungen und die Realisierung von Infrastrukturvorhaben, wie die Fahrrinnenanpassung von Elbe, Weser und Ems. Sie lässt selbst bei positiver Gesamtbilanz eines Maßnahmenpakets keine Veränderungen der Wasserqualität zu, die nicht für sich genommen als positiv zu bewerten sind. Bei der derzeit anstehenden Novellierung der Wasserrahmenrichtlinie darf es zu keiner weiteren Verschärfung der Bestimmungen kommen. - Masterplan Ems 2050
Das Problem der Verschlickung der Ems ist nicht nur ein regionales Problem. Um einem Vertragsverletzungsverfahren der EU zu entgehen, hat die Landesregierung den Masterplan Ems 2050 ins Leben gerufen, der im Jahr 2015 von den Vertragsparteien unterschrieben wurde. Das Land Niedersachsen, der Bund, die Landkreise Emsland und Leer, die Stadt Emden, die Meyer Werft sowie die Umweltverbände BUND, NABU und WWF erklärten sich damit zur Kooperation und gleichwertigen Verfolgung ökonomischer und ökologischer Ziele bereit. Der Masterplan Ems 2050 entstand aus dem Anspruch, natürliche Lebensräume in und an der Ems wiederherzustellen und gleichzeitig die Schiffbarkeit der Ems sicherzustellen.Flexible TidesteuerungUnter den verfolgten Maßnahmen verspricht die flexible Tidesteuerung die größte Wirkung gegen das Schlickproblem. Der hohe Sedimenteintrag aus der Nordsee in die Unterems resultiert u.a. aus einem Verlust von natürlichen Sedimentationsflächen, beispielsweise durch den Abschluss des Ijsselmeers. Die Flutströme sollen durch das Emssperrwerk in Gandersum kontrolliert werden. Diese sind durch Arbeiten an der Ems so stark geworden, dass sie mehr Schlick in die Unterems tragen als der schwache Ebbstrom wieder abtransportieren kann. Mit der Flexiblen Tidesteuerung soll das Gleichgewicht zwischen Ebbe und Flut wiederhergestellt und damit der Schlickgehalt nachhaltig gesenkt werden.Verschiedene Modellvarianten der flexiblen Tidesteuerung werden derzeit untersucht, um eine optimale Lösung zur maximalen Wirkung der Maßnahme bei gleichzeitig minimaler Einschränkung der durchgängigen Schiffbarkeit der Ems zu finden. Neben einem Betriebsplan für das Emssperrwerk soll auch ein neues Verkehrsinformationssystem erarbeitet werden, das den Schiffsverkehr an der Jann-Berghaus-Brücke in Leer, an der Schleuse in Herbrum und in Zukunft auch an der Friesenbrücke (Eisenbahnbrücke bei Weener) steuern soll. Eine Arbeitsgruppe des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Emden berät mit den Nutzern der Ems über eine realistische Lösung. Die Maßnahme kann frühestens 2022 in Betrieb genommen werden. Ein öffentlich-rechtliches Planfeststellungsverfahren ist dafür Voraussetzung. Das WSA Emden und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasser-, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) übernehmen hierfür die Planung.EmssperrwerkDas Sperrwerk ist zwar vorhanden, jedoch sind erhebliche Investitionen in Höhe von 46 Millionen Euro zur Befestigung
der Flusssohle im Bereich des Sperrwerks und zum Bau von Warteplätzen für Schiffe vorgesehen. Die Kosten sollen
jeweils zur Hälfte von Bund und Land getragen werden. Möglicherweise wird sich durch die Maßnahme vermehrt
Schlick in der Außenems, im Emder Hafen und im Dollart ansammeln. Dort ist es zwar möglich, mit größeren Baggern
als in der Unterems zu arbeiten, jedoch stellt die Verlagerung der Bagger nach Emden aus Sicht von Hafenwirtschaft
und Schifffahrt keine Aufwandserleichterung dar und dürfte beispielsweise aufgrund der starken täglichen Belegung
des gesamten Außenhafens nicht praktikabel anzuwenden sein. Zudem wird die Schifffahrt mit jeder gesteuerten Tide
eingeschränkt, unabhängig vom gewählten Steuerungsmodell. Just-in-time-Lieferungen, wie sie beispielsweise beim
Binnenschiffstransport von Zellulose und Kreide seit 35 Jahren emsaufwärts stattfinden, müssten an die Öffnungs- und Schließzeiten des Sperrwerks angepasst werden. Dies stellt die Leistungsfähigkeit der Bundeswasserstraße Ems in
Frage. Deshalb ist eine abgestimmte Lösung mit der Schifffahrt und den davon abhängigen Unternehmen an der Ems
von großer Wichtigkeit.TidepolderDer umstrittene Tidepolder Coldemüntje ist eine weitere Maßnahme aus dem Masterplan Ems 2050, die der Wiederherstellung von ästuartypischen Lebensräumen an der Ems dienen soll. Dafür sollen auf dem Areal einer Anfang des 20. Jahrhunderts abgeschnittenen Emsschleife Prielstrukturen hergestellt und ein Süßwasserteich in einem höheren Gelände angelegt werden. Es soll nur das Oberflächenwasser, das weniger stark mit Sediment belastet ist, bei Flut in den 30 Hektar großen Polder fließen und durch Herstellung u.a. von Flachwasserzonen, Watten und Röhrichtzonen das
Entstehen eines ästuartypischen Lebensraums ermöglichen. Das Vorhaben ist sowohl bei Fachleuten als auch bei der
Bevölkerung in der Region höchst umstritten: Das Anlegen der Prielstrukturen ist mit einer hohen Umweltbelastung
verbunden, da der Aushub mit zahlreichen LKW-Fahrten aus dem Ort transportiert werden muss. Zudem müssen extensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen für den Tidepolder weichen. - Weltnaturerbe Wattenmeer / Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
Seit Juni 2009 ist das Wattenmeer eine grenzübergreifende UNESCO-Weltnaturerbestätte. Es ist das größte gezeitenabhängige Feuchtbiotop, beherbergt mit ungefähr 10.000 Arten eine bemerkenswerte Vielfalt und hat eine besondere ökologische und geomorphologische Bedeutung. Außerdem ist das Wattenmeer eine wichtige Raststätte für fast 12 Millionen Zugvögel. Die Fläche umfasst mit ca. 11.500 Quadratkilometern die gesamte deutsche, niederländische und dänische Nordseeküste. Die Auszeichnung ist eine Aufwertung der Region, sowohl aus Sicht der Tourismusbranche, als auch des Umweltschutzes. In Deutschland ist das Wattenmeer als Nationalpark ausgewiesen.Eine grundlegende Herausforderung besteht in der Aufrechterhaltung der wettbewerbsfähigen Schifffahrt im UNESCO-Weltnaturerbe. Es müssen Lösungen gefunden werden, um Entwicklungsmöglichkeiten für die Wirtschaft bei gleichzeitigem Schutz der Wattenmeerregion freizuhalten. Dieser Aspekt muss bei der Planung von Schutzmaßnahmen für das Wattenmeer Berücksichtigung finden, um die ökonomische Lebensgrundlage der Menschen in der Wattenmeerregion zu sichern. So hat die „Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (NPNordSBefV)“ von 1992 insbesondere die Festlegung von Höchstgeschwindigkeiten, Regelungen zum Befahren der Ruhezone des Nationalparks sowie die Festsetzung von besonderen Gebieten zum Schutz von Vögeln bzw. Seehunden zum Gegenstand. Eine Novellierung der Befahrensregelung wird derzeit im politischen Raum diskutiert. Aus Sicht der maritimen Wirtschaft ist bei der Novellierung darauf zu achten, dass die bestehenden Fahrrouten nicht eingeschränkt und gleichzeitig Korridore für Schnellfahrzeuge – die besonders für die Offshore-Windparks von Bedeutung sind - eingerichtet werden.Gleichzeitig muss der Schutz vor Schiffshavarien verbessert werden. Die Strandung des Frachters „Glory Amsterdam“ im Oktober 2017 hat noch einmal deutlich gemacht, welche Risiken dem Wattenmeer und der Küste drohen, wenn Mängel beim Einsatz gegen Schiffshavarien nicht beseitigt werden. Die Arbeit des Havariekommandos muss an die heutigen Möglichkeiten und Ansprüche angepasst werden.