Wirtschaft braucht Pragmatismus

Eilers fordert entschlosseneres Handeln von der Politik

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg (IHK), Theo Eilers, hat beim diesjährigen Wirtschaftsabend von der Politik mehr Mut zum Pragmatismus gefordert: „Wirtschaft muss wieder einfacher werden“, sagte er und verlangte konkrete Maßnahmen, mit denen bürokratische Hürden wie Berichts- und Dokumentationspflichten abgebaut und Produktionskosten gesenkt werden können. 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung waren zu der Veranstaltung in die Johannes a Lasco Bibliothek in Emden gekommen.
Grant Hendrik Tonne (SPD), Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen, blickte in seinem Vortrag auf die angespannte Lage der deutschen und insbesondere der Niedersächsischen Wirtschaft: „Wir haben eine Kumulation von großen Krisen“, sagte er mit Blick auf Krieg in Europa, Fachkräftemangel, Energiekrise und Zollstreitigkeiten. Mit Sorge beobachte man Chinas expansives und aggressives Exportwachstum auf der einen Seite und die protektionistische Zollpolitik auf der anderen Seite. In dieser neuen Situation brauche Deutschland eine industriepolitische Strategie der Bundesregierung, um die aktuelle Krise zu meistern und die Industrie parallel fit für die Zukunft zu machen. Tonne forderte: Wir müssen jetzt unsere industrielle Basis und Arbeitskräfte sichern.“ Gleichzeitig müsse die Industrie auf E-Mobilität, den Hochlauf von Wasserstoff, Energiekernnetz sowie Rüstung und Militärtechnik ausgerichtet werden.
Vom Bund forderte er eine schnelle Umsetzung des angekündigten Industriestrompreises: Tonne: „Wir brauchen die fünf Cent pro Kilowattstunde – auch für Unternehmen, die bereits von der Strompreiskompensation profitieren.“ Dies sei ein notwendiger Schritt zur Sicherung von Produktionsstandorten, Arbeitsplätzen und nachhaltigerer Produktion. „Ich bin optimistisch, dass die Bundesregierung endlich den Ernst der Lage erkannt hat und jetzt handeln wird.“

Infrastruktur als Lebensader der Region

Eilers betonte die zentrale Bedeutung der Eisenbahnverbindung zwischen Emden und Oldenburg. Er forderte in diesem Zusammenhang massive Investitionen der Deutschen Bahn in die Instandsetzung der Infrastruktur. Besonders hob er die Erneuerung der Huntebrücke sowie den Bau einer zweiten Eisenbahnklappbrücke in Emden hervor. Die Verbindung sei nicht nur für den Gütertransport, sondern auch für den Personenverkehr von und zu den ostfriesischen Inseln von herausragender Bedeutung. „Bei diesen Projekten handelt es sich um wichtige Lebensadern unserer Region“, so der IHK-Präsident. Er appellierte an die Entscheider der Deutschen Bahn: „Wir brauchen jetzt keine Ankündigungen mehr, sondern sichtbare Fortschritte – unsere Region darf nicht länger auf dem Abstellgleis stehen.“
Neben dem Ausbau der Schiene sprach sich Eilers auch für den zügigen Neubau der Küstenautobahn A 20 aus.

Herausforderungen im Handel

Sorge bereitet dem IHK-Präsidenten die Lage des Einzelhandels. Rund 60 Prozent der befragten Betriebe schätzen ihre wirtschaftliche Situation als schlecht ein. Zu hohe Kosten, unsichere Rahmenbedingungen und eine schwache Inlandsnachfrage belasten die Branche erheblich. Eilers kritisierte in diesem Zusammenhang die ausufernden Berichtspflichten und die zunehmende Bürokratie, die vor allem kleine und mittelständische Betriebe überfordere. An die Politik richtete er die Forderung: „Der Mittelstand braucht endlich spürbare Entlastungen – weniger Formulare, weniger Auflagen und mehr Freiraum, um wieder investieren und wachsen zu können.“

Hafenwirtschaft im Wandel

Besonders hervor hob Eilers die Bedeutung der Häfen im IHK-Bezirk. Der Emder Hafen sei mit seiner Rolle als drittgrößter Automobilumschlagsplatz Europas ein zentraler Wirtschaftsstandort. Auch für den Offshore-Windsektor und den Tourismus seien die Häfen unverzichtbar. Zudem gewinne ihre Funktion im Rahmen der Gesamtverteidigungsfähigkeit Deutschlands zunehmend an Gewicht – als potenzielle Anlandestellen und Logistikdrehkreuze für verbündete Truppen. Eilers zeigte sich erfreut über die Fortschritte beim Bau des dritten Liegeplatzes für Großschiffe und die Ankündigung eines vierten. Zugleich appellierte er an die Politik, die Fahrrinnenanpassung der Außenems zügig voranzutreiben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern.

Industrie unter Druck

Mit Blick auf die Industriepolitik kritisierte Eilers die nach wie vor hohen Energiepreise. Im internationalen Vergleich seien sie deutlich zu hoch, sodass bereits erste Unternehmen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert hätten. An Wirtschaftsminister Tonne gerichtet, forderte Eilers ein rasches Gegensteuern: „Die schnelle Einführung eines günstigen Strompreises ist unumgänglich.“ Auch hier sei Mut zum Pragmatismus gefragt – bei Planungs- und Genehmigungsverfahren ebenso wie bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Eilers warnte davor, dass Deutschland im internationalen Standortwettbewerb weiter an Boden verliere, wenn die Energie- und Produktionskosten nicht zügig gesenkt werden. Gerade energieintensive Unternehmen stünden unter massivem Druck, während Investitionen zunehmend ins Ausland abwanderten. „Wenn wir industrielle Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze in der Region halten wollen, braucht es jetzt entschlossene Entscheidungen – kein weiteres Abwarten“, sagte Eilers. Nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen und wettbewerbsfähigen Energiekosten könne die Industrie dauerhaft gestärkt werden.

Zivilmilitärische Zusammenarbeit

Angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa kündigte Eilers an, dass die zivilmilitärische Zusammenarbeit künftig wieder stärker in den Fokus der IHK-Arbeit rücken werde. Bereits in den vergangenen Monaten habe die IHK die Kontakte zu den regionalen Bundeswehrstandorten intensiviert.
Eilers schloss seine Rede mit einem Appell an die Politik: „Unsere Wirtschaft steht vor einem Scheideweg. Einerseits haben wir es mit großen Herausforderungen und Risiken zu tun – andererseits mit Chancen, die wir nur nutzen können, wenn wir entschlossener handeln.“
IHK-Hauptgeschäftsführer Max-Martin Deinhard fasste den Abend zusammen: „Die niedersächsische Wirtschaft braucht Rückenwind – durch weniger Bürokratie, verlässliche Rahmenbedingungen und eine Politik, die Vertrauen in unternehmerisches Handeln setzt.“