Unternehmensbewertung

Einen objektiven Unternehmenswert gibt es in der Praxis nicht. Während Unternehmer, die ihr Unternehmen verkaufen wollen, neben den Sachwerten auch die Arbeit sehen, die sie in das Unternehmen investiert haben, denkt der Erwerber daran, was er mit dem Unternehmen in Zukunft erwirtschaften und wie er den Kaufpreis finanzieren kann. Beide kommen daher nicht selten zu unterschiedlichen Wert- bzw. Preisvorstellungen, wenn es um den Kaufpreis geht. Aber auch unterschiedliche Erwerber kommen je nach persönlicher Zielvorstellung und Vermögenslage zu unterschiedlichen – individuell jeweils richtigen – Werten.
Eine rechtlich verbindliche Vorgehensweise für die Unternehmensbewertung existiert nicht. Wissenschaft und Praxis haben daher unterschiedliche Methoden entwickelt, um den Unternehmenswert zu ermitteln. Jedes Verfahren kann nur Anhaltspunkte für die Ermittlung des Wertes und damit des Preises geben. Beispielhaft sind im folgenden die gängigsten Verfahren beschrieben und bewertet. Letztlich bleibt es aber den Verhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer überlassen, sich auf angemessene Übernahmebedingungen zu einigen.
A. Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist die meist verbreitete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswertes. Es basiert auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens hauptsächlich in den zu erwartenden Ertragsüberschüssen, also durch sein Potential, in Zukunft Gewinne zu erzeugen, bestimmt wird. Das Verfahren berücksichtigt die Anlagealternativen des Kaufinteressenten, der mit seinem Kapital (K) entweder das Unternehmen erwerben kann oder sein Geld am Kapitalmarkt anlegt. Die zugrundeliegende Fragestellung lautet:

Wie hoch darf der Unternehmenswert sein, damit der erwirtschaftete Gewinn oder Cash-Flow eine angemessene Verzinsung (Z) auf das eingesetzte Kapital, den Kaufpreis, darstellt?

Bei dem reinen Ertragswertverfahren entspricht der Wert des Unternehmens dem Barwert aller zukünftigen Einnahmen-Überschüsse. Der Ertragswert wird somit bestimmt durch den erwarteten Unternehmenserfolg in den folgenden Jahren und durch einen Kapitalisierungszinsfuß, mit dem die zukünftigen Überschüsse auf den Zeitpunkt des Verkaufs abgezinst werden.
Die Prognose der zukünftigen Erträge baut in der Regel auf den Werten der Vergangenheit auf. Die Erträge aus der Vergangenheit sind jedoch nur ein Indikator unter vielen für die zukünftige Entwicklung des zu bewertenden Unternehmens. Für den Erwerber des Unternehmens ist entscheidend, wie viel Gewinn er in Zukunft mit dem Unternehmen erwirtschaften kann. Vor der eigentlichen Bewertung des Unternehmens sollte daher eine umfassende Analyse sämtlicher Aspekte des Unternehmens durchgeführt werden, insbesondere eine intensive Untersuchung des zukünftigen Umsatz-, Kosten-, Investitions- und Ergebnispotenzials.
Schritte zur Ermittlung des Ertragswertes:
  • Aufstellen einer Prognose für den relevanten Markt auf der Basis der Entwicklung in der Vergangenheit und einer Chancen-/Risiken-Analyse. Für eine aussagefähige Unternehmensprognose sind u.a. Kenntnisse über die Größe und Wachstumsrate der Branche, die Wettbewerber und die Konkurrenzprodukte, die Stellung der eigenen Produkte, die Kundenstruktur, das betriebliche Personal sowie den Zustand des Anlagevermögens/Inventars erforderlich.
  • Entwurf einer langfristigen Umsatz-, Kosten-, Ergebnis-, Investitionsplanung (5 Jahre, davon 3 detailliert)
  • Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Ertrags/Cash-Flow:
Betriebsergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern
- Ertragsteuern
= Betriebsergebnis vor Zinsen und nach Ertragsteuern
+ Abschreibungen
- Investitionen
+/- Veränderungen des Nettoumlaufvermögens
= Cash-Flow
  • Bestimmung des Kapitalisierungszinsfußes
    Der Kapitalisierungszinsfuß hat maßgeblichen Einfluss auf den Ertragswert. Zur Ermittlung des richtigen Kapitalisierungszinsfußes gibt es umfangreiche Literatur. Er wird gebildet durch einen Basiszinssatz, der die Verzinsung einer alternativen risikolosen Kapitalanlage darstellt (z.B. langjährige Deutsche Bundesanleihen) zuzüglich eines Risikoaufschlages von etwa 3-4 Prozent für das Unternehmerrisiko. Der Kapitalisierungszinsfuß hängt kaum vom Kapitalmarktzins ab. Anderenfalls müssten in Phasen mit niedrigen Zinsen die Preise für Unternehmen erheblich steigen, da die Refinanzierungskosten günstiger werden. Dies ist jedoch nicht zu beobachten. Tatsächlich schwankt der bei kleinen und mittleren Unternehmen angesetzte Kapitalisierungszinsfuß in der Praxis zwischen 7 und 10 Prozent.
Beispielrechnung:
Der nachhaltige Ertrag / Cash-Flow des zu veräußernden Unternehmens beträgt 100.000 EUR. Der Veräußerer unterstellt eine Kapitalverzinsung von 8%. Es ist also zu ermitteln, wie viel Kapital ein Käufer anlegen müsste, um bei einer 8%-igen Verzinsung 100.000 EUR Zinsen zu erhalten. Die Rechnung hierzu wird abgeleitet aus der Zinsformel:

Z = K x (i/100); umgeformt: K = Z / (i/100), (K= Kapital, i = Zinssatz, Z = Zinsbetrag)

Mit den o.g. Werten: 100.000 EUR / (8/100) = 1.250.000 EUR
Strebt also ein Käufer eine Kapitalverzinsung von mindestens 8 % an, liegt der für ihn maximal akzeptable Kaufpreis für das Unternehmen mit einem Cash-Flow von 100.000 EUR bei 1.250.000 EUR, anderenfalls wäre eine alternative Kapitalanlage günstiger. Dabei wird unterstellt, dass die Jahresüberschüsse in der Zukunft unbefristet zu erzielen sind. Bei der Berechnung ist die Höhe des Kapitalisierungszinsfußes von ebenso großer Bedeutung wie die Höhe des abzuzinsenden Ertrages selbst. So sinkt der Unternehmenswert bei einer unterstellten Verzinsung von 10% auf 1.000.000 EUR, d.h. um 20%.
Hier wird noch ein gewichtiges Argument für eine frühzeitige Planung der Nachfolge deutlich: Bei dem beschriebenen Verfahren bestimmt die Ertragserwartung für ein Unternehmen dessen Wert. Die Ertragserwartung für ein Unternehmen ist umso besser, je eher die Regelung der Nachfolge angegangen wird. Denn nur eine frühzeitige und umfassend geplante Nachfolge lässt Unsicherheiten bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und bei der Bank gar nicht erst entstehen, so dass die vorhandene Ertragskraft und damit der Unternehmenswert nicht gefährdet wird.
Während das Ertragswertverfahren im deutschen Raum am häufigsten Verwendung findet, dominiert in den angelsächsischen Ländern insbesondere bei Unternehmen mit internationaler Ausrichtung das Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCF). Die DCF-Methode ähnelt dem Ertragswertverfahren, da sie auf dem gleichen investitionstheoretischen Fundament -der Diskontierung zukünftiger Erfolge- basiert. Ausgangspunkt der Berechnung ist grundsätzlich der Cash-Flow des Unternehmens, d.h. der Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Umsatztätigkeit. Als Diskontierungsrate wird ein gewichteter Kapitalkostensatz verwendet, in den auch die tatsächliche Finanzierungsstruktur des Unternehmens einfließt. In Abhängigkeit von den Größen, die zur Ermittlung des Cash-Flow herangezogen werden und dem errechneten Kapitalkostensatz lassen sich mit der DCF-Methode im Vergleich zum Ertragswertverfahren entsprechend unterschiedlich hohe Unternehmenswerte ermitteln.
B. Substanzwertverfahren
Beim Substanzwertverfahren werden die Kosten addiert, die bei der Reproduktion des vorhandenen Unternehmens anfallen würden. Der Substanzwert bezeichnet den gegenwärtigen Verkehrswert aller materiellen, immateriellen, betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, abzüglich der Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens. Die Substanz kann man unter der Annahme der Fortführung (Substanzwert) oder der Liquidation (Liquidationswert) eines Unternehmens ermitteln.
Der Substanzwert wird bestimmt durch Anschaffungswert, Zustand, durchschnittliche technische Nutzungs- und Lebensdauer der zu veräußernden Wirtschaftsgüter aber natürlich auch durch die Nachfrage nach diesen Gütern. Die Schwierigkeit, die immateriellen Werte zu berechnen, führt in der Praxis meist dazu, dass nur die materiellen Werte erfasst werden. Immobilien können vereidigte Gutachter schätzen. Bei der Schätzung des Substanzwertes der beweglichen Wirtschaftsgüter helfen ebenfalls vereidigte Sachverständige, Berater oder Verbände.
Beim Liquidationswert wird geschätzt, welche Verkaufserlöse die Wirtschaftsgüter erzielen können, wenn sie einzeln verkauft werden. Es ist offensichtlich, dass hierbei viele wertsteigernde Faktoren außer acht gelassen werden. Angewendet wird das Verfahren nur bei chronisch unrentablen Betrieben. Der Liquidationswert stellt daher die absolute Wertuntergrenze des Unternehmens dar.

C. Marktwertmethode und weitere Verfahren
Dritter Ansatz zur Wertermittlung ist der Marktwert, der sich letztlich aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage als Gleichgewichtspreis ergibt. Bei börsennotierten Unternehmen ist dies der Börsenwert. Bei anderen Unternehmen können börsennotierte Unternehmen oder in jüngster Vergangenheit übertragene Unternehmen Anhaltspunkte für die vergleichsorientierte Wertermittlung geben.
In der Literatur stößt man außerdem häufig auf die Begriffe "Mittelwert" und "Stuttgarter Verfahren". Die sogenannte Mittelwertmethode berechnet den Unternehmenswert als arithmetisches Mittel aus Ertrags- und Substanzwert. Es wird meist nur dann angewendet, wenn der Ertragswert größer ist als der Substanzwert. Die Mittelwertmethode wird auch häufig als Praktikerverfahren bezeichnet. Der Mittelwert wird errechnet, indem man Substanz- und Ertragswert gewichtet und addiert. Oft wird in der Praxis hierfür fälschlicherweise synonym der Begriff "Stuttgarter Verfahren" verwendet. Das Stuttgarter Verfahren ist ein von der Finanzverwaltung verwendetes Bewertungsverfahren, das häufig bei der Auseinandersetzung von Gesellschaftern angewendet wird. Vereinfacht gesagt ermittelt es den Unternehmenswert aus der Summe von 7/10 des Substanzwertes und dem fünffachen des Ertragsprozentsatzes:
W = 0,7 (Substanzwert + 5 x Ertragsprozentsatz)
Das Stuttgarter Verfahren ist damit ein Unterfall der Mittelwertmethode und wegen seiner Berechnungsweise nicht sehr praxisgeeignet.

D. Bewertung durch die Berater
Die Unternehmensbewertung hängt von vielen Faktoren ab und auch die Wahl des Verfahrens ist nicht immer eindeutig. Das Ertragswertverfahren ist deutscher Standard und gilt neben der DCF-Methode nach heute herrschender Meinung unter finanziellen Zielsetzungen als das einzig theoretisch richtige Verfahren zur Unternehmensbewertung. Dies wird damit begründet, dass der Unternehmenskäufer keinen Preis zahlen wird, bei dem sich der investierte Kaufpreis nicht genügend verzinst. Jedoch lassen sich auch mit dem Ertragswertverfahren grundsätzlich nur Tendenzaussagen erzielen. So besteht Unsicherheit über den richtig angesetzten Kapitalisierungszinsfuß und über die Höhe der künftigen Erträge. Die Gewinne des Vorgängers können hier nur einen Anhaltspunkt für den Erfolg des Nachfolgers geben, da die Wettbewerbsverhältnisse sich im Laufe der Zeit ändern können, oder die unternehmerischen Fähigkeiten des Verkäufers und des Käufers variieren. Ein weiteres Problem ist die wenig realistische Annahme zeitlich unbefristet zu erzielender Erträge. Somit führt eine Unternehmensbewertung auf dieser Basis zu vergleichsweise hohen Kaufpreisforderungen seitens des Verkäufers. Eine Lösung bietet eine weitere Berechnungsmöglichkeit des Ertragswertes nach dem sog. „Staffelverfahren“. Durch die Staffelung wird einerseits eine Befristung der Kapitalisierung der zu erwartenden Unternehmenserträge erreicht, was der betrieblichen Praxis weitaus besser entspricht; zum anderen wird der Tatsache Rechnung getragen, dass weiter in der Zukunft zu erwartende Erträge mit einem höheren Risiko behaftet und deshalb mit einem entsprechend höheren Kapitalisierungszinsfuß abzuzinsen sind.
Die Unternehmensnachfolgeinitiative nexxt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie bietet weitere Informationen zur Unternehmensbewertung und zu den verschiedenen Berechnungsmethoden.
Individuelle Hilfestellung bei der Ermittlung des Unternehmenswertes bieten auch Steuerberater, Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer. Häufig empfiehlt sich deren Einschaltung für eine neutrale Wertermittlung als Grundlage der Verhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer. Kontakte zu entsprechenden Fachleuten erhalten Sie beispielweise über die Beraterbörse der Beraterbörse KfW-Mittelstandsbank oder das RKW -Nord Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft. Wichtig bei der Auswahl externer Berater ist sowohl die Erfahrung in Bewertungen, als auch die Kenntnis über die Marktsituation von Unternehmen aus der Branche.
Die Beratungskosten können unter bestimmten Voraussetzungen durch die Beratungsförderung des Bundes bezuschusst werden, wenn sie Teil einer umfassenderen Betriebs-Beratung sind. Informationen hierzu erhalten Sie beim Bundesamt für Wirtschaft .