Abgrenzung zur handwerklichen Tätigkeit

Existenzgründer stehen häufig vor der Frage, ob die von ihnen angestrebte gewerbliche Tätigkeit dem Handwerksrecht unterliegt und gegebenenfalls eine spezielle handwerkliche Qualifikation, wie die Meisterprüfung erforderlich ist oder nicht. Die gleiche Frage kann auch Erweiterung des Geschäftsgegenstandes durch zusätzliche Tätigkeiten oder neue Leistungsangebote aufkommen.

Welche Rechtsvorschriften regeln das handwerkliche Berufsrecht?

Nach dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern gehören diejenigen Gewerbetreibenden zur IHK, die nicht zur Handwerkskammer (HWK) gehören. Die Handwerksordnung (HwO) enthält in Anlage A der HwO (externer Link) ein Verzeichnis derjenigen Gewerbe, die nur als Handwerk betrieben werden können, wozu also ein Meisterbrief erforderlich ist (zulassungspflichtige Handwerke).
Die Anlage B der HwO (externer Link) hat in Abschnitt I diejenigen zulassungsfreien Handwerke aufgelistet, die keinen Meisterbrief für die Selbständigkeit erfordern. In Abschnitt II sind handwerksähnlichen Gewerbe aufgeführt, für die keine besondere Befähigung zu ihrer Ausübung erforderlich ist. Der Betrieb wird auf Antrag lediglich in ein spezielles Verzeichnis bei der Handwerkskammer eingetragen.
Anträge zur Eintragung eines Handwerks nach Anlage A in die Handwerksrolle sowie Anträge zur Eintragung eines zulassungsfreien Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes vorgesehene Verzeichnis sind bei der zuständigen Handwerkskammer für Ostfriesland (externer Link) einzureichen. Wenn ein Gewerbebetrieb weder der Anlage A noch der Anlage B dem handwerk zugeordnet werden kann, wird er Mitglied der IHK.

Ist ein Gewerbebetrieb nach Anlage A in jedem Fall in der Handwerksrolle einzutragen?

Das Gesetz definiert einen Gewerbebetrieb als Handwerksbetrieb, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind. Mit der Regelung soll gesetzlich klar gestellt werden, welche Tätigkeiten nicht zum Kernbereich eines Handwerks gehören, also keine wesentliche Tätigkeiten sind. Hierzu zählen sogenante einfache Tätigkeiten,
  1. die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können;
  2. die zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden Gewerbes der Anlage A nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Gewerbe hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
  3. Tätigkeiten, die sich nicht aus einem Gewerbe der Anlage A entwickelt haben.
Die Ausübung solcher einfachen handwerklichen Tätigkeiten ist demzufolge ohne Meisterbrief zulässig. Allerdings dürfen einfache Tätigkeiten nicht so kumuliert werden, dass sie einen wesentlichen Teil eines Handwerks ausmachen.

Werden Existenzgründer mit einfachen handwerklichen Tätigkeiten in jedem Fall Mitglied der Handwerkskammer?

Nein, nicht in jedem Fall. Gewerbetreibende mit einfachen, innerhalb von zwei bis drei Monaten erlernbaren Tätigkeiten werden dann Mitglied der Handwerkskammer, wenn
  • der Gewerbetreibende die Gesellenprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk erfolgreich abgelegt hat;
  • die betriebliche Tätigkeit Bestandteil der Erstausbildung in diesem zulassungspflichtigen Handwerk war und
  • die Tätigkeit den überwiegenden Teil der gewerblichen Tätigkeit ausmacht.

Gibt es Betriebe, die sowohl der Handwerkskammer als auch der Industrie- und Handelskammer angehören?

Betriebe, die sowohl IHK-zugehörige Tätigkeiten als auch handwerkliche Tätigkeiten ausüben, werden als Mischbetriebe bezeichnet. Ein typischer Mischbetrieb ist das Autohaus mit angeschlossener Kfz-Werkstatt. Betriebe, die sowohl IHK-zugehörige Tätigkeiten als auch handwerksähnliche Tätigkeiten ausüben, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich IHK-zugehörig, sofern der nicht handwerksähnliche Betriebsteil dominiert. Sie werden beiden Kammern zugehören, wenn die handwerksähnliche Tätigkeit überwiegt.

Ist ein Mischbetrieb grundsätzlich Mitglied der Handwerkskammer?

Einen Unterfall des Mischbetriebes bildet der so genannte handwerkliche Nebenbetrieb. Wenn ein in der Hauptsache IHK-zugehöriger Betrieb nebenbei auch handwerkliche Tätigkeiten in mehr als unerheblichem Umfang ausüben will, liegt ein in der Handwerksrolle einzutragender handwerklicher Nebenbetrieb vor. Ein solcher ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Kfz-Händler auch Kfz-Reparaturen für Dritte ausüben will.
Voraussetzungen für einen Nebenbetrieb sind, dass
  1. in Verbindung mit einem Hauptunternehmen untergeordneten, anderen Betrieb
  2. Waren zum Absatz an Dritte oder Leistungen für Dritte
  3. handwerksmäßig hergestellt oder bewirkt werden, und zwar
  4. in mehr als unerheblichem Umfang und
  5. nicht im Rahmen eines Hilfsbetriebes.
Der Nebenbetrieb muss einem anderen Unternehmen oder einer öffentlichrechtlichen Einrichtung verbunden sein und gegenüber diesem Unternehmensteil eine gewisse untergeordnete Bedeutung haben. Es kommt also darauf an, wo der Schwerpunkt liegt. Der Nebenbetrieb muss zudem dem Zweck des Hauptbetriebes dienen. Falls ein wirtschaftlich-technischer Zusammenhang fehlt, liegt kein Nebenbetrieb vor, sondern es handelt sich um zwei verschiedene Gewerbebetriebe. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Autohändler zusätzlich eine Bäckerei eröffnen wollte.
Die Vorschriften der Handwerksordnung finden auf die betreffende Tätigkeit im Nebenbetrieb allerdings dann keine Anwendung, wenn der Leistungsaustausch mit Dritten in unerheblichem Umfang ausgeübt wird. Als Maßstab der Unerheblichkeit gilt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit eines Vollzeit arbeitenden Einpersonen-Betriebes (ohne Hilfskräfte) während eines Jahres nicht überschritten werden dar.

Wie unterscheidet sich der Hilfsbetrieb vom Nebenbetrieb?

Würde hingegen – um bei dem obigen Beispiel zu bleiben – der Kfz-Handelsbetrieb ausschließlich für die Reparatur der firmeneigenen Fahrzeuge eine Reparaturwerkstatt einrichten, handelte es sich um einen Hilfsbetrieb, für den eine Meisterprüfung nicht erforderlich ist. Ein Hilfsbetrieb (im engeren Sinne) wird also nicht für Dritte, sondern lediglich für den Hauptbetrieb tätig. Er dient ausschließlich der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebes. Unter speziellen Voraussetzungen kann allerdings ein Hilfsbetrieb (im weiteren Sinne) auch Leistungen für Dritte erbringen. Ob ein solcher Fall im einzelnen vorliegt, sollte im Gespräch mit der IHK geklärt werden.