Fachkräftemangel bleibt zentrales Geschäftsrisiko

Unternehmen in der Region haben weiter massive Probleme, Stellen qualifiziert zu besetzen

Der Fachkräftemangel ist für einen Großteil der Unternehmen in Düsseldorf/Region Mittlerer Niederrhein weiterhin ein bedeutendes Risiko für ihre Geschäftsentwicklung. Dies geht aus einer aktuellen Sonderauswertung der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHK) Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein im Herbst 2025 hervor. Rund 750 Unternehmen mit mehr als 60.000 Beschäftigten haben sich über die Herausforderung geäußert, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu rekrutieren.
Mit 44 Prozent betrachtet ein großer Teil der Unternehmen den Fachkräftemangel weiterhin als wesentliches Geschäftsrisiko. „Der Fachkräftemangel ist weit mehr als eine vorübergehende Reaktion auf die konjunkturelle Situation – er stellt ein langfristig strukturelles Problem dar“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen. Der rückläufige Stellenwert des Fachkräftemangels im Stimmungsbild der Unternehmen ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Betriebe angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise bei Neueinstellungen zurückhaltender agieren. Am grundlegenden Problem ändert dies jedoch nichts. „Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld zeigt sich deutlich, wie hartnäckig der Fachkräftemangel die Unternehmen beschäftigt“, betont Berghausen. „Dass so viele Betriebe ihn nach wie vor als eines der zentralen Risiken einordnen, unterstreicht die strukturelle Dimension.“
Besonders dramatisch ist die Situation im Baugewerbe. Fast zwei Drittel der Bauunternehmen haben große Schwierigkeiten bei der Personalsuche. Im Dienstleistungssektor und Einzelhandel liegen die Werte mit 49 beziehungsweise 46 Prozent ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt. Trotz zurückhaltender Personalpläne infolge der konjunkturellen Unsicherheiten können fast 40 Prozent der Betriebe ihre offenen Stellen längerfristig nicht besetzen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Bedarf an qualifizierten Fachkräften nach wie vor nicht gedeckt wird. „Längerfristig unbesetzte Stellen beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsstärke unserer Unternehmen erheblich“, erklärt Berghausen.
Die Umfrage macht deutlich, dass insbesondere Fachkräfte mit beruflicher Aufstiegsqualifikation – etwa Fachwirte oder Meister – besonders schwer zu finden sind. Gerade diese qualifizierten Kräfte übernehmen in vielen Unternehmen Schlüsselrollen, sichern einen reibungslosen Betriebsablauf und tragen wesentlich zur Leistungsfähigkeit der Betriebe bei. Ihr Mangel wirkt sich daher unmittelbar auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit aus. Berghausen betont: „Dies unterstreicht die Bedeutung der beruflichen Weiterbildung und der dualen Ausbildung, um den Fachkräftebedarf nachhaltiger zu decken.“
Auswirkungen des Fachkräftemangels zeigen sich auf breiter Ebene: 65 Prozent der Unternehmen rechnen mit steigenden Arbeitskosten, und 59 Prozent erwarten eine zusätzliche Belastung der bestehenden Belegschaft. Im Baugewerbe fällt die Einschätzung noch drastischer aus, dort berichten rund 80 Prozent der Betriebe von entsprechenden Problemen. Die zunehmenden Kosten resultieren dabei nicht nur aus höheren Löhnen, die Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zahlen müssen, sondern auch aus einem wachsenden Aufwand für Rekrutierung, Einarbeitung und Personalbindung. Viele Betriebe berichten, dass sich der Kostendruck zunehmend auf ihre Kalkulationen und ihre Preisgestaltung auswirkt.
Ein Drittel der befragten Unternehmen fürchtet Einschränkungen im Angebotsportfolio und Auftragsverluste. „Wenn einzelne Unternehmen ihre Nachfrage aufgrund von Personalmangel nicht bedienen können, leidet auch die Wirtschaft insgesamt“, mahnt Berghausen. „Deshalb braucht es auch seitens der Politik klare und wirksame Schritte.“ Hinzu kommt, dass 9 Prozent der Unternehmen eine Verlagerung ins Ausland als mögliche Reaktion auf den Fachkräftemangel in Betracht ziehen – in der Industrie sogar fast 16 Prozent. „Diese Entwicklung bereitet uns erhebliche Sorgen, denn solche Entscheidungen würden die gesamte Wirtschaft und den Standort nachhaltig unter Druck setzen“, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Aus Sicht der befragten Unternehmen könnten insbesondere finanzielle Anreize dazu beitragen, ältere Beschäftigte über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus im Erwerbsleben zu halten. Berghausen erläutert, dass steuerliche Vorteile und flexibel gestaltete Arbeitsmodelle dabei helfen könnten, wertvolles Fachwissen länger zu sichern. Die Mehrheit der Unternehmen sieht in diesem Bereich deutlichen Handlungsbedarf. Vor diesem Hintergrund bewertet die IHK auch die geplante Aktivrente positiv.
„Der Fachkräftemangel lässt sich nur durch langfristiges und gemeinsames Handeln von Wirtschaft, Politik und allen Bildungs- und Arbeitsmarktinstitutionen bewältigen. Die Zukunftsfähigkeit unserer Region hängt entscheidend von gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab“, unterstreicht Berghausen. Aus Sicht der IHK entscheidet die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Zukunftsfähigkeit ganzer Branchen. Sie fordert, dass Weiterbildung, berufliche Orientierung, Integration und lebenslanges Lernen konsequent unterstützt werden. „Die duale Ausbildung bleibt ein wesentlicher Eckpfeiler unserer Wirtschaftskraft – sie muss modernisiert, digital unterstützt und stärker auf Zukunftskompetenzen ausgerichtet werden“, betont Berghausen.