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Rohstoffknappheit und Preissteigerungen

Viele Branchen sind seit Jahren von Rohstoffknappheit und erheblicher Verteuerung von (Vor-)Produkten betroffen. Grund dafür sind die seit mehreren Jahren anhaltenden Konflikte und Krisen, wie zunächst etwa die Corona-Pandemie und aktuelle Kriege. Dies stellt viele Unternehmen vor eine große wirtschaftliche Belastungsprobe.

Wie kann man Preisrisiken minimieren?

Grundsätzlich gilt, dass Verträge einzuhalten sind.
Der zwischen den Unternehmen vereinbarte Preis ist zu zahlen. Das Risiko einer Preissteigerung sowie der Beschaffung trägt der Verkäufer, also auch noch im Zeitpunkt der eventuell deutlich späteren Lieferung und Abrechnung, wenn nichts anderes wirksam vereinbart wurde.
Die Möglichkeiten sich gegen die wirtschaftlichen Risiken von Preisschwankungen rechtsverbindlich abzusichern, sind zwar beschränkt. Dieses Risiko kann aber bereits vor Vertragsschluss - bei grenzüberschreitenden Verträgen unter Berücksichtigung des auf den Sachverhalt anwendbaren Rechts,   
  • durch Formulierungen bei der Angebotsabgabe und
  • durch sogenannte Preisanpassungsklauseln in Verträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen
minimiert werden.
Sollte ein bestehender Vertrag keine Preisanpassungsklauseln enthalten, kann es ratsam sein, mit dem Vertragspartner gemeinsam nach einer individuellen Lösung zu suchen und gegebenenfalls eine Nachtragsvereinbarung zu verhandeln.
Es sollte auch geprüft werden, ob
  • ausnahmsweise eine gesetzliche oder vertragliche Regelung zu „höherer Gewalt“ für den konkreten Fall greifen könnte, auch wenn diese typischerweise einen anderen Fall im Auge hat, oder
  • gesetzliche Regeln des anwendbaren Rechts eine Preisanpassung zulassen könnten.

Was ist bei der Angebotsabgabe zu berücksichtigen?

Folgende Dinge können schon in der Angebotsphase berücksichtigt werden.
Angebote befristen
  • Angebote sollten möglichst befristet erfolgen.
  • Im besten Fall befristet das Unternehmen sein Angebot und die angebotenen Preise für einen Zeitraum, für den der jeweilige Preis absehbar stabil ist.
  • Je kürzer die Bindefrist ist, desto geringer ist das Risiko die Preissteigerung tragen zu müssen.
Angebote als unverbindlich festhalten
  • Neben einer Bindefrist kann das Angebot zunächst auch als „unverbindlich“ deklariert werden. Bei einem „unverbindlichen“ Angebot ist der Verkäufer an das Angebot zunächst nicht gebunden. Es handelt sich hierbei lediglich um einen Vorschlag für ein Angebot und der Käufer kann durch die Annahme eines unverbindlichen Angebotes nicht bereits den Vertragsschluss herbeiführen.
  • Wichtig ist, dass für den Käufer klar und unmissverständlich erkennbar ist, dass es sich bei dem Angebot um ein „unverbindliches Angebot“ handeln soll. Daher sollte das Angebot auch ausdrücklich so deklariert werden.
Wichtig: Antwortet der Geschäftspartner auf das unverbindliche Angebot seinerseits mit einem Angebot, muss es ausdrücklich abgelehnt werden, wenn es nicht angenommen werden soll. Es besteht also eine sogenannte Reaktionspflicht. Zur Dokumentation und aus Beweisgründen ist eine schriftliche Reaktion ratsam.
Angebote bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen
Ist nicht das nationale deutsche Recht anzuwenden, sollte das Unternehmen im Einzelfall vor Abgabe des Angebots prüfen, ob die jeweilige nationale Rechtsordnung oder ein anwendbares internationales Abkommen, Angebote mit Bindungsfrist oder unverbindliche Angebote mit denselben Rechtswirkungen wie im deutschen Recht zulassen.

Was ist bei Preisanpassungsklauseln zu berücksichtigen?

Es ist ratsam, zunächst einmal zu prüfen, ob sich in einem bestehenden Vertrag eine Preisanpassungsklausel zum Umgang mit Preissteigerungen von Rohstoffen oder Waren findet.  
Es existieren diverse Formen von Preisanpassungsklauseln mit und ohne Anpassungsautomatik:
Klauseln mit Anpassungsautomatik sind Klauseln, die eine Preisanpassung von einem Ereignis abhängig machen und bei Eintritt des Ereignisses die Preisanpassung automatisch vornehmen. Hierzu zählen: 
  1. die sogenannte Kostenelementeklausel, bei der sich der Preis automatisch an die Kosten anpasst, die das Unternehmen selbst hat. Zahlt es also z.B. für die verarbeiteten Produkte mehr, gibt es diese Kosten automatisch an die eigenen Kunden weiter.
  2. die sogenannte Spannungsklausel, bei der sich der Preis ebenfalls automatisch erhöht, ist jedoch nicht an verschiedene, unbestimmte Kosten gebunden, sondern an einen festen Index.
Zu den Klauseln ohne Anpassungsautomatik zählen:
  1. die sogenannte Verhandlungsklausel, bei der die Parteien bei Eintritt eines zuvor vereinbarten Ereignisses und regelmäßig nach einer formellen Änderungsanfrage den Preis für eine Leistung innerhalb einer bestimmten Frist erneut verhandeln und vereinbaren müssen. Insoweit bedarf es zur Preisänderung das Durchlaufen eines regelmäßig vereinbarten Einigungsprozesses und schließlich einer Einigung im vertragsrechtlichen Sinne. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen kann zum Beispiel für jede Partei ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht vereinbart werden (andere Möglichkeit: ein neutraler Dritter oder ein vereinbartes Schiedsgericht legt im Rahmen eines vereinbarten Einigungsverfahrens den neuen Preis fest).
  2. die Preis-Vorbehaltsklausel, bei der die Erhöhung noch im Ermessen des Unternehmens liegt. Es kann also selbst entscheiden, ob es erhöhte Kosten an die Kunden weitergeben möchte oder nicht. Auch dabei sind jedoch bestimmte Grundsätze einzuhalten.
Welche Klausel im Einzelfall und die konkrete Ausgestaltung die Beste für die Zwecke eines Unternehmens ist, lässt sich erst nach Kenntnis der typischen Vertragskonstellation beurteilen.
Die Formulierung ist mit besonderer Sorgfalt zu gestalten, da Preisanpassungsklauseln ein komplizierter Regelungsgegenstand in der (internationalen) Vertragsgestaltung, dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der Gesetzgebung und Rechtsprechung sind.
Die jeweilige Zulässigkeit und konkrete Formulierung von Preisanpassungsklauseln sind zudem immer aus Sicht des anwendbaren Rechts zu beurteilen.
Für Unternehmen, die sich nicht nur, aber auch, in den aktuellen Krisen auf vorhandene Klauseln verlassen wollen oder neue Klauseln mit ihrem Vertragspartner vereinbaren möchten, kann es sinnvoll sein, einen spezialisierten Rechtsbeistand hinzuziehen.
Letzte Aktualisierung: 29. April 2024