International

Das Lieferkettengesetz - IHK Düsseldorf stellt Umfrage-Ergebnisse vor

Ein halbes Jahr Lieferkettengesetz – Unternehmen haben mit der Umsetzung zu kämpfen

Rund ein halbes Jahr nach Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zieht die IHK Düsseldorf eine erste Zwischenbilanz zu aktuellem Stand, Betroffenheit und Herausforderungen der Umsetzung in Unternehmen. An der Befragung haben sich im Juni 2023 knapp 180 Unternehmen beteiligt: darunter auf vom LkSG unmittelbar betroffene größere Unternehmen sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs), die als Lieferanten mittelbar betroffen sind. Zwei Drittel der Antworten kommen von Verantwortlichen auf Geschäftsführungs- und -leitungsebene, was die hohe Relevanz unterstreicht, die Unternehmen dem Thema beimessen.
Die Antworten zeigen, dass sich Unternehmen, die bereits seit Januar 2023 oder ab Januar 2024 zur Umsetzung verpflichtet sind, die Anforderungen des LkSG bereits vollständig oder teilweise umgesetzt haben oder sich zumindest auf die Umsetzung vorbereiten.
Auch Unternehmen, die zur Umsetzung nicht direkt verpflichtet sind, setzen die Gesetzesanforderungen aufgrund von Kundenanfragen, aus Reputationsgründen und in Vorbereitung auf die EU-Richtlinie auf freiwilliger Basis zumindest in Teilen um.
Durch die EU-Regelungen erwarten Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen. Das ist deshalb bedenklich, da Unternehmen bei der Umsetzung des LkSG durch mangelnde Kenntnisse über alle Zulieferer und die damit verbundene fehlende Lieferkettentransparenz schon heute vor großen Herausforderungen stehen.
Dabei werden Bürokratie-Aufwand und die damit verbundenen Umsetzungskosten im Betrieb als größte Belastungen des LkSG gewertet.
Andererseits werden mit dem Gesetz auch Chancen verbunden, wie etwa ein transparenteres Lieferantenmanagement, Reputationsgewinne und damit auch Wettbewerbsvorteile.

Großteil der Unternehmen steht die vollständige Umsetzung noch bevor

Größtenteils steht die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen in den Unternehmen noch bevor.
Zehn Prozent der sich an der Umfrage beteiligten Unternehmen sind seit Anfang des Jahres oder ab dem 1. Januar 2024 unmittelbar betroffen beziehungsweise werden es sein.
Bis auf ein Unternehmen haben alle anderen Unternehmen mit der Umsetzung begonnen, wenn auch der Großteil noch nicht alle Anforderungen umgesetzt hat. Nahezu alle der ab spätestens 2024 unmittelbar betroffenen Unternehmen erwarten bei sich eine vollständige Umsetzung der Anforderungen bis zum kommenden Januar.
Umfrage_LkSG_2023_Umsetzungsstand
Betrachtet man alle befragten Unternehmen zeigt sich, dass rund zwei Drittel die Anforderungen erst nach dem 1. Januar 2024 umsetzen wollen. Hierbei handelt es sich überwiegend um kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs), die keiner unmittelbaren Umsetzungspflicht unterliegen. 

Große Unternehmen geben die Anforderungen weiter

Demnach sind nicht nur die größeren Firmen mit mehr als 3.000 beziehungsweise 1.000 Beschäftigten im Inland, sondern auch viele KMU betroffen.
Neun von zehn Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, verfügen über weniger als 1.000 Beschäftigte im Inland und fallen damit nicht unmittelbar unter das LkSG.
Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass die Anforderungen des LkSG von den großen Unternehmen an kleine und mittlere Unternehmen entlang der Lieferkette weitergegeben werden und sich KMU dadurch zwangsläufig mit den gesetzlichen Anforderungen auseinandersetzen müssen (siehe nachfolgende Abbildung).
36 Prozent der KMU gaben als Grund für eine teilweise oder komplette Umsetzung des LkSG an, dass sie sich auf die in Aussicht stehende EU-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligince Directive) vorbereiten wollen (siehe nachfolgende Abbildung).
Dabei befürchten knapp zwei Drittel eine Verschärfung des deutschen Gesetzes.
Weitere wichtige Beweggründe, sich mit der Umsetzung der Anforderungen des Gesetzes auseinanderzusetzen, sind für vier von zehn KMUs eine Image- und Reputationssteigerung.
Umfrage_LkSG_2023_Gründe

Lieferkettentransparenz:
Gesetzliche Anforderung trifft auf Realität

Eine zentrale Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung des LkSG ist es, Transparenz in der Lieferkette zu haben. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen Unternehmen in der Praxis vor Herausforderungen stellt. Lediglich jedes zehnte Unternehmen gab an, dass es die Arbeits- und Produktionsbedingungen bei allen seinen Zulieferern in der Lieferkette kennt. Nur 40 Prozent kennen diese bei ihren unmittelbaren Zulieferern. Komplett unbekannt sind diese für 7 Prozent aller antwortenden Unternehmen.
Gerade der Einblick in die indirekte Lieferkette stellt die meisten befragten Unternehmen vor große Probleme. Dabei ist der prozentuale Anteil der mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette der befragten Unternehmen nicht unerheblich.
Rund ein Drittel der Unternehmen weiß nichts über die Zulieferer ihrer eigenen unmittelbaren Zulieferer. Das ist insofern problematisch, da das Gesetz in § 9 des LkSGs auch den Umgang mit mittelbaren Zulieferern definiert.
Sofern ein unmittelbar vom Gesetz betroffenes Unternehmen “substantiierte Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern“ (§ 9, Abs. 3) erlangt, muss es auch gegenüber den mittelbaren Zulieferern tätig werden.
Die in Teilen mangelnde Transparenz der Lieferkette spiegelt sich auch darin wider, dass sieben von zehn Unternehmen angeben, dass eines der größten Risiken des LkSG beziehungsweise der geplanten EU-Richtlinie in der Komplexität der Lieferkette und der schwierigen Organisation des Durchgriffs liege. Neben teilweise mangelnden Kenntnissen über die Verhältnisse entlang der Lieferkette stellt sich für Unternehmen also auch die Frage, wie sich Zulieferer, mit denen es kein Vertragsverhältnis gibt, letztlich zu Änderungen bewegen lassen.

Neuordnung von Geschäftsbeziehungen

Die Unternehmen sehen sich auch mit der Frage konfrontiert, ob sie ihre Geschäftsbeziehungen neu ordnen sollten. Die Mehrheit der befragten Unternehmen (60 Prozent) plant nicht, ihre Geschäftsbeziehungen mit unmittelbaren Lieferanten wegen der Anforderungen des LkSG zu beenden. Aber nahezu jedes fünfte Unternehmen prüft die Neuordnung der Geschäftsbeziehungen. 2 Prozent der antwortenden Unternehmen haben Geschäftsbeziehungen mit unmittelbaren Zulieferern aufgrund der gesetzlichen Anforderungen des LkSG bereits beendet oder planen dies zu tun. 8 Prozent der Unternehmen haben sich aus problematischen Ländern zurückgezogen oder planen dies, 20 Prozent prüfen dies.
Damit gibt es erste Hinweise, dass das LkSG den politischen Wunsch zur Diversifizierung nicht befördert, sondern eher bremst.

Bürokratie, Komplexität und Kosten kommen auf Unternehmen zu

Selbst wenn Unternehmen Geschäftsbeziehungen neu ordnen wollen, steht laut der Umfrage jedes dritte Unternehmen vor der Herausforderung, potenziell problematische Zulieferer überhaupt zu ersetzen. Genauso viele Unternehmen fürchten den Verlust von Lieferanten.
Die größten Risiken und Belastungen des LkSG beziehungsweise der geplanten EU-Richtlinie werden aber von den befragten Unternehmen in erhöhtem bürokratischem Aufwand (rund 83 Prozent) und den damit verbundenen Kosten (73 Prozent) gesehen. Konsequenterweise befürchtet fast jedes zweite Unternehmen eine Schwächung seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Die nachfolgende Abbildung stellt dar, welche Herausforderungen und Belastungen die Unternehmen im LkSG sehen.
Umfrage_LkSG_2023_GrößteRisiken

Einige Unternehmen sehen auch positive Aspekte 

Vier von zehn der Befragten sehen im LkSG für ihr Unternehmen eine Chance in der positiven Außenwirkung für die Neukundengewinnung, rund 35 Prozent in einem transparenteren und effektiveren Lieferantenmanagement sowie verbesserten Einkaufsprozess, knapp ein Viertel in einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit (Mehrfachantworten waren möglich).
Auffällig ist jedoch auch, dass rund 30 Prozent der antwortenden Unternehmen im Freitextfeld unter Sonstiges angegeben haben, dass sie mit dem Gesetz keine Chancen verbinden.
Wo die Antwortenden die größten Chancen des LkSG für das eigene Unternehmen sehen, stellt die nachfolgende Abbildung dar. 

Sorgfaltspflichten unterschiedlich stark implementiert

Die gesetzlich geforderten Sorgfaltspflichten werden, je nach Betroffenheit (unmittelbar vs. mittelbar) bereits unterschiedlich stark umgesetzt, wie die nachfolgenden Abbildungen zeigen.
Wichtige Anforderungen, wie beispielsweise die Einrichtung eines Risikomanagements oder eines Beschwerdeverfahrens, haben immerhin bereits neun beziehungsweise acht von zehn Unternehmen bei sich implementiert. 
Umfrage_LkSG_2023_Menschen-Umwelt_Maßnahmen_neu
Eine weitere Abbildung im Folgenden zeigt darüber hinaus die Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die Unternehmen planen umzusetzen beziehungsweise bereits umsetzen.
Hier sind zuvorderst die Verpflichtung zum Code of Conduct und die Anpassung von Zulieferverträgen sowie AGBs zu nennen.
Umfrage_LkSG_2023_Präventions_Abhilfemaßnahmen_neu

Hintergrund der befragten Unternehmen

Über 50 Prozent der sich an der Umfrage beteiligten Unternehmen kamen aus dem produzierenden Gewerbe, die häufig komplexe Lieferketten mit einer Vielzahl von unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern in unterschiedlichsten Ländern aufweisen.
Ein Drittel der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer kam aus dem Handels- und Dienstleistungsgewerbe.
Die nachfolgende Abbildung schlüsselt die in der Umfrage vertretenen Branchen auf.
Umfrage_LkSG_2023_Branchenzugehörigkeit
Ein Großteil der antwortenden Unternehmen sind KMU. Rund 35 Prozent der Unternehmen haben bis zu 50 Beschäftigten.
40 Prozent der Unternehmen beschäftigen 50 bis 250 Mitarbeitende. Rund 15 Prozent der antwortenden Unternehmen repräsentieren die Größe 250 – 1.000 Mitarbeitende.
5 Prozent der Unternehmen fallen in die Kategorie 1.000 – 3.000 Beschäftigte und ebenfalls 5 Prozent haben mehr als 5.000 Mitarbeitende. 
Stand: Juli 2023
Wir danken allen Unternehmen, die teilgenommen haben. 
Fragen beantwortet Ihnen von der IHK Düsseldorf gern: 
Dr. Elke Stoffmehl (Referentin Internationales Wirtschaftsrecht)