09.05.2025

Kein Annahmeverzugslohn bei Krankheit

Nach § 326 Absatz 2 S. 1 Alternative (Alt.) 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) behält ein z.B. wegen Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB) befreiter Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung (Bezahlung), wenn sich der Gläubiger zu dem Zeitpunkt im Annahmeverzug befindet, also die vom Schuldner angebotene Leistung nicht rechtzeitig angenommen oder ganz verweigert hat. Der Gläubiger muss dann zahlen, obwohl er die Leistung nicht mehr beanspruchen kann.
Ob diese Regelung auch im Arbeitsverhältnis gilt, hatte jüngst das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (BAG, Urteil vom 4.12.2024 – 5 AZR 276/23). Der klagende Arbeitnehmer wurde von der Arbeitgeberin am 29.5.2019 außerordentlich und später ordentlich gekündigt. Die Unwirksamkeit der Kündigungen wurde später gerichtlich festgestellt, die Arbeitgeberin befand sich daher im Annahmeverzug. Allerdings war der Arbeitnehmer vom 29.4.2019 bis 31.5.2020 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Verweis auf § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB machte er dennoch für den Zeitraum vom 1.6.2019 bis zum 31.5.2020 Annahmeverzugslohn geltend.
Das Bundesarbeitsgericht lehnte den Anspruch jedoch ab. Für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit stehe einem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn zu.
§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB gelte speziell für Sachleistungen. § 616 BGB und § 3 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) regeln jedoch abschließend für Dienst- und Arbeitsverhältnisse die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit der Leistungserbringung wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und das auch während des Annahmeverzugs. Sie verdrängen insoweit die Regelung des allgemeinen Schuldrechts.
§ 616 S. 1 BGB hält dem Dienstverpflichteten den Anspruch auf die Gegenleistung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aufrecht. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, sieht § 3 Abs.1 EFZG im Hinblick auf die Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis nur einen auf sechs Wochen zeitlich begrenzten Anspruch auf Entgeltfortzahlung vor. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist ausgeschlossen, selbst wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten ist.
Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn Sie vor Zahlung von Annahmeverzugslohn, z.B. bei unwirksamer Kündigung, prüfen, ob in dem betreffenden Zeitraum eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestand. Dann kann sich der Zahlungsanspruch gegebenenfalls um diesen Zeitraum reduzieren.