Freistellung und Vergütungspflicht bei vorübergehender Arbeitsverhinderung, Krankheit und an Feiertagen

Arbeitnehmer haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Diese Freistellung kann entweder mit Entgeltfortzahlung oder ohne Entgeltfortzahlung erfolgen, abhängig von der jeweiligen gesetzlichen Grundlage, dem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder betrieblichen Vereinbarungen. Dieses Merkblatt erläutert die gesetzlichen Regelungen zur Freistellung und Vergütungspflicht bei vorübergehender Arbeitsverhinderung, Krankheit und an Feiertagen.

Gesetzlicher Anspruch auf bezahlte Freistellung (§ 616 BGB)

Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn sie unverschuldet und für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert sind. Ob ein solcher persönlicher Grund vorliegt, lässt sich nicht allein anhand des Gesetzestextes bestimmen, sondern muss durch Rechtsprechung geklärt werden. Erfasst sind Fälle, in denen die Arbeitsleistung tatsächlich unmöglich oder im konkreten Fall unzumutbar ist.
Beispiele für solche Gründe sind:
  • Eigene Hochzeit oder Hochzeit der Kinder (2 Tage bei eigener Hochzeit, 1 Tag bei Hochzeit der Kinder)
  • Tod eines nahen Angehörigen (z.B. 3-4 Tage bei Tod des Ehegatten, 1-3 Tage bei Tod von Eltern oder Kindern)
  • Geburt eines Kindes (2 Tage bei Geburt des eigenen Kindes)
  • Pflege eines nahen Angehörigen, wenn keine andere Versorgungsmöglichkeit besteht
  • Wahrnehmung öffentlicher Pflichten (z.B. als Schöffe)
  • Teilnahme an familiären Ereignissen (z.B. Geburtstage, Hochzeiten, Taufen), sofern es für den Arbeitnehmer unverzichtbar ist, anwesend zu sein. Die Umstände des konkreten Einzelfalls sind abzuwägen
  • Umzug, unter besonderen Umständen, z.B. wenn der Umzug betrieblich veranlasst ist oder es dem Arbeitnehmer nicht möglich bzw. zumutbar ist, den Umzug in der Freizeit durchzuführen
  • Pflege eines nahen Angehörigen (Ehegatten, Kinder, Geschwister und Eltern); insbesondere bei Erkrankung eines Kindes.
Der Anspruch besteht nur, wenn die Verhinderung eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" dauert. Dies ist durch die Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Folgende Faktoren sind bei der Abwägung zu berücksichtigen:
  • Verhältnis der Dauer der Arbeitsverhinderung zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses
  • Länge der Kündigungsfrist
  • die objektiv notwendige Zeit für die Arbeitsverhinderung.
    Überschreitet die Verhinderungsdauer die im Einzelfall angemessene Zeit, besteht kein Anspruch auf Freistellung nach § 616 BGB.

Schuldlosigkeit

Den Arbeitnehmer darf kein Verschulden an der Verhinderung treffen. Verschulden liegt nur bei leichtsinnigem, unverantwortlichem Verhalten oder grobem Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vor. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Arbeitgeber.

Tarifverträge

Während die Rechtsprechung in der Regel einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für ein bis zwei Tage pauschal gewährt, regeln zahlreiche Tarifverträge die Dauer je nach Anlass sehr detailliert. Diese tarifvertraglichen Regelungen sind jedoch nur verpflichtend, wenn sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Mitglied der jeweiligen Tarifpartei sind oder der Tarifvertrag allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Entgeltfortzahlung bei Krankheit (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz - EFZG)

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen, wenn sie unverschuldet arbeitsunfähig erkranken (§ 3 EFZG).
Voraussetzungen:
  • Die Krankheit darf nicht durch eigenes Verschulden (z.B. grobe Verstöße wie Trunkenheit) verursacht sein.
  • Die Entgeltfortzahlung umfasst das Bruttoarbeitsentgelt, abzüglich der gesetzlichen Abzüge.
Der Anspruch besteht ab einer ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses von vier Wochen. Erkrankt ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten wiederholt an derselben Krankheit und liegen zwischen diesen Erkrankungen keine sechs Monate der Arbeitsfähigkeit, werden die Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammengerechnet, bis die Anspruchszeit von sechs Wochen verbraucht ist. Sind seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge der derselben Erkrankung jedoch bereit zwölf Monate abgelaufen, so hat der Arbeitnehmer erneut einen Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung.

Anzeige- und Nachweispflichten

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen, spätestens am ersten Tag der Erkrankung zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage an, ist eine ärztliche Bescheinigung spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Verletzt der Arbeitnehmer seine Anzeige- oder Nachweispflicht, so rechtfertigt dies die Erteilung einer Abmahnung und kann bei wiederholtem Verstoß zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung führen.

Überbetriebliches Ausgleichsverfahren

Arbeitgeber von kleineren Betrieben, die in der Regel nicht mehr als 30 Mitarbeiter – ohne die zur Berufsausbildung Beschäftigten sowie Schwerbehinderte – haben, können von den Krankenkassen unter besonderen Voraussetzungen die teilweise Erstattung der Entgeltfortzahlungskosten aus einem Sondervermögen verlangen. Dieses Sondervermögen wird bei den gesetzlichen Krankenkassen als Umlage gebildet.
Zu näheren Einzelheiten sind Informationen bei den zuständigen Krankenkassen erhältlich.

Lohnfortzahlung bei Kuren und Heilverfahren

Bei Kuren und Heilverfahren zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung für sechs Wochen. Dieser Anspruch kann arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen werden.

Ausschluss des Anspruches auf Freistellung

Grundsätzlich ist der Anspruch auf Freistellung nach § 616 BGB durch entsprechende vertragliche Regelung abdingbar. Ebenso besteht die Möglichkeit, den Anspruch durch Aufnahme eines abschließenden Kataloges von Tatbeständen zu konkretisieren und zu beschränken.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Eine beispielhafte Aufzählung von Fällen führt weder zur Beschränkung noch zum Ausschluss des Freistellungsanspruches.

Sonderfälle

Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V)

Bei Erkrankung eines Kindes unter 12 Jahren haben Eltern Anspruch auf unbezahlte Freistellung kombiniert mit Krankengeldzahlung der Krankenkasse, wenn das Kind nicht durch eine andere Person betreut werden kann.
  • Anspruchsdauer: 2024 und 2025 pro Jahr und Elternteil bis zu 15 Arbeitstage pro Kind Insgesamt sind es bei mehreren Kindern maximal 35 Arbeitstage pro Elternteil(30 Arbeitstage bei Alleinerziehenden, bei mehreren Kindern sind es maximal 70 Arbeitstage pro Jahr).
  • Ab 2026 pro Kind unter 12 Jahren 10 Tage insgesamt, höchstens 25 Tage (20 Tage bei Alleinerziehenden).
Können beide Elternteile die Pflege übernehmen, haben sie das Wahlrecht nach ihren Bedürfnissen. Auf die Belange des oder der Arbeitgeber müssen sie keine Rücksicht nehmen. Der Arbeitgeber hat in jedem Fall die Möglichkeit, die Vorlage einer ärztlichen Bestätigung zu verlangen, welche die Notwendigkeit der Betreuung oder Pflege des erkrankten Kindes bestätigt.
Nähere Informationen zu dieser komplexen Thematik halten die zuständigen Krankenkassen bereit.

Arztbesuch während der Arbeitszeit

Ein Arztbesuch während der Arbeitszeit kann unter bestimmten Bedingungen als bezahlte Freistellung gelten, wenn dieser medizinisch notwendig ist und nicht außerhalb der Arbeitszeit erfolgen kann.
  • Der Arbeitnehmer ist nicht arbeitsunfähig erkrankt, sondern der Arztbesuch ist medizinisch notwendig und muss während der Arbeitszeit erfolgen, z.B. bei akuten Beschwerden oder festgelegten Terminen (z.B. Blutabnahme im nüchternen Zustand).
  • Ist der Arztbesuch zu einem anderen Zeitpunkt, z.B. außerhalb der Arbeitszeit, nicht möglich (beispielsweise weil der Arzt nur während der Arbeitszeit Sprechstunden hat), kann der Arbeitnehmer ebenfalls Anspruch auf bezahlte Freistellung haben.
  • Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit des Termins verlangen.

Entgeltfortzahlung an Feiertagen (§ 2 EFZG)

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Arbeitszeiten, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfallen, wie z. B: Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt etc.
Heiligabend und Silvester sind keine gesetzlichen Feiertage, sondern arbeitsrechtlich „normale” Werktage. Damit besteht grundsätzlich kein Vergütungsanspruch, wenn an diesen Tagen nicht gearbeitet wird, es sei denn:
  • eine völlige oder teilweise Vergütung wurde vereinbart
  • oder die Vergütung wurde aufgrund dreimaliger vorbehaltloser Zahlung zur Betriebsübung.

Weitere gesetzliche Freistellungsansprüche

Zusätzlich zu § 616 BGB gibt es weitere gesetzliche Ansprüche, z.B.:
  • § 629 BGB: Freistellung zur Stellensuche und zur Meldung bei der Agentur für Arbeit (§ 38 SGB III)
  • § 15 BBiG: Freistellung von Auszubildenden zur Teilnahme am Berufsschulunterricht
  • § 37 ff. BetrVG: Freistellung von Betriebsratsmitgliedern
  • Ggf. Freistellung für ehrenamtliche Tätigkeiten wie Feuerwehrangehörige, die während der Arbeitszeit an Einsätzen, Übungen und Ausbildungsveranstaltungen teilnehmen.

Freistellung ohne Entgeltfortzahlung

Gesetzliche Ansprüche auf unbezahlte Freistellung ergeben sich u.a. aus folgenden Regelungen:
  • § 45 SGB V: Freistellung zur Betreuung eines kranken Kindes.
  • §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG: Freistellung während der Schutzfristen vor und nach der Geburt.
  • § 15 BEEG: Elternzeit bis zu 36 Monate.

Kein Anspruch auf Freistellung:

Ein Anspruch auf Freistellung besteht nicht, wenn:
  • Verkehrsbehinderungen (z.B. Staus, Zugausfälle) vorliegen
  • Naturereignisse (z.B. Hochwasser) auftreten
  • Die Teilnahme an privaten Veranstaltungen (z.B. Sportevents) erfolgt.
Besteht kein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, so besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den Arbeitnehmer unbezahlt freizustellen. Der Arbeitgeber kann aber auch verlangen, dass der Arbeitnehmer für den entsprechenden Zeitraum Urlaub einreicht.