Anerkennung ausländischer Abschlüsse

„Ein Türöffner zum deutschen Arbeitsmarkt“

Als bundesweites Kompetenzzentrum der deutschen Industrie- und Handelskammern prüft die IHK Foreign Skills Approval (FOSA) mittlerweile seit zehn Jahren, inwieweit ausländische Berufsqualifikationen mit entsprechenden deutschen Abschlüssen als gleichwertig eingestuft werden können. Wir sprachen mit Geschäftsführerin Heike Klembt-Kriegel darüber, welchen Beitrag ihre Organisation zur Fachkräftesicherung und zur Integration von Migranten in Deutschland leistet.
Autoren: Veronika Heibing, Stephan Köhnlein, 1. April 2022 
IHK: Frau Klembt-Kriegel, wie kam es zur Gründung der IHK FOSA in Nürnberg? Welche Aufgabe sollte die Organisation für die IHKs und ihre Mitgliedsunternehmen damals übernehmen?
Heike Klembt-Kriegel: Das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ wurde 2011 beschlossen und trat zum 1. April 2012 in Kraft. Es schaffte erstmals für alle Personen mit staatlich anerkanntem, ausländischem Berufsabschluss, unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus einen allgemeinen Rechtsanspruch auf eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung. Das Anerkennungsgesetz umfasst auch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) sowie Änderungen im Berufsbildungsgesetz, in der Handwerksordnung und in weiteren berufsspezifischen Verordnungen. Damit hatten auch die IHKs den gesetzlichen Auftrag als zuständige Stellen. Die Expertise zu Ländern und Sprachen sowie die weitere Wissensbasis dazu an einem Ort zu bündeln, erschien sinnvoll. Als Zusammenschluss von 76 Industrie- und Handelskammern übernimmt IHK FOSA zentral und bundesweit die Durchführung der Anerkennungsverfahren für die rund 350 Aus- und Fortbildungsabschlüsse aus Industrie, Handel, Gastronomie und Dienstleistungen. Nürnberg hat sich als Sitz angeboten wegen der Nachbarschaft zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Bundesagentur für Arbeit (BA), die zwei wichtige Netzwerkpartner für uns sind.
IHK: Wie hat sich die Arbeit ihrer Organisation seither entwickelt?
Heike Klembt-Kriegel: Der Satz „Nichts ist beständiger als der Wandel“ beschreibt das vergangene Jahrzehnt sehr treffend. Wir arbeiten zwar seit zehn Jahren auf der gleichen gesetzlichen Basis. Aber die Länder und Umstände, unter denen wir prüfen, haben sich sehr stark verändert. Das zeigt auch, wie leistungsfähig das Gesetz und die IHK FOSA sind. Zu Beginn hatten wir überwiegend Antragstellende, die schon einen Wohnsitz in Deutschland hatten und ihren Bildungsabschluss in Ländern der Europäischen Union erworben hatten. Das hat sich mit dem Zuzug von Geflüchteten ab 2015 deutlich geändert. Ab März 2020 hat dann das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) die Zuwanderung nach Deutschland auch für beruflich Qualifizierte aus Drittstaaten erleichtert. Zuvor war das dem Grunde nach für Inhaber akademischer Abschlüsse möglich. Seither bekommen wir viele Anträge von Drittstaatlern direkt aus dem Ausland.
IHK: Aus welchen Ländern versuchen Migranten ihr Glück auf dem deutschen Arbeitsmarkt? Und gibt es Branchen, die die deutschen Unternehmen besonders nachfragen?
Heike Klembt-Kriegel: Die Unternehmen fragen nahezu alle Branchen aus dem IHK-Spektrum nach. Die Chancen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes werden nach unserer Erfahrung besonders im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie bei den Berufskraftfahrern genutzt. Die meisten Anträge kommen derzeit aus den Ländern des Westbalkans und des Maghreb sowie seit einiger Zeit auch in hoher Zahl aus der Türkei. Grundsätzlich gilt: Wer im Ausland einen geordneten, staatlich anerkannten Ausbildungsgang absolviert hat und dann noch über ein paar Jahre aktuelle Berufserfahrung verfügt, erhält er hier in der Regel mindestens eine teilweise Anerkennung. Es ist dafür nicht erforderlich, einen Wohnsitz in Deutschland oder die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. Wir prüfen auch nicht, inwieweit die Bewerber die deutsche Sprache beherrschen. Das ist für den Vergleich der Qualifikation und die Anerkennung unerheblich.
IHK: Hinter den Anträgen, die Ihre Organisation tagtäglich erreichen, stecken immer auch persönliche Schicksale. Gab es Fälle, die Ihnen besonders nahe gegangen oder aus anderen Gründen in Erinnerung geblieben sind?
Heike Klembt-Kriegel: Wir sehen natürlich immer die Menschen hinter den Anträgen. Eine Anforderung an unsere Mitarbeitenden ist interkulturelle Kompetenz, dies hilft zu verstehen, wieso ein Mensch zu uns kommt. Im Verfahren kommen wir in der Regel in persönlichen Kontakt und begleiten die Menschen ein Stück auf ihrem Weg. Dabei hören wir natürlich auch von Flucht und Vertreibung. Aber wir erleben auch viele positive und schöne Geschichten. Ein Arbeitgeber aus Bayern zum Beispiel hat seinem Mitarbeiter den Anerkennungsbescheid zu Weihnachten geschenkt und diesen dann auf der Weihnachtsfeier des Unternehmens persönlich vor versammelter Belegschaft stolz überreicht. 
IHK: Wie fördern Sie mit Ihrer Arbeit die Integration von Migranten in Deutschland?
Heike Klembt-Kriegel: Unsere Arbeit ist kein Selbstzweck. Wir übersetzen etwas, was jemand im Ausland gelernt hat, in unser Berufe-System, um es transparent, vergleichbar und sichtbar zu machen. Unser Anerkennungsbescheid dient als Türöffner zum deutschen Arbeitsmarkt, ist etwas Nachhaltiges und begleitet einen Menschen seine gesamte Arbeitsbiografie. Viele berichten uns, wie der Bescheid ihr Leben verändert hat.
IHK: Wie gehen Unternehmen am besten vor, wenn sie die Dienste der IHK FOSA nutzen wollen?
Heike Klembt-Kriegel: Bevor ein Arbeitgeber einen Antrag bei uns einreicht, empfehlen wir, sich beraten zu lassen. Eine kostenlose Eingangsberatung gibt es in der Regel persönlich oder telefonisch zum Beispiel bei der örtlichen IHK. Viele Fragen können so schon vorab geklärt werden. Grundsätzlich beobachten wir, dass die Unternehmen inzwischen oft die Treiber der Anerkennungsverfahren sind. Sie holen die Fachkräfte aus dem Ausland oder haben schon jemand im Unternehmen, den sie anerkennen lassen wollen. Gemeinsam mit den Antragstellen kümmern sie sich um das Verfahren, übernehmen die Gebühren. Und wenn es zunächst nur eine teilweise Anerkennung der Qualifikation gibt, unterstützen die Unternehmen die Antragsteller oft dabei, die vollständige Anerkennung zu erlangen. Im Falle einer Zuwanderung empfehlen wir, die Zeit für die Vorbereitungen der Zuwanderung auch für die Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu nutzen.
IHK: Werden Fachkräfte aus dem Ausland mit Blick auf den demografischen Wandel für Unternehmen künftig eine noch wichtigere Rolle spielen?
Heike Klembt-Kriegel: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel sind eng miteinander verknüpft. Es ist schon jetzt für viele Arbeitgeber enorm wichtig, Fachkräfte aus dem Ausland zu holen. Das ist eine der drei Säulen bei der Fachkräftesicherung – neben der dualen Ausbildung in Deutschland und der Aktivierung der vorhandenen inländischen Ressourcen, etwa bei Frauen, die derzeit in Teilzeit arbeiten. In Zukunft werden Fachkräfte aus dem Ausland noch wichtiger werden. Und diese Säule wird zunehmend genutzt.
IHK: Was sollten Unternehmen bei der Beschäftigung von ausländischen Fachkräften beachten?
Heike Klembt-Kriegel: Wichtig ist es, sich vorher gut zu informieren. Es gibt ein hervorragendes Informationsangebot auf Bundesebene, aber eben auch bei den zuständigen IHKs. Und dann sollte das Unternehmen daraus einen realistischen Zeitplan ableiten. Als Faustregel gilt: Spätestens drei Monate, nachdem die vollständigen Unterlagen bei uns vorliegen, erteilen wir einen Bescheid.
IHK: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Torsten Heinzmann
Teamleiter
Bereich: Aus- und Weiterbildung
Themen: Team Ausbildung, Ausbildungsberatung für kaufmännische Berufe

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