Kaufrecht

Verpflichtung zur Ersatzteilbelieferung

Lieferanten (Händler und Hersteller) stehen immer wieder vor der Frage, ob, in welchem Umfang und wie lange sie ihren Kunden gegenüber verpflichtet sind, Ersatzteile für gelieferte Produkte bereitzuhalten.
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil gesetzliche Regelungen auch nach der Schuldrechtsreform und eindeutige Rechtsprechung fehlen. Leitlinie sollte sein: Die Verpflichtung zur Ersatzteillieferung ist umso stärker, je höherwertiger und langlebiger das Gebrauchs- und Wirtschaftsgut ist.

Ansprüche des Käufers

  • Es können sich Ansprüche auf Ersatzteilbelieferung im Rahmen der Gewährleistung ergeben. Dies ist der Fall, wenn das Kaufobjekt fehlerhaft übergeben wurde und die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren oder die vertraglich vereinbarte Garantiezeit noch nicht abgelaufen ist. Der Verkäufer ist dann zur Nachbesserung oder Nachlieferung verpflichtet.
  • Der Käufer kann auch nach zwei Jahren von seinem Lieferanten Belieferung mit Ersatzteilen verlangen, wenn dies in einem separaten Wartungs- oder Liefervertrag vereinbart wurde. Diese – in der Praxis in der Regel nur im Kraftfahrzeugbereich genutzte – Möglichkeit bietet sich vor allem bei sonstigen, teuren Investitionsgütern (Maschinen oder maschinellen Anlagen) an.
  • Ferner kommt ein Schadenersatzanspruch aus Deliktsrecht (Paragraf 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) in Betracht, wenn der Lieferant den Verkäufer bewusst wahrheitswidrig über die zukünftige Verfügbarkeit von Ersatzteilen getäuscht hat. Der Schadenersatz ist hierbei allerdings nur in Geld zu leisten.
  • In allen anderen Fällen, vor allem bei Abnutzungserscheinungen im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs, wird eine Pflicht zur Bereithaltung und Lieferung von bestimmten Ersatzteilen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Paragraf 242 BGB) hergeleitet. Hiernach trifft den Lieferanten eine nachvertragliche Pflicht, die länger dauernde Benutzung eines Gebrauchs- und Wirtschaftsgutes nicht dadurch zu vereiteln, dass typische Verschleißteile nicht ersetzt werden können. Es wäre sicherlich ein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn Ersatzteile für eine Maschine im Wert von 200.000 Euro nur drei Jahre lang zu bekommen wären.
  • Der Käufer kann seinen Anspruch nur dann direkt gegen den Hersteller geltend machen, wenn er von diesem erworben hat. Ob ein sogenannte "Durchgriffsanspruch" gegen den Hersteller auch besteht, wenn der Vertrieb über einen Händler erfolgte, ist umstritten, da die direkte vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Käufer fehlt.
In der Praxis dürfte dies jedoch keine Auswirkungen haben, weil auch der Händler seinerseits einen nachvertraglichen Anspruch auf Ersatzteilbelieferung gegen den Hersteller hat, den er entweder selbst geltend machen oder an den Käufer abtreten kann.

Umfang der Ersatzteilbelieferungspflicht

Die Belieferungspflicht kann auf Verschleißteile beschränkt sein, mit deren Abnutzung innerhalb der normalen Lebensdauer des Kaufgegenstandes erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Bieten Dritte Ersatzteile entsprechender Qualität und zu gleichen Preisen an, so ist der Käufer auf die Belieferung durch den Lieferanten nicht angewiesen. Damit entfällt dessen Verpflichtung zur Ersatzteillieferung. Will der Hersteller die Produktion eines Gegenstandes einstellen, so hat er eine dem Bedarf im eigenen Kundenkreis entsprechende Anzahl von Ersatzteilen einzulagern. Tut er dies, besteht normalerweise kein Anspruch auf Herstellung von Sonderfertigungen wegen weiteren Bedarfs.

Zeitliche Dauer der Ersatzteilbelieferungspflicht

Einen festumrissenen generellen Zeitraum für das Vorbehalten von Ersatzteilen gibt es nicht und kann es angesichts der Vielfalt von Gebrauchs- und Wirtschaftsgütern auch nicht geben. Die steuerliche Abschreibungstabelle (AfA-Tabelle) kann hierfür nicht herangezogen werden, da steuerliche und tatsächliche Nutzungsdauer nicht übereinstimmen. Ansonsten kann bei langlebigen Investitionsgütern eine Frist von fünf bis zehn Jahren als Richtschnur gelten, steigend mit der Höherwertigkeit. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls.

Folgen der Nichtbelieferung

Wird eine wegen positiver Vertragsverletzung bestehende Verpflichtung zur Ersatzteilbelieferung nicht erfüllt, macht sich der Lieferant schadenersatzpflichtig. Der Käufer kann in diesem Falle den Wert der noch offenen Nutzungsdauer ersetzt verlangen. Der Verkäufer kann unter Umständen wiederum bei seinem Lieferanten Regress nehmen.

Ansprüche bei gebrauchten Produkten

Bei gebrauchten Produkten hat der Erwerber in der Regel keinen Anspruch auf Ersatzteillieferung. Nimmt man einen Direktanspruch gegen den Hersteller an (streitig), so wird dieser auf Zweit- und Drittkäufer ausgedehnt, die dann aus eigenem Recht gegen den Hersteller vorgehen können. Eine andere Meinung hilft in diesen Fällen mit der „stillschweigenden Abtretung”, die dem Zweit- beziehungsweise Dritterwerber einen Anspruch aus erworbenem Recht gegen den Hersteller zubilligt.
Wir danken der IHK Karlsruhe, die uns dieses Merkblatt freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Stand: Juli 2022