Vergabe öffentlicher Aufträge

Handwerksrechtliche Fragen bei öffentlichen Aufträgen

Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige, zuverlässige, gesetzestreue und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden (vgl. § 97 Abs. 4 GWB sowie entsprechende Regelungen in den Verdingungs-/Vertragsordnungen).
Bei der Frage der Fachkunde ist zu prüfen, ob es sich um zulassungspflichtige handwerkliche (Teil-) Leistungen handelt. Allerdings ist diese Frage in vielen Fällen schwierig zu beantworten. Wird sie bejaht, ist weiter zu entscheiden, ob für ihre Ausführung eine Eintragung in der Handwerksrolle erforderlich ist.
Denn auch nicht in der Handwerksrolle eingetragene Unternehmen dürfen unter bestimmten Umständen zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten ausüben. Dazu gehören insbesondere industriell strukturierte Betriebe, die zwar zulassungspflichtige handwerkliche Leistungen erbringen, jedoch von ihrer Betriebsform her industriell sind. Diese kann vorliegen bei:
  • einem umfangreichen Maschineneinsatz, der für handwerkliche Arbeiten kaum noch Raum lässt
  • einer stärkeren Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung der Beschäftigten
  • einer bestimmten Betriebsgröße
Handwerkliche Tätigkeiten ohne Rolleneintragung
Die HwO legt für einige Bereiche fest, dass nichthandwerkliche Unternehmen zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten ausführen dürfen. Dies gilt insbesondere für den Straßenbau in Abgrenzung zum Garten- und Landschaftsbau sowie für den nichthandwerklichen Tiefbau.
Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus dürfen Pflasterarbeiten selbstständig ausführen, wenn es sich um Arbeiten im Rahmen einer landschaftsgärtnerisch geprägten Anlage handelt. Hier dürfen sich diese Unternehmen auch um Lose bewerben, die nur Pflasterarbeiten umfassen.
Im Bereich des Tiefbaus ist zulässig, dass das Tiefbauunternehmen den von ihm abgetragenen Straßenbelag nach Beendigung der Baumaßnahme wieder herstellt. (Zu den weiteren Einzelheiten gibt es ein Merkblatt bei den IHKs.)
Die Handwerksordnung regelt zwei weitere Bereiche:

I. Hilfsbetrieb

Ein Hilfsbetrieb liegt vor, wenn er gegenüber dem Hauptbetrieb regelmäßig seine Leistungen nicht für Dritte, sondern für das Hauptunternehmen erbringt. Nur in den Grenzen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HwO findet ein Leistungsaustausch mit Dritten statt, wenn die Leistungen
  1. als handwerkliche Arbeiten untergeordneter Art zur gebrauchsfertigen Überlassung üblich sind, z. B. einfache Anschlussarbeiten
  2. in unentgeltlichen Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten bestehen, z. B. im Preis enthaltene Wartungsarbeiten
  3. in entgeltlichen Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten an solchen Gegenständen bestehen, die in einem Hauptbetrieb selbst hergestellt worden sind oder für die der Hauptbetrieb als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes gilt.
„Hersteller” in diesem Sinne ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat oder wer sich durch Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Ferner gilt als Hersteller, wer ein Produkt zum Zwecke des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.

II. unerheblicher Nebenbetrieb

Ein unerheblicher Nebenbetrieb liegt vor, wenn:
  1. ein Hauptbetrieb besteht,
  2. Waren zum Absatz an Dritte oder Leistungen für Dritte handwerksmäßig hergestellt oder bewirkt werden
  3. und zwar in unerheblichen Umfang
  4. und nicht im Rahmen eines Hilfsbetriebs.
Haupt- und Nebenbetrieb müssen in einem wirtschaftlich-fachlichen Zusammenhang stehen, so dass es eine gewisse innere Notwendigkeit für die organische Zusammengehörigkeit der beiden Betriebsteile gibt. Der Nebenbetrieb dient den wirtschaftlich-unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmers (z. B. Ausführen von Kfz-Reparaturen für Dritte durch einen Kfz-Händler).
Hinzu kommt, dass dieser Nebenbetrieb sich in der Grenze der Unerheblichkeit bewegen muss. Nach § 3 Abs. 2 HwO liegt diese bei der durchschnittlichen Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebs des betreffenden Handwerks (ca. 1664 Std/Jahr).
Beispiele:
  • Der PC-Händler darf auch in unerheblichem Umfang Reparaturen an den von ihm gelieferten Geräten ausführen.
  • Der Sanitärgroßhändler darf Sanitäranlagen installieren und anschließen.
Werden zulassungspflichtige handwerkliche Arbeiten unbefugt ausgeführt, kann dies mit einer Geldbuße sowie dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen von bis zu drei Jahren geahndet werden. Bei Abgrenzungsproblemen zwischen Handwerk und Industrie/Handel/Dienstleistungen sollte daher vorab die zuständige Industrie- und Handelskammer gefragt werden.
Die IHK ist selbstverständlich gern zu weiteren Erläuterungen und Beratungen bereit.
Stand: Januar 2018
Dieses Merkblatt ist uns vom Arbeitskreis Handwerksrecht des DIHK zur Verfügung gestellt worden.