Sozialversicherungsrecht

Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern und Ehegatten

Für die Feststellung der Arbeitnehmerstellung eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und eines Ehegatten, der bei seinem Partner beschäftigt ist, haben sich in der Rechtsprechung verschiedene Kriterien herausgebildet, die jedoch nicht abschließend sind. Diese Kriterien können auch nur Indizien für eine Arbeitnehmerstellung sein, so dass eine Prüfung für jeden konkreten Einzelfall zu erfolgen hat.

Ehegattenbeschäftigung

Das Arbeitsverhältnis bei Ehegattenbeschäftigung wird anhand sehr formaler Merkmale geprüft. Wichtig ist, dass das Arbeitsverhältnis klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden ist, es also auch zwischen Fremden so geschlossen worden wäre. Dafür ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag obligatorisch, in dem alle arbeitsvertraglichen Regelungen detailliert festgehalten sind.
Für eine Arbeitnehmerstellung sprechen:
  • Zahlung des ortsüblichen oder tariflichen Lohnes auf ein eigenes Konto und freie Verfügung über das Gehalt
  • Ersatz einer fremden Arbeitskraft
  • fremdbestimmte, weisungsgebundene Tätigkeit
  • Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen
  • Verbuchung des Entgelts als Betriebsausgabe
  • Umfang der Arbeitsleistung geht über familienrechtliche Pflicht hinaus, es liegt gerade nicht die bloße Erfüllung familiärer Pflichten vor (zum Beispiel wegen Personalmangels, Erkrankung des Ehepartners, Liquiditätsschwierigkeiten, aus unterhaltsrechtlichen
    Gesichtspunkten )
  • keine Scheinabmachungen auf Grund Interessengleichheit der Eheleute; dies ist dann der Fall, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit diesem verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen. Solche Scheinabmachungen liegen zum Beispiel dann vor, wenn tatsächlich überhaupt keine Dienstleistungen von dem Ehegatten erbracht werden oder wenn der Lohn nur in geringer Höhe gezahlt wird.

GmbH-Geschäftsführer

Auch bei den GmbH-Geschäftsführern (Fremd- und Gesellschaftergeschäftsführern) haben sich in der Rechtsprechung bestimmte Merkmale herausgebildet, die für eine Arbeitnehmerstellung sprechen. Entscheidend ist hier die Eingliederung in den Betrieb, ob also ein arbeitsrechtliches Unterordnungsverhältnis beziehungsweise eine persönliche Weisungsgebundenheit vorliegen. Maßgebend für die Beurteilung sind Arbeits- und/oder Gesellschaftsvertrag, die in einer Gesamtschau zu bewerten sind.
Kriterien, die für die Arbeitnehmerstellung sprechen :
  • funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Betriebes teilhaben, keine selbstverantwortlich auszuübende Leitungsmacht
  • Vergütung ist nicht erfolgsbezogen
  • Urlaubsvereinbarung
  • Weisungsberechtigung des Arbeitgebers vor allem nach Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung
  • es besteht ein Selbstkontrahierungsverbot gemäß Paragraf 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Treuhänder darf nicht mit Hilfe des anvertrauten Vermögens mit sich selbst Geschäfte machen)
  • Geschäftsführer trägt kein erhebliches Unternehmerrisiko; Zustimmungspflicht zu Geschäften ab einer bestimmten Höhe ist im Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben
  • Das Bundesarbeitsgericht hat beispielsweise die Arbeitnehmereigenschaft eines Geschäftsführers einer konzernabhängigen Gesellschaft oder des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH bejaht. Auch der Vergleich mit einem leitenden Angestellten ergibt, dass eine pauschale Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft fraglich erscheint. Denn dieser übt in seiner Funktion regelmäßig Arbeitgeberrechte aus, ohne dass ihm die Arbeitnehmereigenschaft abgesprochen wird.
Kriterien, die zusätzlich nur bei Gesellschafter-Geschäftsführern für eine Arbeitnehmerstellung sprechen:
  • ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft etwaigen Anteils am Stammkapital kann nicht geltend gemacht werden (bei 50 Prozent oder höherem Anteil wird maßgeblicher Einfluss regelmäßig gegeben sein, ebenso bei Sperrminorität ); dieses Kriterium spielt keine Rolle bei Fremdgeschäftsführern!
  • keine dominierenden Branchenkenntnisse als Gesellschafter-Geschäftsführer, die zu weitgehender Bestimmung der Gesellschafterversammlung führen.

Limited-Gesellschafter

In der jüngsten Vergangenheit hat die Anzahl der englischen Limiteds (Ltd.) mit Verwaltungssitz in Deutschland stark zugenommen. Mit einem weiteren Anstieg ist auch in Zukunft zu rechnen. Auch bei der Limited stellt sich die Frage, wie mitarbeitende Gesellschafter sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind. Eine Rechtsprechung zu diesem Thema konnte sich in der kurzen Zeit noch nicht entwickeln.
Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die mitarbeitenden Gesellschafter einer Limited ebenso zu behandeln sind wie Gesellschafter-Geschäftsführer, mitarbeitende Gesellschafter und Fremdgeschäftsführer einer GmbH. Auf Grund der Ähnlichkeit zur GmbH und der Eigenschaft, ebenfalls eine Kapitalgesellschaft zu sein, wird dies so zu akzeptieren sein. Die Arbeitnehmerstellung eines mitarbeitenden Limited-Gesellschafters ist demzufolge anhand der oben aufgeführten Merkmale festzustellen.

Verbindliche Entscheidung der Sozialversicherungsträger über die Versicherungspflicht

In den vergangenen Jahren kam es bei Fragen zum Bestehen der Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern und von Personen, die bei ihrem Ehegatten beschäftigt sind, immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Problematisch war, dass sich die Betroffenen in der Annahme, Arbeitnehmer zu sein, versicherten, wobei auch die Krankenkassen als Einzugsstellen für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge diese Ansicht in vielen Fällen bestätigten. Bei Beendigung der Tätigkeit und Meldung der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsagentur wurden diese Personen dann jedoch nachträglich häufig als Selbständige ohne Sozialversicherungspflicht eingestuft. Dies war und ist möglich, weil die Arbeitsagentur eine unabhängige Prüfung durchführen dürfen und nicht an die Einstufung durch die Krankenkassen gebunden sind.
Folge der Verneinung der Arbeitnehmerstellung war, dass der Antragsteller keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld hatte, obwohl oft jahrelang Versicherungsbeiträge gezahlt worden waren. Eine Rückforderung der gezahlten Beiträge ist wegen der gesetzlichen Verjährungsfrist maximal für vier Jahre möglich.
a) Bis 31. Dezember 2004:
Diese rechtlich und sozialpolitisch nicht hinnehmbaren Rechtsfolgen können nunmehr aufgrund einer Gesetzesänderung seit 1. Januar 1998 vermieden werden. Durch die Neufassung des Paragraf 336 Sozialgesetzbuch III wurde die Möglichkeit geschaffen, bei Aufnahme der Tätigkeit eine Festlegung der Arbeitsagentur bezüglich der Arbeitnehmerstellung zu erwirken. Dies gilt nicht nur in den angesprochenen Problemfällen, sondern generell.
Zunächst muss der Betroffene sich an die Krankenkasse wenden und einen Feststellungsbescheid über die Versicherungspflicht erwirken. Dann kann er bei der Arbeitsagentur einen Zustimmungsbescheid beantragen, in dem die Arbeitsagentur entscheidet, ob es den Krankenkassen zustimmt, dass der Antragsteller Arbeitnehmer und damit sozialversicherungspflichtig ist. Dieser Bescheid ergeht bindend für fünf Jahre und kann nach deren Ablauf erneut für jeweils fünf Jahre beantragt werden.
Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ist auch noch nachträglich die bindende Feststellung der Arbeitnehmerstellung durch Krankenkassen und Arbeitsagentur für die Vergangenheit möglich. Die Entscheidung kann auch schon vor Abschluss des Arbeitsvertrages herbeigeführt werden. Dies ist gerade bei GmbH-Geschäftsführern unter Vorlage der Vertragsvereinbarungen vor deren Beurkundung auch aus Kostengründen empfehlenswert.
Das Antragsformular für die Zustimmungserklärung ist bei den Arbeitsagenturen sowie bei einigen Krankenkassen erhältlich.
b) Ab 1. Januar 2005:
Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 wird das bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) angesiedelte Statusfeststellungs- bzw. Clearingstellenverfahren (SV-Clearing) auf mitarbeitende Familienangehörige und geschäftsführende GmbH-Gesellschafter ausgeweitet. Der Hindergrund dieser Änderung ist die fehlende leistungsrechtliche Bindung der Arbeitsverwaltung an die Entscheidungen der Einzugsstellen und die sich daraus ergebende Rechtsunsicherheit auf Seiten der Betroffenen. Die Einzugsstellen werden gesetzlich dazu verpflichtet, in bestimmten Fällen einen Antrag an die Clearingstelle der DRV zu richten. Diese Antragspflicht besteht, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ist. In diesem Fall muss der DRV auf Grund des entsprechenden Antrags der Einzugsstelle die versicherungsrechtliche Beurteilung vornehmen. Zu diesem Zweck werden die Meldungen nach der Datenerfassungs- und –übermittlungsverordnung (DEÜV) um die Angabe erweitert, ob der Beschäftigte
  1. zum Arbeitgeber in einer Beziehung als Ehegatte,
    Lebenspartner, Verwandter oder Verschwägerter in gerade Linie
    bis zum zweiten Grad steht, bzw.
  2. als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH tätig ist.
Parallel dazu wird Paragraf 336 Sozialgesetzbuch (SGB) III neu gefasst. Stellt die Clearingstelle der DRV Versicherungspflicht per Verwaltungsakt fest, so wird die Bundesagentur für Arbeit daran leistungsrechtlich gebunden sein. Im Ergebnis wird damit die versicherungsrechtliche Beurteilung bei einer zentralen Stelle konzentriert und deren Entscheidungen mit mehr rechtlicher Verbindlichkeit ausgestattet.
Stand: Mai 2022