Validierungsverfahren von beruflichen Kompetenzen

Um Menschen ohne Berufsabschluss neue Wege in das Berufsbildungssystem und zur beruflichen Entwicklung zu eröffnen, ist mit dem Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) eine rechtliche Grundlage für das Validierungsverfahren geschaffen. Mit dem Validierungsverfahren werden berufliche Kompetenzen, die unabhängig von einer formalen Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (Referenzberuf) erworben wurden, aber einer solchen vergleichbar sind, bewertet und bescheinigt.

Was ist mit Berufsvalidierung gemeint?

Berufsvalidierung ist ein Verfahren, mit dem berufserfahrene Menschen ohne Abschluss ihre Berufskompetenzen anhand eines anerkannten Standards bewerten lassen können. Der Standard für die Berufsvalidierung ist die Ausbildungsordnung des jeweiligen Berufs.

Durch die Validierung kann man ein öffentliches Zertifikat / Zeugnis erhalten. Das Zertifikat weist aus, inwieweit die beruflichen Erfahrungen zu einer mit Ausbildungsberufen vergleichbaren beruflichen Handlungsfähigkeit geführt haben.

Teilnahmevoraussetzungen

  • Mindestalter: 25 Jahre
  • Einschlägige Berufserfahrung (mindestens das 1,5-fache der Regelausbildungszeit)
  • Wohnsitz in Deutschland oder mindestens die Hälfte der geforderten Berufstätigkeit in Deutschland ausgeübt
  • Kein Berufsabschluss im Referenzberuf
  • Aktuell kein Berufsausbildungsverhältnis im Referenzberuf
Da das gesamte Verfahren auf Deutsch durchgeführt wird, sind ausreichende Sprachkenntnisse nötig.

Wie läuft das Feststellungsverfahren ab?

Das Verfahren erfolgt in vier Schritten:
  1. Information und Beratung
    Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren und zu den Dokumenten, die für die Antragsstellung benötigt werden. Außerdem kann der passende Referenzberuf identifiziert werden. Der Referenzberuf ist ein dualer Ausbildungsberuf. Bitte vereinbaren Sie vor der Antragsstellung einen Beratungstermin mit der IHK Darmstadt.
  2. Antragsstellung
    Die interessierte Person dokumentiert die beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Für die Antragsstellung werden die Angaben durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsnachweise oder Zertifikate belegt. Die zuständige Stelle prüft den eingereichten Antrag formal und wertet die eingereichten Dokumente und Nachweise ggf. mit dem Feststellungstandem aus.
  3. Bewertung
    Ein Feststellungstandem, das aus zwei Prüfer/-innen besteht, stellt insbesondere mit praktischen und mündlichen Aufgaben die berufliche Handlungsfähigkeit im Gesamten oder in überwiegenden Teilen des Berufsbildes fest.
  4. Ergebnismitteilung
    Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die IHK ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf oder einen Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf aus. Kann keine überwiegende berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt werden, wird der Antrag abgelehnt.

Kosten

Die Kosten entnehmen Sie bitte der aktuell gültigen Gebührenordnung der Industrie- und Handelskammer Darmstadt. Diese betragen zur Zeit:
Nummer Gebührenart Kosten
3.14.1
3.14.2
Vorbereitendes Verfahren (alle Feststellungsverfahren)
Storno vor Vorbereitungsgespräch
310 Euro
146 Euro
3.15.1
3.15.2
einfaches Verfahren
Storno vor Feststellungsdurchführung
1043 Euro
261 Euro
3.16.1
3.16.2
einfache Verfahren, Antrag aufüberwiegende Vergleichbarkeit
Storno vor Feststellungsdurchführung
949 Euro
245 Euro
3.17.1

3.17.2
einfache Ergänzungsverfahren, nicht überwiegende
Teilfeststellung für Menschen mit Behinderung
Storno vor Feststellungsdurchführung
808 Euro

219 Euro
3.18.1
3.18.2
aufwändige Verfahren
Storno vor Feststellungsdurchführung
1640 Euro
322 Euro
3.19.1
3.19.2
aufwändige Verfahren, Antrag auf überwiegende Vergleichbarkeit
Storno vor Feststellungsdurchführung
1472 Euro
299 Euro
3.20.1

3.20.2
aufwändige Ergänzungsverfahren, nicht überwiegende
Teilfeststellung für Menschen mit Behinderung
Storno vor Feststellungsdurchführung
1103 Euro

263 Euro

Welche Dokumente sind für die Antragsstellung nötig?

  • Kopie eines Identitätsnachweises (z. B. Personalausweis, Reisepass)
  • Kopie eines Wohnsitznachweises (z. B. Personalausweis, Aufenthaltstitel)
  • Angaben zur Berufserfahrung im Referenzberuf (z. B. aktueller Lebenslauf)
  • Nachweise über den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit (z. B. Arbeitszeugnisse, Weiterbildungen, Schulungen)
  • gegebenfalls Antrag auf Nachteilsausgleich
Nachweise, die in einer anderen Sprache als in Deutsch ausgestellt sind, müssen in der Regel mit einer Übersetzung eingereicht werden.

Wie lange dauert das Feststellungsverfahren?

Die gesamte Dauer hängt unter anderem von den individuellen Voraussetzungen, von der Vollständigkeit des Antrags und dem jeweiligen Beruf ab. Die praktische Bewertung kann, je nach Beruf und Umfang, zwischen einem Tag und mehreren Tagen dauern.

Wie wird das Verfahren durchgeführt?

Die Durchführung erfolgt durch ein “Feststellungstandem”, das aus aus je einem oder einer Beauftragten der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite aus den Prüfungsausschüssen des entsprechenden Referenzberufs (zum Beispiel Fachlagerist) besteht. Dabei führt eine Person die Feststellung durch, während die andere Person als Beisitzer anwesend ist.

Auf schriftliche Aufgaben ist zu verzichten, wenn die Feststellung mittels anderer Instrumente mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Zu diesen Instrumenten gehören insbesondere mündliche und praktische Aufgaben sowie die Einbeziehung von Arbeitsergebnissen aus dem Tätigkeitsbereich des Referenzberufs in den letzten beiden Jahren vor Antragstellung.

Was erhalte ich bei erfolgreicher Teilnahme?

Wird das Verfahren erfolgreich durchlaufen, erhalten Teilnehmende entweder
  • einen Bescheid, der bei einer überwiegenden Vergleichbarkeit zusätzlich die festgestellten und nicht festgestellten Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die für die Ausübung des Referenzberufs erforderliche berufliche Handlungsfähigkeit ausweist, oder
  • ein Zeugnis, das die vollständige Vergleichbarkeit ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit mit dem Referenzberuf feststellt.
Bei Erhalt eines Bescheides über die überwiegende Vergleichbarkeit kann binnen fünf Jahren ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren gestellt werden. Dieses hat das Ziel, die vollständige Vergleichbarkeit zu erreichen. Im Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit ist differenziert aufgeführt, für welche Bereiche die berufliche Handlungsfähigkeit besteht und für welche Bereiche sie nicht besteht.
Das Ergänzungsverfahren richtet sich auf die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit der beruflichen Kompetenzen. Ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren kann nur einmal gestellt werden. Im Ergänzungsverfahren werden nur die Bereiche bewertet, für die zuvor keine überwiegende Handlungsfähigkeit festgestellt wurde.

Wozu berechtigt ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit?

  • Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung (Externenprüfung)
  • Anspruch auf Zulassung zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe
    (zum Beispiel geprüfter/geprüfte Berufsspezialist/-in, Bachelor Professional)
  • Ausbildungsberechtigung: Mit einem Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit liegt die fachliche Eignung als Ausbilderin oder Ausbilder vor. Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung muss zusätzlich nachgewiesen werden (AEVO-Prüfung, Teil IV der Meisterprüfung), um ausbilden zu dürfen.

Kann das Feststellungsverfahren wiederholt werden?

Wird ein Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens abgelehnt, kann nach einer Frist von zwölf Monaten erneut ein Antrag gestellt werden. Dafür muss glaubhaft gemacht werden, dass neue oder zusätzliche berufliche Handlungsfähigkeit erworben wurde.

Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?

Menschen mit Behinderung können auch einzelne Bestandteile eines Referenzberufs feststellen lassen und darüber einen Bescheid mit teilweiser Vergleichbarkeit zum Referenzberuf erhalten.
Für Menschen mit Behinderung nach Paragraf 2 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch IX gelten zusätzliche Regelungen:
  • Es kann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die gesundheitliche Einschränkung auf die Kompetenzfeststellung auswirkt.
  • Es kann ein Antrag auf eine Verfahrensbegleitung gestellt werden.
Wenn aufgrund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit:
  • Es ist ein Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit möglich.
  • Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für die Antragsstellung entfällt.
  • Der Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit kann zusätzlich auch eine überwiegende oder vollständige Vergleichbarkeit mit einer Referenzausbildungsregelung gem. *Paragraf 66 Berufsbildungsgesetz/ Paragraf 42r Handwerksordnung* ausweisen, sofern diese bundeseinheitlich geregelt ist.