EuGH Urteil zum Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beurteilte am 17.11.2024 im o.g. Fall das Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft weit pragmatischer im Sinne der Kreislaufwirtschaft, als dies deutsche Gerichte in der Regel tun.
Im Fall des österreichischen Bauunternehmens Porr, das von Landwirten angefragt wurde, Bodenaushub für die Bodenrekultivierung zu liefern, hatte der EuGH entgegen der österreichischen Behörde entschieden, dass es sich bei dem Bodenaushub um ein Nebenprodukt handeln könnte und dieser das Abfallende durch Qualitätsprüfung erreichen kann (EuGH, Urteil vom 17.11.2022 – C-238/21 („Porr“)).https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/__3.html
Wie ist der EuGH zu dieser Beurteilung gekommen?
Die Abfalldefinition nach österreichischem Recht ist der deutschen Regelung der AbfRRL und der des §3 KrWG sehr ähnlich. Zur Definition als Abfall liegt auch in der österreichischen Regelung der Entledigungswille zugrunde. Der Bodenaushub wurde im vorliegenden Fall deshalb auch als Abfall bewertet, denn das Material behinderte den Bau und der Bauunternehmer wollte sich dessen entledigen.
Der EuGH argumentierte jedoch, dass zu prüfen sei, ob das Material tatsächlich eine „Last“ darstellt und ein Entledigungswille besteht. Durch die vorherige Anfrage der Landwirte und die Zusage entsprechende Lieferzusage des Bauunternehmers, könnte es sich um ein Nebenprodukt handeln. Ein klassischer Entledigungswille könnte in diesem Falle nicht bestehen.
Der EuGH prüfte diese Einstufung als Nebenprodukt bzw., falls es sich nicht um ein solches handelt, ob zumindest das Ende der Abfalleigenschaft eingetreten sei.
Wie im deutschen Recht, führt auch in Österreich erst die tatsächliche Verwendung als Substitut von Rohstoffen zum Ende der Abfalleigenschaft (die Vorbereitung zur Wiederverwendung genügt nicht). Zudem müssen auch Formalkriterien (Dokumentationspflichten, etc.), die nicht den Umweltschutz betreffen, erfüllt sein.
Der EuGH argumentierte an dieser Stelle jedoch: Wenn die Wiederverwendung von Bodenaushub keine Vorbehandlung erfordert, kann seine Abfalleigenschaft auch schon durch eine bloße Qualitätsprüfung enden – nicht erst durch die tatsächliche Verwendung! Eine Verneinung des Endes der Abfalleigenschaft nur aufgrund für den Umweltschutz irrelevanter Formalkriterien kann Zielen der AbfRRL (Abfallhierarchie, Förderung von Verwertung und Wiederverwendung, Kreislaufwirtschaft) entgegenlaufen!
Kurzgesagt: Weniger Kreislaufwirtschaft, die nur durch bürokratische Hürden entsteht, kann nicht im Sinne der AbfRRL sein!
Der EuGH zieht das Fazit, dass Bodenaushub nicht notwendigerweise Abfall ist. Er kann auch Nebenprodukt sein! Selbst wenn der Bodenaushub aufgrund des Entledigungswillens zunächst Abfall wird, kann er unter Umständen durch eine bloße Qualitätsprüfung auch schon vor dem Wiedereinbau wieder zum Produkt werden!
Diese Auslegung des Abfallrechts im Sinne der Förderung der Kreislaufwirtschaft durch den EuGH ist sehr zu begrüßen!
Da EuGH-Entscheidungen grundsätzlich für den gesamten EU-Binnenmarkts gelten, könnte das Urteil zu einer klaren Verbesserung der Situation in Deutschland beitragen. Voraussetzung ist jedoch, dass der zugrundeliegende Sachverhalt vergleichbar ist und auch die rechtliche Situation mit der im beurteilten Fall zugrundeliegenden Rechtslage (hier der Rechtslage in Österreich) vergleichbar ist. Im Porr-Fall ist das Ergebnis aufgrund der starken Analogie des österreichischen und deutschen Abfallrechts direkt übertragbar.
Zum dargestellten Fall wurde ein Rechtsgutachten vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., des Deutschen Abbruchverbands e.V. und der Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe e.V. in Auftrag gegeben. Es betrachtet die Hintergründe und Abgrenzungskriterien hinsichtlich der Einstufung als Nebenprodukt und des Erreichens des Abfallendes sowie zur Übertragung auf Recycling-Baustoffe. Die Kurzfassung des Gutachtens kann hier heruntergeladen werden.