Lausitz braucht Tempo beim Netzausbau

Rund 100 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung diskutierten am 9. September in der IHK Cottbus mit Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller über die Netzentwicklungsplanung für Strom, Gas und Wasserstoff. Klar wurde: Die Lausitz produziert schon heute mehr grünen Strom, als sie verbraucht – doch ohne leistungsfähige Netze und die geplante Wasserstoffpipeline („Lausitz-Banane“) bleibt dieses Potenzial ungenutzt. Müller betonte, die Energiewende brauche „Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit als Leitplanken“ und kündigte die finale Entscheidung über das Wasserstoff-Kernnetz für den Herbst an.
Bundesnetzagentur(BNA)-Präsident Klaus Müller beschrieb seine Behörde als „Maschinenraum“ des Wirtschaftsministeriums. Dort würden die großen Netzausbauprojekte geplant und umgesetzt. „Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sind die beiden Leitplanken, an denen wir uns orientieren.“ Der Netzentwicklungsplan sei dafür das zentrale Instrument: Alle zwei Jahre würden Szenarien überprüft und angepasst. Neu sei die integrierte Betrachtung von Strom und Gas/Wasserstoff – Energieträger, die sich nicht mehr getrennt denken ließen.
Mit Blick auf die Lausitz betonte Müller: „Hier wird schon heute mehr grüner Strom produziert, als verbraucht. Das ist eine Chance, bringt aber nur dann echte Perspektiven, wenn die notwendigen Netzinfrastrukturen entstehen.“
Moderiert von IHK-Geschäftsführer André Fritsche und Prof. Dr. Mario Ragwitz vom Fraunhofer IEG diskutierten auf dem Podium Klaus Müller (Bundesnetzagentur), Thomas Merker (LEAG), Dr. Stephan Lowis (EnviaM), Martin Beckmann (Enertrag), Dr. Ben Schüppel (Reflau) und Norbert Krüger (Amt Peitz). Ziel war es, die Erwartungen der Wirtschaft und Herausforderungen der Wirtschaft an die Bundesnetzagentur klar zu formulieren und praxisnah zu diskutieren.
In der Talkrunde forderten die Vertreter von LEAG, EnviaM, Enertrag, Reflau und dem Amt Peitz mehr Verbindlichkeit, schnellere Verfahren und klare Regeln: von dynamischen Netzentgelten über Prioritäten beim Netzanschluss bis hin zur Rolle der “Lausitz-Banane”.
Hauptgeschäftsführer André Fritsche „Die Lausitz ist seit über einem Jahrhundert Energieregion – und sie will es bleiben. Schon das Gaskombinat Schwarze Pumpe hat einst die DDR mitversorgt, heute hängen rund 14.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze direkt und indirekt an der Energieerzeugung.
Für den Erfolg braucht es mehr Markt – und mehr Verbindlichkeit. Wir haben viele Ansätze gehört, jetzt kommt es darauf an, Tempo aufzunehmen und die Weichen zu stellen. Die IHK Cottbus steht als Partnerin der Region bereit, diesen Weg aktiv zu begleiten.“

Impulse aus der Diskussion

Enertrag-Jurist Martin Beckmann brachte es prägnant auf den Punkt: „Ein klares Ja zu dynamischen Netzentgelten – wegen der Steuerungswirkung.“
Klaus Müller bestätigte, dass die Reform AGNES* bis 2026 abgeschlossen sein soll. Speicher seien ein Schlüssel, aber nur dann sinnvoll, wenn Standort und Fahrweise passen: „Wer morgens lädt und mittags bei voller Sonne wieder einspeist, verursacht Stress im Netz – und Kosten.“
EnviaM-Chef Stephan Lowis sprach offen von „Bauchschmerzen“: „Wir reden über Milliardeninvestitionen. Das geht nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen – und aktuell passen sie nicht.“ Klaus Müller konterte, die Behörde sei auch „Hüter der Netzkunden“. Man müsse verhindern, dass Energie unbezahlbar werde.
LEAG-Finanzvorstand Thomas Merker warnte vor einem „Batterie-Tsunami“. Hunderte Anschlussanfragen stapelten sich – viele davon spekulativ. „Wir brauchen eine klare Prioritätenliste und praktikable Baukostenzuschüsse. Zwei Jahre Sortieren kann sich die Volkswirtschaft nicht leisten.“ Der BNA-Chef bestätigte die Problemlage, sah aber die Politik in der Pflicht, gesetzliche Kriterien festzulegen.
Dr. Ben Schüppel, Geschäftsführer des Referenzkraftwerks Lausitz (RefLau), kritisierte den EU-Rechtsrahmen scharf: „Das ist einfach bekloppt. Wir bauen massiv Erneuerbare aus – und für die Elektrolyse sollen wir noch einmal zusätzlich bauen.“ Er plädierte für mehr Flexibilität und für die Nutzung von Erfahrungen aus Reallaboren. Müller zeigte Verständnis, betonte aber, dass viele Hürden auf EU-Ebene lägen.
Klaus Müller „In der Lausitz wird schon heute mehr grüner Strom erzeugt als verbraucht. Das ist eine große Chance – aber nur dann, wenn auch die Infrastruktur für Strom und Wasserstoff entsteht. Die geplante Pipeline, die Lausitz-Banane, ist dafür ein Symbol. Ohne klaren Vorhabenträger bleibt sie ein Strich auf der Landkarte. Im Herbst fällt die Weichenstellung – dann wird sich zeigen, ob die Region beim Hochlauf vorne liegt.“

Kernnetz ist die Autobahn

Zentral war die geplante Wasserstoffpipeline von Berlin über Eisenhüttenstadt in die Lausitz. Ohne sie, so der Tenor, fehle die Grundlage für Wasserstoff-Kraftwerke und industrielle Ansiedlungen. Klaus Müller verglich: „Das Wasserstoff-Kernnetz ist die Autobahn – das Einsammeln muss über regionale Netze erfolgen.“ Die finale Festlegung des Kernnetzes stehe im Herbst 2026 an. Erst dann werde klar, ob die Lausitz angebunden wird und wer den Bau verantwortet.
Fazit: Praxisnah und fordernd
Die Talkrunde war intensiv, dicht an der Realität und zeigte die Spannungsfelder offen auf. Konsens herrschte darin, dass Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz zusammen gedacht werden müssen – und dass Geschwindigkeit entscheidend ist.
Mit Blick auf die „Lausitz-Banane“ brachte BNA-Präsident Klarheit: Im Oktober fällt die Entscheidung. Erst dann zeigt sich, ob die Region beim Wasserstoffhochlauf vorne mit dabei ist – oder abgehängt wird.
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*AGNES steht für "Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom". Dahinter verbirgt sich ein offizielles Reformverfahren der Bundesnetzagentur, das darauf abzielt, das bestehende Strom-Netzentgeltsystem grundlegend zu modernisieren. Es sorgt dafür, dass die Netzentgelte zur Energiewende passen – mit zunehmender Dezentralisierung, mehr erneuerbarer Einspeisung und gestiegenen Anforderungen an Flexibilität im Netz.

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