PM 18 | 08.02.2022

Erneuter Rückschlag für die Konjunktur

Konjunkturumfrage der sächsischen IHKs zum Jahresbeginn 2022

Die Konjunktur im Freistaat Sachsen muss zum Jahresbeginn 2022 einen erneuten Rückschlag hinnehmen. Nach einem robusten zweiten und dritten Quartal im Vorjahr schwächte sich die Entwicklung aufgrund des Corona-Infektionsgeschehens ab Spätherbst wieder deutlich ab. Hauptursächlich hierfür sind coronabedingte Einschränkungen, Personalausfälle sowie Lieferengpässe und Preissteigerungen.
Der IHK-Geschäftsklimaindex (siehe Abbildung) macht den erneuten Rückschlag für die Konjunktur der sächsischen Wirtschaft deutlich. Vor allem aufgrund der zuletzt wieder deutlich schlechteren Lageeinschätzungen geht der Index von 122 Punkten im Herbst 2021 auf aktuell 111 Punkte zurück, steht damit aber 17 Punkte über dem Wert vom Jahresbeginn 2021.
Diagramm
So das Ergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, an der sich im Zeitraum vom 13.12.21 bis 13.01.22 1.767 Unternehmen aus Industrie, Baugewerbe, Einzel- und Großhandel, Dienstleistungen, Verkehr sowie Gast- und Tourismusgewerbe mit mehr als 92.500 Beschäftigten beteiligt haben.

Geschäftslage und Erwartungen

Die Geschäftslage der sächsischen Unternehmen verschlechtert sich im Vergleich zur Herbstumfrage 2021 deutlich. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebeurteilungen sank von 42 auf 24 Punkte, liegt damit aber immer noch über den sieben Punkten vom Jahresbeginn 2021. Trotz Rückgängen in allen Wirtschaftsbereichen wirken die Industrie, die Bereiche des Dienstleistungssektors, die Bauwirtschaft und der Großhandel stützend auf die Lageeinschätzungen, während der Einzelhandel, das Verkehrsgewerbe und ganz besonders der touristische Bereich deutlich unterdurchschnittliche Bewertungen abgeben.
Die Ertragslage der Unternehmen verschlechtert sich leicht gegenüber Herbst 2021, ist aber stabiler als vor einem Jahr. Zwei von zehn Unternehmen wirtschaften derzeit mit Verlust, vor einem Jahr waren es noch 30 Prozent. Die Hälfte arbeitet mit Gewinn (Vorjahr: 43 %), die restlichen 30 Prozent kostendeckend (Vorjahr: 29 %). Auch die Finanzlage ist weniger angespannt als vor einem Jahr. Knapp zwei Drittel berichten von einer unproblematischen Situation, zu Jahresbeginn 2021 war es nur die reichliche Hälfte. Knapp drei Prozent fürchten eine drohende Insolvenz. Das ist halb so viel wie vor einem Jahr. Besonders betroffen ist hierbei der touristische Sektor.
Die Geschäftserwartungen der Unternehmen sind von zahlreichen Unsicherheiten gekennzeichnet, wie z. B. Corona-Einschränkungen, Lieferengpässe oder Kostensteigerungen, und werden daher wieder vorsichtiger beurteilt. Dennoch sinkt der Ausblick der Unternehmen nicht so stark wie die Lagebeurteilungen.
Über alle Wirtschaftsbereiche hinweg gehen mit 20 Prozent genauso viele Unternehmen von einer Lageverbesserung aus wie von einer Verschlechterung. Der Saldo beträgt demnach Null. Zum Jahresbeginn 2021 lag der Saldo noch bei -17 Punkten, jedoch waren die Unternehmen im Herbst 2021 bereits schon deutlich optimistischer. Gegenüber dieser Erhebung verschlechtern sich die Prognosen in allen Wirtschaftsbereichen (außer im Verkehrsgewerbe). Am stärksten fallen die Rückgänge im Gast- und Tourismusgewerbe (um -32 Punkte) und im Einzelhandel (um ‑16 Punkte) aus.

Investitionen, Beschäftigung, Risiken

Das Investitionsengagement gibt vor dem Hintergrund verhaltener Erwartungen gegenüber dem Herbst 2021 zwar etwas nach, stellt sich aber freundlicher als vor einem Jahr dar. 62 Prozent wollen ihre Investitionen steigern bzw. in gleicher Höhe fortführen (Jahresbeginn 2021: 53 %). Die aktuellen Unsicherheiten beeinträchtigen zwar das Investitionsgeschehen, dennoch erfordern Ersatzbeschaffungen, eine höhere Nachfrage, steigende Arbeit-, Rohstoff- und Energiekosten sowie erhöhte Umweltstandards auch weiterhin Investitionen.
Die Investitionsgründe werden mit 71 Prozent von Ersatzbeschaffungen dominiert, es folgen Rationalisierungsmaßnahmen, Produkt- und Verfahrensinnovationen, Kapazitätserweiterungen und Maßnahmen zum Umweltschutz bzw. zur Energieeffizienz.
Nach den Angaben der aktuellen Konjunkturbefragung erhöhte knapp ein Fünftel der Unternehmen im Jahr 2021 ihre Mitarbeiterzahl. 58 Prozent hielten sie konstant, wohingegen ein knappes Viertel Personal abbaute bzw. verlor. Die Personalnachfrage dürfte jedoch 2022 wieder anziehen. Der Saldo der Personalplanungen ist mit sieben Punkten positiv. 22 Prozent aller Befragten beabsichtigen, in den kommenden 12 Monaten zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen, 15 Prozent rechnen mit Personalabnahme.
Starke Bewegung gibt es bei der Risikobewertung. Sämtliche Kostenfaktoren haben im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt. Das größte Geschäftsrisiko stellen demnach die Energiekosten dar (60 %), dicht gefolgt vom Fachkräftemangel (59 %), der weiter an Bedeutung gewonnen hat und inzwischen größere Sorgen bereitet als vor der Corona-Pandemie. Die Arbeitskosten (54 %) folgen auf Platz drei des Risikoradars.
Bild
Insbesondere die Planungen der Bundesregierung, den flächendeckenden Mindestlohn auf 12,- Euro zu erhöhen, aber auch die lohnwirksamen Folgen des Fachkräftemangels und die Auswirkungen der Inflation auf die Gehälter bereiten Kopfzerbrechen. Dagegen fallen die Inlandsnachfrage (36 %) und die Auslandsnachfrage (10 %) spürbar in der Risikowahrnehmung zurück

Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

Die Sächsischen Industrie- und Handelskammern richten folgende Forderungen an die Politik:
  • Corona-Politik nachvollziehbar machen, Beschränkungen schrittweise aufheben

    Es ist zwingend auf rationale, regional gleiche und mit angemessenem zeitlichen Vorlauf umsetzbare Vorgaben zu achten. Die staatlich verfügten wirtschaftlichen Einschränkungen müssen aufgehoben werden, wenn die sich aktuell abzeichnende geringere Belastung des Gesundheitssystems anhält.
     
  • Kostenexplosion bei Strom und Gas abfedern

    Die Politik muss ihren Beitrag zu einer schnell wirkenden Reduzierung der Energiekosten für die Unternehmen leisten. Dazu gehört, die angekündigte Abschaffung der EEG-Umlage auf 2022 vorzuziehen, die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu senken und die auf den Energiebezug fällige Umsatzsteuer temporär zu reduzieren.
     
  • Update der Planungen für den Strukturwandel in den Kohleregionen

    Wenn der Braunkohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden sollte, bedarf es schleunigst einer Neuausrichtung der ursprünglichen Planung für den Strukturwandel. In kürzerer Zeit müssen mehr der zur Verfügung stehenden Mittel vor Ort in den Revieren ankommen, um eine rechtzeitige Umgestaltung der regionalen Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen sicherzustellen. Unternehmensprojekte müssen künftig ebenfalls mit Mitteln aus dem Strukturstärkungsgesetz gefördert werden können.
     
  • Mindestlohn bedacht und stufenweise anheben

    Angesichts der Anhebung des Mindestlohns zu Jahresbeginn sowie massiver Kostensteigerungen (z. B. Rohstoffe, Energie und Logistikleistungen) wäre bei einer kurzfristigen Mindestlohnerhöhung auf 12,- Euro zum 1. Oktober 2022 die Belastungsgrenze vieler Unternehmen überschritten. Der Mindestlohn muss daher bedacht und stufenweise über die Legislaturperiode hinweg gesteigert werden.
     
  • Sächsische Außenwirtschaftsstrategie zukunftsfest machen

    Mit Blick auf die geostrategischen, ökonomischen und aus der Corona-Pandemie hervorgegangenen globalen Veränderungen und Herausforderungen ist die in diesem Jahr zur Evaluation anstehende Sächsische Außenwirtschaftsstrategie auf die neuen Gegebenheiten anzupassen und im Sinne der sächsischen Wirtschaft fortzuschreiben.
     
  • Investitionen in Infrastruktur sicherstellen

    Die sächsische Staatsregierung muss noch 2022 die erforderlichen Haushaltsmittel zur Co-Finanzierung des Bundesprogramms „Graue Flecken“ beim Breitbandausbau bereitstellen, um nicht den Verlust der Bundesmittel zu riskieren und die ländlichen Regionen weiter ins Hintertreffen zu bringen.

    Mit Blick auf den maroden Zustand vieler kommunaler Straßen und den vorhandenen Planungs- und Investitionsstau muss die Staatsregierung für die künftige Finanzierung verlässliche Grundlagen schaffen. Gleiches gilt für die Umsetzung der Ausbau- und Erhaltungsstrategie 2030 im Rahmen des Staatsstraßenbaus.   

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