Sicherer Umgang mit Betreiberpflichten

Rechtliche Grundlagen

Grundsätzlich gilt: Den beiden vom Gesetzgeber vorgegebenen Schutzzielen:
  • Schutz der persönlichen Rechtsgüter
  • Schutz der Umwelt
muss der Betreiber unbedingt Rechnung tragen.

Wer ist „Betreiber“?

Betreiber ist gemäß EU-Definition jede natürliche oder juristische Person, die eine Anlage betreibt oder besitzt oder dem – sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen – die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über den technischen Betrieb der Anlage übertragen wurde (1999/13/EG). In diesem Sinne sind private, öffentliche und halböffentliche Eigentümer als Betreiber zu betrachten. Der Betreiber trägt die Verantwortung und haftet gleichzeitig im Schadensfall bei Nichteinhaltung einer Vorschrift.

Verpflichtende Gesetze und Verordnungen

Sowohl für Betreiber als auch Facility Management Dienstleister, gelten im Rahmen der Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten konkrete technische und gesetzliche Verantwortlichkeiten. Beispielsweise gilt für jeden Betreiber technischer Anlagen eine direkte Informations-, Nachweis- und Dokumentationspflicht. Die Informationspflicht besteht dabei z. B. im Vorhalten entsprechender Dokumentationen zur Funktionsweise von technischen Anlagen oder bei der Überprüfung einer sicherheitsrelevanten technischen Anlage durch einen Sachverständigen.  Die Nachweispflicht bezieht sich hier auf die Dokumentation von durchgeführten Wartungen oder Überprüfungen z. B. durch den TÜV oder andere Sachverständige/Sachkundige. Die Dokumentationspflicht schließlich bezieht sich vor allem auf die unternehmensinterne Installation eines Delegations-, Anweisungs- und Nachweissystems im Umgang mit den Betreiberpflichten.
Daneben gilt es weitere Pflichten zu beachten: Die Verkehrssicherungspflicht zum Beispiel, kommt immer dann zur Anwendung, wenn besondere Gefahrenquellen bestehen. Gemäß geltender Rechtsprechung wird der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht regelmäßig durch technische Regelwerke und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert. So stellt etwa § 15 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sicher, dass der Betreiber einer technischen Anlage diese in bestimmten Fristen wiederkehrend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand hinsichtlich des Betriebs durch eine zugelassene Überwachungsstelle zu überprüfen hat.

Informationspflicht

Die Informationspflicht ist insbesondere bei sicherheitsrelevanten Anlagen von Bedeutung. So ist ein Sachverständiger bei der Prüfung einer Anlage beispielsweise angehalten, eine sicherheitsrelevante Feststellung dem Anlagenbetreiber regelmäßig schriftlich zur Kenntnis geben und ihn so zur Mängelabstellung auffordern.
Der Betreiber der Anlage widerum tut gut daran, diese Mängelabstellung durch geeignete Protokolle nachzuweisen. Damit ist der Übergang zur Nachweispflicht gegeben.

Nachweispflicht: eine Frage der Schuld

Hierbei wird im Zuge der Beweislastumkehr für den Schadensfall dem Betreiber ein Schuldvorwurf zugeordnet, von dem sich der Betreiber entlasten (exkulpieren) muss und durch dokumentierte und strukturierte Prozesse nachzuweisen hat, (Nachweispflicht) dass ihm keine Schuld anzulasten ist.
Der Nachweispflicht sollte ein Betreiber folglich nicht erst dann Aufmerksamkeit schenken, wenn ein Schadensfall eingetreten ist. Vielmehr muss eine strukturierte Dokumentation schon viel früher, also möglichst mit der Entscheidung für den Betrieb einer technischen Anlage beginnen.

Wer schreibt, der bleibt: Dokumentationen können entlasten.

Neben der Durchführung von Prüfungen, ist auch deren Dokumentation erforderlich. Um hier stets auf der rechtssicheren Seite zu sein, ist eine geeignete organisatorische Struktur, die die Aktualität der technischen Normen und anzuwendenden Vorschriften sicherstellt und die Durchführung der Prüfungen verbindlich festlegt, hilfreich. Nur anhand der Dokumentation lässt sich im konkreten Schadensfall eindeutig nachvollziehen, ob und inwieweit der Betreiber zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Dokumentation dient hierbei insbesondere der Schuldentlastung (Exkulpation), also der Abwehr der Beschuldigung und damit der Abwehr von Rechtsfolgen. Konkret bedeutet dies: Mit Hilfe der Dokumentation kann der Betreiber nachweisen, das er alle vorgeschriebenen Pflichten erfüllt und alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Delegieren – aber richtig!

Der Delegation von Betreiberpflichten kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch in der Praxis üblich. Dem Delegierenden (dem Anlagenbetreiber) sollte jedoch bewusst sein, dass es für eine wirksame Delegation einige rechtliche Voraussetzungen zu beachten gilt. Immerhin verbleibt ein Teil der Verkehrssicherungspflicht beim Delegierenden. Ihm obliegen auch weiterhin bestimmte Auswahl- und Überwachungspflichten.
Die Auswahl- und Überwachungspflichten sind in der GEFMA Richtlinie 190 aufgeführt. Welche Pflichten hierbei bestehen und welche Maßnahmen für eine wirksame Delegation zu treffen sind, wird im folgenden Teil des Artikels thematisiert.

Delegation und Dokumentation

Der folgende Beitrag führt aus, wie eine rechtssichere Delegation und Dokumentation der Betreiberpflichten idealerweise erfolgen sollte.

Rechtssichere Delegation

Grundsätzlich sind hierfür die Ausführungen der GEFMA Richtlinie 190 maßgeblich. Sie beinhaltet u. a.  Regeln für eine wirksamen und haftungsbefreiende Delegation, u. a.:
  • Klare, eindeutige Definition der zu übertragenden Pflichten
  • Sorgfältige Auswahl geeigneter Führungskräfte/Beschäftigter/Dienstleister
  • Ausstattung des Verpflichteten mit erforderlichen Mitteln und Befugnissen
  • Ausreichende Ein-/Unterweisung des Verpflichteten
  • Laufende Aufsicht/Überwachung.
In einer fehlerhaften oder unzureichenden Delegation schlummern Risiken. Eine unzureichende Delegation kann schlimmstenfalls sogar unwirksam sein, das Risiko der Haftung im Schadensfall liegt dann unmittelbar beim Betreiber der technischen Anlage.
Als Konsequenz aus dem Haftungsrisiko ergeben sich Schadensersatzforderungen z. B. wegen Pflichtverletzungen oder aus unerlaubten Handlungen.
Die nachfolgende Übersicht zeigt mögliche Rechtsfolgen auf:
 
mögliche Rechtsfolgen
 
 
für Unternehmen
für Personen
arbeits-/disziplinarrechtlich
-
Verweis, Abmahnung, Versetzung, Kündigung
zivilrechtlich
Schadensersatz ggü. geschädigten Dritten
Regress  eines Dienstleisters ggü. dem Auftraggeber
Schadensersatz ggü. geschädigten Dritten

Regress ggü. eigenem Unternehmen
Regress ggü. der Unfallversicherung
ordnungsrechtlich
Bußgeld
Bußgeld
strafrechtlich
-
Geldstrafe
Freiheitsstrafe
Berufsverbot
öffentlich-rechtlich
Nutzungsverbot
Stilllegung
-
sonstige
Verlust Versicherungsschutz
Verlust Versicherungsschutz
Ein Beispiel aus der Praxis soll die Risiken aus einer fehlerhaften Delegation verdeutlichen:
Bei der Sanierung der Hauptstelle einer Bank wird der Filialleiter zum Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) ernannt, eine entsprechende Ausbildung erhält der Filialleiter nicht. Es kommt zum Schadensfall. Die Geschäftsleitung meint nun, dass der SiGeKo mit seiner Planung und Koordinierung den Schadensfall hätte verhindern müssen. In diesem Fall haftet auch die Geschäftsleitung mit, da der SiGeKo nicht die erforderliche Qualifizierung und Sachkunde hatte.

Dokumentation

Für die Schuldentlastung (Teil 1 Stichwort „Exkulpation“) spielt eine ordnungsgemäße Dokumentation eine entscheidende Rolle. Die Schuldentlastung ist dabei eine Rechtfertigung zur Abwehr einer Beschuldigung und damit von Rechtsfolgen. Die Schuldentlastung kann erfolgen durch den Nachweis, dass
  1. alle vorgeschriebenen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt wurden
  2. alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen und umgesetzt wurden
  3. trotzdem ein Schaden entstanden ist.
Kann dieser Nachweis nicht oder nur teilweise angetreten werden, liegt ein Haftungsfall vor. Ohne eine lückenlose Dokumentation sind Probleme bei der Schuldentlastung vorgezeichnet. Aus den vorgenannten Schwerpunkten lassen sich die folgenden Möglichkeiten für eine Entlastung ableiten:
  • Nachweis einer lückenlosen und widerspruchsfreien Aufgabenverteilung im Unternehmen
  • Zweifelsfreier Nachweis der Delegation an Mitarbeiter oder Dienstleister
  • Nachweis der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl der Mitarbeiter oder Dienstleister
  • Nachweis der ausreichenden Qualifikation und Eignung der ausführenden Mitarbeiter oder Dienstleister
  • Nachweis der ausreichenden Einweisung und Überwachung der Durchführung
  • Nachweis, dass ein Schaden auch bei der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt eingetreten wäre.
In jedem Fall sollte der lückenlose Nachweis der vom Gesetzgeber geforderten Dokumente jederzeit möglich sein. Dazu gehören nachweisende und anweisende Dokumente. Zu den anweisenden Dokumenten zählen beispielsweise:
  • Arbeits- oder Betriebsanweisungen für den Umgang mit Arbeitsmitteln nach BetrSichV 
  • Flucht- und Rettungspläne
  • Brandschutzordnung
  • Feuerwehrpläne
  • Alarmpläne
  • Zutreffende Unfallverhütungsvorschriften (UVV).
Nachweisende Dokumente sind zum Beispiel:
  • Aufzeichnungen über festgelegte Maßnahmen des Arbeitsschutzes
  • Aufzeichnungen über durchgeführte gesetzliche Prüfungen
  • Aufzeichnungen über durchgeführte Gefährdungsbeurteilungen
  • Prüfbescheinigungen
  • Organisationspläne, Organigramme, Stellenpläne, Tätigkeitsbeschreibungen
  • Aus- und Weiterbildungsnachweise
  • Nachweis der Übertragung von Pflichten über den Arbeitsvertrag hinaus (Übertragungsdokumente oder Bestellungsurkunden)
  • Nachweise zur Eignung des Dienstleisters (Zertifikate, Nachweis der Fachkunde) .
Um eine ordnungsgemäße Dokumentation der Betreiberpflichten sicherzustellen, kann eine maßgeschneiderte IT-Lösung zum Einsatz kommen. So lassen sich systematisch Betreiberpflichten für einzelne technischen Anlagen  abbilden und der Nachweis der aufgeführten Dokumente oder weiteren Prüfungshandlungen gewährleisten.
Autor:
Jörg Fritzsche
Berater/Projektmanager, P3N Beratungs AG
Tel.: 0375/3532953-0
Stand: 08.09.2015