Die Selbstanzeige - Der (un)bequeme Weg der Steuerehrlichkeit

I. Einleitung
Die Möglichkeit, in Fällen von Steuerhinterziehungen Straffreiheit zu erlangen, gab es in Deutschland bereits vor dem Jahr 1900. Rund 20 Jahre später wurde dann erstmalig eine allgemeine Vorschrift über die Straffreiheit eingeführt, die in der Folgezeit vielfach geändert wurde. Mitte 2011 trat dann das sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in Kraft, welches vor allem die Anforderungen an die Selbstanzeige erheblich verschärfte.
Sich selbst anzuzeigen um dann in den Genuss eines persönlichen Strafausschließungsgrundes zu kommen ist eine Besonderheit des Steuerstrafrechts. Das übrige Strafrecht hält einen solchen Weg nicht bereit.
Die Rechtfertigung und der Zweck der Selbstanzeige sind bis heute umstritten. Seit über 100 Jahren wird angeführt, dass dem Steuerpflichtigen eine „goldene Brücke zurück zur Steuerehrlichkeit“ gebaut sein müsse. Doch auch fiskalische Interessen haben im Rahmen der Rechtfertigung des Rechtsinstitutes mit Blick auf die defizitären öffentlichen Haushalte erhebliches Gewicht. Manche behaupten sogar, sie seien der Hauptgrund.

II. Voraussetzungen
Das Gesetz bestimmt, dass derjenige nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft wird, der gegenüber dem Finanzamt zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, ergänzt oder nachholt. Hieraus werden folgende Voraussetzungen abgeleitet:
1. Vollständigkeitsgebot
Zunächst müssen die falschen Angaben bezogen auf eine Steuerart (also nicht steuerartenübergreifend) vollumfänglich berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden. Das in 2011 neu eingeführte Vollständigkeitsgebot führt dazu, dass zuvor noch mögliche Teil-Selbstanzeigen keine strafbefreiende Wirkung mehr entfalten. Es ist also sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass eine abgegebene Selbstanzeige vollständig und richtig ist.
Achtung: Die Finanzgerichte fordern eine so vollständige Darstellung, dass das Finanzamt in der Lage ist, ohne langwierige, eigene Nachforschungen den Sachverhalt festzustellen und die Steuer richtig festzusetzen. In der Praxis bedeutet dies oft erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere, wenn umfangreiche Börsen- und Devisenspekulationen zugrunde liegen. Dies gilt auch, wenn es auf Grund unvollständiger Unterlagen der letzten 10 Jahre nahezu unmöglich erscheint, alle erforderlichen Angaben für das Finanzamt lückenlos aufzuklären.
Das Vollständigkeitsgebot macht die Selbstanzeige so gefährlich, wie der Fall Hoeneß zu zeigen scheint.
2. Zeitlicher Rahmen
Die Wirksamkeit der Selbstanzeige hängt davon ab, dass die die jeweilige Steuerart betreffenden Sachverhalte aller noch nicht verjährten Zeiträume berichtigt werden. Hier ist zu prüfen, ob eine lediglich „einfache“ oder eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vorliegt. Denn bei der einfachen Hinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 5, bei der schweren Steuerhinterziehung 10 Jahre.
Achtung: Die Prüfung, wie viele Jahre im Rahmen der Selbstanzeige nachträglich erklärt werden müssen, sollte wegen der schwierigen Rechtslage und der möglicherweise weitreichenden Konsequenzen einer nicht vollständigen Selbstanzeige nur eine im Steuerstrafrecht kundige Person vornehmen.
3. Entrichtung der hinterzogenen Steuern
Wurden Steuervorteile bereits erlangt, tritt Straffreiheit nur ein, wenn der Steuerpflichtige die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

III. Ausschlussgründe
Achtung: Die Abgabenordnung kennt einige Ausschlussgründe, also Konstellationen, in denen keine Straffreiheit eintritt.
1. Prüfungsanordnung, Verfahrenseinleitung und Erscheinen eines Amtsträgers
Wurde dem Steuerpflichtigen bereits eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben, so entfaltet eine danach erstattete Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung. Dasselbe gilt, wenn ein Finanzbeamter schon zu einer steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist.
Der Ausschlussgrund der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung hat durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eine erhebliche Verschärfung erfahren. Denn zuvor war die Strafbefreiung nur nach Erscheinen eines Amtsträgers ausgeschlossen („Fußmattentheorie“). Dem Steuerpflichtigen ist es somit nach jetziger Rechtslage nicht mehr möglich, die Selbstanzeige unmittelbar vor Beginn der Außenprüfung zu erstatten.
2. Tatentdeckung
Straffreiheit tritt nicht ein, wenn die Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil schon entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung damit rechnen musste. Dieser Ausschlussgrund kann zum Beispiel bei den Daten-CD`s einschlägig sein.
3. Steuerverkürzung über 50.000 €
Straffreiheit kommt zudem nicht in Betracht, wenn der erlangte Steuervorteil 50.000 € übersteigt. Auch diese Regelung wurde mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz neu eingeführt. Ihr liegt der Wille des Gesetzgebers zugrunde, Fälle mit erhöhter krimineller Energie und erhöhtem Erfolgsunrecht trotz vollständigen Umkehrverhaltens nicht mehr mit Straffreiheit zu honorieren.
Zu beachten ist allerdings, dass sich diese Grenze nur auf eine Steuerart und einen Besteuerungszeitpunkt bezieht. Bei Hinterziehung von mehreren Steuern in mehreren Besteuerungszeiträumen findet keine Addition der Beträge statt.
Zudem gilt, dass trotz Unwirksamkeit der Selbstanzeige wegen Überschreitens dieser Grenze von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen wird, wenn der Steuerpflichtige die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und zusätzlich einen Geldbetrag in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuern an die Staatskasse zahlt.
Achtung: Zu beachten ist ferner, dass Steuernachforderungen mit 6% pro Jahr verzinst werden, was zu einer zusätzlichen Belastung führt.

IV. Verfahrensrechtliche Wirkungen
Durch die Selbstanzeige schafft der Steuerpflichtige selbst einen Tatverdacht im Sinne der Strafprozessordnung. Besteht ein solcher Verdacht, so ist die Steuerfahndung verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Die strafverfahrensrechtliche Konsequenz aus der Wertung eines steuerlichen Verhaltens als Selbstanzeige führt also regelmäßig zur Einschaltung der Staatsanwaltschaft und zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Dies erfährt der Steuerpflichtige regelmäßig dadurch, dass die Staatsanwaltschaft in den frühen Morgenstunden mit Durchsuchungen der Privat- und Geschäftsräume beginnt. Dieser Eingriff in die Privatsphäre ist für die Betroffenen meist ein sehr unangenehmes, einschneidendes Erlebnis, zumal auch Haftanordnungen ergehen können.
Achtung: Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Strafbefreiung nur für Steuerstraftaten gilt. Stammen die Mittel aus einer rechtswidrigen Vortat (z.B. Schwarzgeld), wird dies im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens in vielen Fällen aufgedeckt werden. Die Wirkung als goldene Brücke kommt daher nur für Hinterziehungen unter Einsatz von weißem Vermögen oder bei strafrechtlicher Verjährung vorangegangener (häufig: Wirtschafts-) Straftaten in Frage.

V. Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bei der Erstattung einer Selbstanzeige viele Fallstricke gibt, die bekannt und sicher beherrscht sein müssen um das Ziel der Strafbefreiung auch wirklich zu erreichen. Die Selbstanzeige vereint strafrechtliche und steuerrechtliche Thematiken, die –wie die Praxis in der jüngeren Vergangenheit zeigt- ohne Hinzuziehung kompetenter Berater nicht zu beherrschen sind.
Autor:
Steuerberater Thomas Frenzel