Die Selbstanzeige - Der (un)bequeme Weg der Steuerehrlichkeit

Die Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige Straffreiheit bei Steuerhinterziehungen zu erlangen, besteht in Deutschland seit vielen Jahren. Sich selbst anzuzeigen und damit einen persönlichen Strafausschluss zu erreichen, ist dabei eine Besonderheit des Steuerstrafrechts.
Sowohl politisch als auch gesellschaftlich ist die Selbstanzeige als „goldene Brücke“ zur Steuerfreiheit jedoch nach wie vor umstritten. Die gesetzlichen Regelungen und Anforderungen an den Steuerpflichtigen werden regelmäßig geändert und verschärft, sodass dieser Weg mit vielen Risiken und möglichen negativen Folgen verbunden ist.

Voraussetzungen

Das Gesetz legt fest, dass eine Person nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft wird, wenn sie gegenüber dem Finanzamt zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart die unrichtigen Angaben vollständig berichtigt, sie ergänzt oder nachholt. Daraus ergeben sich folgende Voraussetzungen:

1. Vollständigkeitsgebot

Zunächst müssen alle falschen Angaben bezogen auf eine Steuerart (also nicht steuerartenübergreifend) vollständig berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden. Teil-Selbstanzeigen entfalten keine strafbefreiende Wirkung, deshalb ist es wichtig, dass eine Selbstanzeige vollumfänglich und richtig abgegeben wird.
Achtung: Die Finanzgerichte fordern eine so vollständige Darstellung, dass das Finanzamt ohne aufwändige Nachforschungen den Sachverhalt auswerten und die Steuer richtig festsetzen kann. In der Praxis bedeutet dies oft erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere bei umfangreichen Börsen- und Devisenspekulationen. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund unvollständiger Unterlagen der letzten 10 Jahre eine lückenlose Aufklärung erforderlicher Angaben kaum noch möglich ist.

2. Zeitlicher Rahmen

Für eine wirksame Selbstanzeige müssen alle relevanten Sachverhalte der jeweiligen Steuerart für alle noch nicht verjährten Zeiträume berichtigt werden. Hierbei ist zu prüfen, ob eine „einfache“ oder eine besonders schwere Steuerhinterziehung vorliegt. Bei einer einfachen Hinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 5 Jahre, bei einer schweren Steuerhinterziehung hingegen bis zu 15 Jahren.
Achtung: Wegen der komplexen Rechtslage und möglichen weitreichenden Konsequenzen einer unvollständigen Selbstanzeige sollte die Klärung der Verjährungsfrist von einem Fachexperten vorgenommen werden.

Übersichtstabelle: Verjährung bei Steuerhinterziehung

Festsetzungsverjährung Strafverfolgungsverjährung Zahlungsverjährung
1 oder 4 Jahre ohne Steuerhinterziehung
§ 169 Abs. 2 AO
5 Jahre leichtfertige Steuerverkürzung
§ 169 Abs. 2 S. 2 Var. 2 AO
einfache Steuerhinterziehung
§ 370 Abs. 1 AO, § 79 StGB
Steuerzahlung
§ 228 AO
10 Jahre Steuerhinterziehung
§ 169 Abs. 2 S. 2 Var. 1 AO
15 Jahre schwere Steuerhinterziehung
§ 370 Abs. 3 AO, § 376 AO

3. Entrichtung der hinterzogenen Steuern

Die Straffreiheit tritt nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige alle bereits erlangten Vorteile aus der Steuerhinterziehung innerhalb der ihm festgelegten Frist entrichtet.

Ausschlussgründe

Die Abgabenordnung kennt einige Ausschlussgründe, bei denen die Straffreiheit nicht greift.
1. Prüfungsanordnung, Verfahrenseinleitung und Erscheinen eines Amtsträgers
Eine strafbefreiende Wirkung tritt trotz einer erstatteten Selbstanzeige dann nicht ein, wenn:
  • dem Steuerpflichtigen bereits eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben wurde,
  • ein Finanzbeamter bereits zu einer steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist.
2. Tatentdeckung
Straffreiheit entfällt, wenn die Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder teilweise entdeckt war und der Täter dies wusste oder vernüftigerweise damit rechnen musste. Dieser Ausschlussgrund kann zum Beispiel bei Daten-CDs greifen.
3. Steuerverkürzung über 25.000 €
Straffreiheit tritt zudem nicht ein, wenn die verkürzte Steuer oder der nicht gerechtfertigt erlangte Steuervorteil 25.000 € je Tat übersteigt. Diese Grenze bezieht sich allerdings nur auf eine Steuerart und einen Besteuerungszeitpunkt. Bei Hinterziehung von mehreren Steuern in mehreren Besteuerungszeiträumen werden die Beträge nicht addiert.
Trotz der Unwirksamkeit der Selbstanzeige aufgrund der Überschreitung dieser Grenze wird von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, wenn der Steuerpflichtige die hinterzogenen Steuern nachzahlt und zusätzlich einen Selbstanzeigenzuschlag von 10%, 15% oder 20% - in Abhängigkeit von der Höhe der hinterzogenen Steuern - an die Staatskasse entrichtet.
Achtung: Es ist zu beachten, dass Steuernachforderungen zusätzlich mit 6% pro Jahr verzinst werden.

Verfahrensrechtliche Wirkungen

Durch die Selbstanzeige schafft der Steuerpflichtige selbst einen Tatverdacht im Sinne der Strafprozessordnung. Bei einem solchen Verdacht ist die Steuerfahndung verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Dadurch wird in der Regel die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Der Steuerpflichtige erfährt dies meistens durch Durchsuchungen seiner Privat- und Geschäftsräume in den frühen Morgenstunden. Dieser Eingriff in die Privatsphäre ist für die Betroffenen meist sehr unangenehm und kann sogar zu Haftanordnungen führen.
Achtung: Es ist außerdem zu beachten, dass die Strafbefreiung nur für Steuerstraftaten gilt. Stammen die Mittel aus einer rechtswidrigen Vortat (z.B. Schwarzgeld), wird dies im Rahmen des Ermittlungsverfahrens häufig aufgedeckt. Die Wirkung der sog. goldenen Brücke greift daher nur bei Hinterziehungen mit legalem Vermögen oder bei strafrechtlich verjährt Vortaten.

Fazit

Eine Selbstanzeige ist mit zahlreichen Fallstricken verbunden, die aufgedeckt und sicher bewältigt werden müssen, um die Strafbefreiung tatsächlich zu erreichen. Sie vereint strafrechtliche und steuerrechtliche Aspekte, die – wie die Praxis zeigt - ohne Unterstützung erfahrener Berater kaum zu beherrschen sind.