Virtuelle Möglichkeiten im Gesellschaftsrecht

In der Corona-Pandemie führten praktische Zwänge dazu, dass digitale Abstimmungsverfahren im Gesellschaftsrecht kurzfristig ermöglicht werden mussten. 
Dies erfolgte zunächst befristet für die verschiedenen Rechtsformen durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und wurden nun endgültig geregelt.
Den betroffenen Rechtformen wird somit ermöglicht, trotz der bestehenden Beschränkungen zu Versammlungsmöglichkeiten handlungsfähig zu bleiben und erforderliche Beschlüsse ohne persönliche Anwesenheit fassen zu können. Die wesentlichen Eckpunkte zur jeweiligen Rechtsform stellen wir nachfolgend dar.

Aktuelles

Aufgrund der Erfahrungen seit 2020 erfolgten Nachbesserungen, die zwischenzeitlich ihren Niederschlag im jeweiligen Fachgesetz der verschiedenen Rechtsformen gefunden haben. Am 27.07.2022 sind nun die Anpassungen für die Aktiengesellschaft und die Genossenschaft in Kraft getreten. Seit dem 01.08.2022 sind spezielle Regelungen für die GmbH in Kraft.
Teilweise können die digitalen Beteiligungsmöglichkeiten auch ohne Ermöglichung im Gesellschaftsvertrag/in der Satzung genutzt werden. Für die Aktiengesellschaft gilt dies noch für den Übergangszeitraum bis zum 31.08.2023; vgl. § 26n Abs. 1 Einführungsgesetz zum AktG.

Aktiengesellschaft (AG)

Für die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft sind die zentralen Regelungen in den §§ 118 ff. Aktiengesetz (AktG) zu finden. Im Rahmen der Satzungsbefugnis wird der AG viel Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Durchführung der Hauptversammlung eingeräumt. Z. B. kann die AG den Vorstand ermächtigen, den Aktionären eine Beteiligung an der Hauptversammlung ohne physische Anwesenheit und die Rechteausübung mittels elektronischer Kommunikation zu ermöglichen.
§ 118a AktG mit Festlegungen in Bezug auf virtuelle Hauptversammlungen wurde neu geschaffen. Diese können in der Satzung per se vorgesehen werden oder dem Vorstand wird die Befugnis eingeräumt, vorzusehen, dass die Hauptversammlung virtuell stattfindet. Für beide Varianten ist eine Befristung vorzunehmen, die maximal fünf Jahre betragen darf. Zudem werden für den Fall der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung verschiedene Voraussetzungen definiert, insbesondere
  • zur Übertragung von Bild und Ton,
  • zur Stimmrechtsausübung,
  • zur Antragstellung und Einreichung von Wahlvorschlägen sowie 
  • zu weiteren Aktionärsrechten und
  • der Zugänglichmachung von Unterlagen.
Als Folge der neuen Form der Hauptversammlung wurden auch die Regelungen zur Einberufung (§ 121 AktG), zur Antragsstellung (§ 126 AktG), zu Dokumentationspflichten der Hauptversammlung (z. B. §§ 129 Abs. 1 und 130 AktG), zu den Aktionärsrechten (z. B. §§ 130a, 131 AktG) sowie zum Anfechtungsrecht (ab § 241 AktG) überarbeitet.
Die Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung gelten wegen § 278 AktG auch für die Kommanditgesellschaft a.A.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Laut § 48 GmbHG können Gesellschafterversammlungen in Präsenz, fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, sofern dem alle Gesellschafter zustimmen. Als weitere Alternative zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung wird gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, Gesellschafterbeschlüsse in Textform (also beispielsweise per E-Mail) oder durch schriftliche Stimmabgabe zu fassen. Dies gilt mit Zustimmung aller Gesellschafter auch dann, wenn diese Verfahrensweise nicht in der Satzung vorgesehen ist. Ansonsten haben die Gesellschafter im Rahmen der Satzung/des Gesellschaftsvertrages die Befugnis, Regelungen zur Durchführung der Versammlung und Beschlussfassung zu treffen.

Genossenschaft 

Im Genossenschaftsrecht finden sich die speziellen Regelungen zu den zulässigen Formen der Generalversammlung nun in § 43b Genossenschaftsgesetz (GenG). Diese kann also optimal in Präsenz, vollständig virtuell, hybrid oder auch in einem sogenannten gestreckten Verfahren mit zwei Phasen stattfinden. 
Die Voraussetzungen für die jeweilige Variante sind dort definiert. Zudem kann die Auswahl grundsätzlich in der Satzung getroffen werden. Ist keine solche Satzungsbestimmung vorhanden, obliegt es in der Regel Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam, nach pflichtgemäßen Ermessen die anzuwendende Form auszuwählen. Ergänzend wurden die Pflichtangaben bei der Einberufung zur Generalversammlung (§ 46 GenG) sowie Regelungen zur Niederschrift  (§ 47 GenG) und zum Anfechtungsrecht (§ 51 GenG) überarbeitet.  

Sonstiges

Für die Mitgliederversammlung des Vereins liefen die Corona-bedingten Sonderregelungen zum 31.08.2022 aus. Demnach sind virtuelle Durchführungswege danach nur noch möglich mit einer entsprechenden Regelung in der Vereinssatzung.

Stand der Information:
15.12.2022