Krieg, Sanktionen und "höhere Gewalt" bei Exportlieferungen

Die EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus als Folge des Angriffs von Russland auf die Ukraine beeinträchtigen erheblich die grenzüberschreitenden Lieferbeziehungen.
Exporteure in der EU interessiert besonders, ob wegen der Sanktionen nicht mögliche Lieferungen eventuelle Schadensersatzforderungen der Kunden nach sich ziehen können.
Diese könnten ausgeschlossen sein, wenn in dem Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer eine "Force Majeure"-Klausel vereinbart wurde – was in internationalen Verträgen immer empfehlenswert ist – und ein Ereignis der "höheren Gewalt" nachgewiesen werden kann.
Das ist nach Artikel 79 des UN-Kaufrechts (CISG) dann der Fall, wenn:
  • der Hinderungsgrund außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegt,
  • nicht vorhersehbar,
  • unabwendbar und
  • ursächlich für die Nichterfüllung ist.
Alle vier Merkmale müssen vorliegen, damit eine Haftung auf Schadensersatz ausgeschlossen ist.

Die aktuellen EU-Sanktionen waren nicht vorhersehbar, unabwendbar und lagen außerhalb des Einflussbereichs des Verkäufers, stellen also ein Ereignis der höheren Gewalt dar.
Werden durch die Sanktionen im Einzelfall Lieferungen beschränkt oder verboten, liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis der höheren Gewalt und der Nichterfüllung des Vertrages vor. In solchen Fällen muss der Verkäufer seinen Käufer umgehend informieren und sich auf Vorliegen eines Force Majeure-Tatbestandes berufen, in der Regel diesen auch nachweisen.
  • Der Nachweis kann erfolgen durch eine Eigenerklärung des Unternehmens, in dem auf die Sanktionsvorschriften verwiesen wird und insbesondere begründet wird, dass das Unternehmen durch die Sanktionen an der Erfüllung seiner Lieferverpflichtungen gehindert wird.
  • Zur Unterstützung ihrer Mitgliedsunternehmen kann die Industrie- und Handelskammer (IHK) diese Eigenerklärung über Tatsachen bescheinigen, ohne eine rechtliche Bewertung vorzunehmen.
    Sie bezieht sich nur einzelne Lieferverpflichtungen, die dann wieder erbracht werden müssen, wenn der Hinderungsgrund wegfällt, führt aber in der Regel nicht zur Aufhebung oder Kündigung eines Vertrages.
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