Wasserstoffbedarf in Südwestsachsen
Die Frage nach der Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Südwestsachsen ist vielschichtig. Während im Bereich der Forschung und Entwicklung kontinuierlich an neuen Technologien und Produkten gearbeitet wird, die über Unternehmen der Region in den Markt gebracht werden können, stellt sich bei der Infrastrukturplanung immer wieder die Frage nach der Größenordnung und regionalen Verteilung des zukünftigen Bedarfs an Wasserstoff.
Im Vergleich zu anderen Regionen ist diese Frage hier allerdings schwer zu beantworten. Es fehlt an einzelnen, wirklich großen Energieabnehmern, die für sich genommen mit ihren Bedarfen bereits die Anbindung an eine überregionale Wasserstoffinfrastruktur rechtfertigen. Stattdessen ist der Kammerbezirk Chemnitz geprägt von kleineren und mittelständischen Unternehmen. Um dem zu begegnen, hatte sich bereits Anfang 2024 das Wasserstoffbündnis der Region Chemnitz formiert. Unternehmen und sonstige Akteure aus der Region bündeln unter diesem Dach ihre Bedarfe für eine gemeinsame Kommunikation gegenüber der Politik. Doch geraWasde für kleine und mittlere Unternehmen sind viele Fragen in diesem Zusammenhang nicht leicht zu beantworten: In welchen Mengen wird er gebraucht und zu welchem Zeitpunkt? Welche Anforderungen gibt es an die Infrastruktur und welche Prozesse sind überhaupt geeignet, um die Nutzung von Wasserstoff in Betracht zu ziehen?
Um diese Fragen zu beantworten, haben die IHK Chemnitz und das ITAS-Projekt im vergangenen Jahr das DBI Gastechnologische Institut gGmbH Freiberg mit der Erstellung einer Studie zur Ermittlung Bedarfs von Wasserstoff in Südwestsachsen beauftragt, wobei der Schwerpunkt ausdrücklich auf der industriellen Anwendung lag.
Für eine Erstbefragung, mittels eines Onlinefragebogens, wurden rund 400 Industrieunternehmen kontaktiert. Der Fokus lag auf Betrieben des produzierenden Gewerbes. Es konnte eine Rücklaufquote von rund 10 % erreicht werden. Bereits in dieser ersten Befragungsrunde gab jedes dritte an der Umfrage beteiligte Unternehmen an, Pläne für die Nutzung von Wasserstoff in betrieblichen Prozessen zu haben. Insgesamt ergab sich bei den Teilnehmern der Erstbefragung ein Bedarf von rund 240 GWh/a ab 2040.
Im zweiten Teil der Studie wurden die Teilnehmer der Erstbefragung nochmals nach Branchenzugehörigkeit und entsprechend ihrer Antworten in der Erstbefragung priorisiert. Das Ergebnis war eine Liste von 22 Unternehmen, mit den Schwerpunkten Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Herstellung von Papier und Pappe. Aktuell wichtigster Energieträger dieser Unternehmensgruppe ist Erdgas, was die Vermutung nahelegt, dass auch zukünftig in vielen Fällen ein gasförmiger Energieträger von Bedeutung sein wird. Auf dieser Basis führten die Mitarbeiter des Gastechnologischen Instituts Freiberg eine Detailbefragung der Unternehmen durch, wobei die Untersuchung der jeweils zur Anwendung kommenden Prozesse und Technologien im Vordergrund stand. Bei dieser vertieften Analyse ergab sich für die Beteiligten sogar ein noch höherer Bedarf an Wasserstoff als in der Erstbefragung, von rund 390 GWh/a ab 2040. Ebenso wurden mögliche Hinderungsgründe und Alternativen für den Einsatz von Wasserstoff diskutiert. Die Unsicherheit bezüglich der Preisentwicklung sowie der Versorgungslage zählen zu den wichtigsten Unsicherheitsfaktoren. In der Folge nehmen Unternehmen eine abwartende Haltung ein und stellen Investitionen zurück. Als wichtigste Alternative zur Wasserstoffnutzung kann die Elektrifizierung angesehen werden, wobei auch hier hohe Unsicherheiten in Bezug auf die verfügbaren Anschlusskapazitäten und die Entwicklung der Infrastrukturkosten berücksichtigt werden müssen.
Selbstverständlich ist die Aussagekraft der Verbrauchsangaben, die sich auf eine relativ kleine Gruppe befragter Unternehmen bezieht, für die Wirtschaft im gesamten Kammerbezirk zunächst begrenzt. Daher wurden die Ergebnisse der im Rahmen der Auswertung ins Verhältnis zum Gesamtenergieverbrauch des verarbeitenden Gewerbes der Region Südwestsachsen gesetzt. Im Abschlussbericht des DBI werden vier verschiedene Varianten zur Hochrechnung des Bedarfs auf die Gesamtregion vorgeschlagen, die jeweils mit spezifischen Unsicherheiten behaftet sind. Als mittleres und fundiertestes Ergebnis kann Variante 2 betrachtet werden, bei der die in der Detailbefragung ermittelten Bedarfe als Grundlage der Hochrechnung dienen. So ergibt sich ab 2035 ein möglicher Bedarf von schätzungsweise 1.250 GWh Wasserstoff pro Jahr für die Gesamtregion.
Die vorliegenden Ergebnisse sollen sowohl Industrie als auch Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit für den Einsatz von Wasserstoff und dessen bedarfsorientierte Verteilung sensibilisieren. Die Daten veranschaulichen, dass viele Unternehmen unsicher auf die wirtschaftliche Nutzung von Wasserstoff sowie auf eine gesicherte Versorgung mit diesem Energieträger blicken. Umso mehr sind eine offene Kommunikation und eine Konkretisierung des Wasserstoffhochlaufs notwendig, damit die Entscheidung für anstehende Investitionen der Industrieunternehmen auf einer belastbaren Basis erfolgen kann. Die Analyse liefert nicht zuletzt auch wichtige Argumente, die Region bei zukünftigen Wasserstoffnetzplanungen, die in zweijährigen Abständen stattfinden, stärker in den Fokus zu stellen und bedarfsgerecht bei der Anbindung zu berücksichtigen.
Den vollständigen Abschlussbericht zur Studie finden Sie im Downloadbereich.