Stellungnahme der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven zum Zwischenbericht der Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“

Zum Zwischenbericht der Enquetekommission nimmt die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven wie folgt Stellung: 
  1. Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel sind zentrale Zukunftsaufgaben. Auch wenn Klimaschutz viel Geld kostet, nicht zu handeln, wäre langfristig volkswirtschaftlich noch viel teurer. Um der anhaltenden Erderwärmung entgegenzuwirken, müssen die Klimaziele von Paris ernst genommen werden. Die Erderwärmung soll auf deutlich unter 2°C gehalten und zudem sollen zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Dieser auch von der Handelskammer anerkannte Rahmen erfordert grundlegende Veränderungen in allen Gesellschaftsbereichen. Die Wirtschaft – im Land Bremen wie auch in Deutschland – hat durch vielfältige Initiativen und Projekte gezeigt, dass sie notwendige Veränderungsprozesse für einen verstärkten Klimaschutz konstruktiv unterstützt. Sie stellt sich der Verantwortung, ihren Beitrag zum Klimaschutz durch Innovationen bei Produkten, Dienstleistungen und der Produktion weiter zu steigern. Die Umsetzung der Klimaschutzziele sollte in einem sorgfältigen Prozess mit der Wirtschaft entwickelt werden – unter Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
  2. Bremische Unternehmen benötigen qualifizierte Fachkräfte, um die für den Klimaschutz notwendigen Innovations- und Transformationsprozesse aktiv und flexibel gestalten zu können. Die Handelskammer setzt sich seit jeher intensiv für berufliche Qualifizierungen zur Fachkräftesicherung ein, aktuell beispielsweise im Rahmen des bremischen Paktes „Ausbildung: innovativ“. Die Mitgliedsunternehmen der Handelskammer stellen jedes Jahr mehr als 3.000 neue Auszubildende in über 100 Berufen ein. Diese dualen Ausbildungen sind technikoffen angelegt und werden regelmäßig weiterentwickelt, sodass beispielsweise die Umstellung der Automobilproduktion auf Elektromobilität schon heute mit Berufen wie Mechatronikern oder Elektronikern für Automatisierungstechnik gelingt. Ähnliches gilt für anstehende Umstellungen im Bereich Wasserstoff, wofür bereits zahlreiche Ausbildungsberufe zur Verfügung stehen, beispielsweise Technische Systemplaner, Chemikanten oder Chemielaboranten. Die Handelskammer befürwortet daher, klimaschutz- und nachhaltigkeitsrelevante Inhalte verstärkt im Bildungsbereich zu berücksichtigen, insbesondere auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Wichtig wäre daher, dass in den berufsschulischen Curricula klimaschutz- und nachhaltigkeitsbezogene Aspekte angemessen aufgenommen werden.
  3. Die bremische Wirtschaft leistet durch vielfältige Maßnahmen und Innovationen bereits heute wichtige Beiträge zum Klimaschutz. Die Handelskammer unterstützt die Bremer Unternehmen hierbei durch Beratung, Schulungen, Informationsveranstaltungen und Netzwerke. So bildet sie beispielsweise Auszubildende zu Energie-Scouts weiter und berät Betriebe zu Energieeinsparmaßnahmen und entsprechenden Fördermöglichkeiten. Auch das Weiterbildungsangebot der Handelskammer zum Betrieblichen Mobilitätsmanager trägt direkt zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen im Unternehmen bei. Im Rahmen von Informationsveranstaltungen vermittelt die Kammer Wissen über betriebliche Klimaschutzmaßnahmen und informiert über Klimarisiken und Klimaanpassungsmaßnahmen. Die Handelskammer selbst wird zudem Maßnahmen ergreifen, um ihre CO2-Emissionen zu senken und perspektivisch klimaneutral zu werden.
  4. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Handelskammer, dass sich die Enquetekommission in ihrem Zwischenbericht zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der bremischen Wirtschaft bekennt und gleichzeitig wichtige Weichen für den Klimaschutz stellt. Positiv hervorzuheben ist beispielsweise der geplante Ausbau des ÖPNV sowie der Ladeinfrastruktur. Dies ist wichtig, um die städtischen Zentren weiterhin erreichbar zu machen und zugleich die ambitionierten Ziele im Verkehrssektor im Blick zu behalten. Auch die beabsichtigte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren beim Ausbau des Stromnetzes sowie von Elektrolyseanlagen befürwortet die Handelskammer. Richtigerweise wird zudem festgestellt, dass die Bremischen Häfen nicht nur mit der Greenports-Strategie auf einem guten Weg hin zur Klimaneutralität sind, sondern auch eine entscheidende Rolle für den Import von Wasserstoff einnehmen werden. Darüber hinaus ist zu begrüßen, dass im Zwischenbericht die Bedeutung von Forschung und Entwicklung, z.B. im Rahmen des Ausbaus des Forschungs- und Technologiezentrums ECOMAT, genannt wird.
  5. Als innovationsstarker Industrie- und Wissenschaftsstandort kann Bremen maßgeblich zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte beitragen. Auf diese Weise können entscheidende Beiträge zur Erreichung der Klimaschutzziele geleistet sowie die sich daraus ergebenden Chancen für das Land Bremen genutzt werden. Insbesondere die Wasserstofftechnologie hat aus Sicht der Handelskammer das Potenzial, zusätzliche Wertschöpfung in Bremen entstehen zu lassen. Zur Erzeugung der dafür benötigten erneuerbaren Energie gilt es, die Potenziale von Windkraft – Offshore wie Onshore – zu nutzen. Angesichts knapper Flächenverfügbarkeit in einem Stadtstaat wie Bremen müssen dabei jedoch auch konkurrierende Nutzungsinteressen berücksichtigt werden. Der Zwischenbericht sieht einen Ausbau der Windenergie auf 400 MW bis 2050 vor. Das entspräche in etwa der Verdopplung der heutigen Kapazität. Hierfür müssen noch konkrete Lösungen gefunden werden. Das gilt auch für die im Zwischenbericht genannte Vereinbarkeit von Gewerbe und Windkraft, die nicht für alle Standorte vorausgesetzt werden kann. Zur Erhaltung und Entwicklung des Wirtschaftsstandortes wird Bremen weiterhin auf ausreichende Gewerbeflächen angewiesen sein. Stattdessen könnten zur Erzeugung von Windkraft auch Standorte im niedersächsischen Umland in Erwägung gezogen werden – ähnlich dem bei Ausgleichsflächen üblichen Verfahren.
  6. Einige verkehrsbezogene Ziele und Maßnahmen des Zwischenberichts sind im Hinblick auf ihre faktische und rechtliche Umsetzbarkeit zu hinterfragen. So gibt der Bericht beispielsweise das Ziel vor, den kompletten Fahrzeugbestand (Pkw, Transporter, Lkw, Busse) durch Elektro-Kfz zu ersetzen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht klar, ob dies, insbesondere im Bereich des Schwerlastverkehrs sowie bei Fahrzeugen mit speziellen Anforderungsprofilen, technisch überhaupt möglich sein wird. Hier gilt es, auch den Einsatz von Wasserstoff sowie synthetischen Kraftstoffen in Abhängigkeit von der technologischen Entwicklung zu berücksichtigen. Des Weiteren ist vorgesehen, den Motorisierungsgrad der Bremerinnen und Bremer von derzeit 428 Pkw pro 1000 Einwohner bis zum Jahr 2030 auf nur noch 200 zu senken. Gleichzeitig sollen sich zudem die täglichen Pkw-Kilometer um 30 Prozent reduzieren. Für beide Ziele liegen jedoch keine rechtlich umsetzbaren Instrumente vor.
  7. Trotz der Chancen, die der Klimaschutz bietet, stellen die ambitionierten europäischen und nationalen Klimaziele die Unternehmen jedoch auch vor enorme Herausforderungen. Darüberhinausgehende, lokale Regelungen können eine zusätzliche Belastung darstellen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Bremer Klimaschutzmaßnahmen sollten sich daher in den Kontext der nationalen und europäischen Klimapolitik einbetten. Dies lässt sich im Zwischenbericht an einigen Stellen präzisieren. Neben den Wechselwirkungen zwischen lokaler und überregionaler Gesetzgebung werden im Zwischenbericht auch Korrelationen zwischen den einzelnen Sektoren zu wenig berücksichtigt. Als Beispiel können hier Maßnahmen angeführt werden, die das Bauen in Bremen verteuern, auf diese Weise die Abwanderung ins Bremer Umland fördern und sich dadurch nicht nur auf die öffentlichen bremischen Haushalte auswirken, sondern auch auf die Emissionen im Verkehrssektor. Eine ausführliche Folgenabschätzung aller Maßnahmen ist daher unerlässlich, um ökologischen Nutzen und ökonomische Auswirkungen von klimapolitischen Maßnahmen gleichermaßen zu berücksichtigen
  8. Einige der im Zwischenbericht aufgeführten Maßnahmen liegen außerhalb der Regelungskompetenz Bremens. Dazu gehören beispielsweise die geforderten Standards und Recyclingkonzepte bei Batterien von Elektroautos oder die Umstellung des Kraftfahrzeugbaus auf Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben. Hier greifen EU- oder bundesrechtliche Regelungen (z.B. das europäische System der CO2-Flottengrenzwerte). Der Zwischenbericht nennt hier zurecht, dass sich Bremen auf nationaler und europäischer Ebene für entsprechende Änderungen einsetzen muss:
  • Förderung von Forschung und Entwicklung
  • Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur und wettbewerbsfähige Preise für grünen Wasserstoff
  • Schaffung der Rahmenbedingungen für fairen internationalen Wettbewerb von klimaneutral erzeugten Produkten
Insgesamt ist bei dieser Stellungnahme zu berücksichtigen, dass das vorliegende Dokument der Klimaenquetekommission einen Zwischenbericht darstellt, der zahlreiche Ziele, Strategien und Maßnahmen enthält, die bisher noch nicht näher konkretisiert wurden und die zum Teil innerhalb der Arbeitsgruppen noch keinen Konsens gefunden haben. Daher ist eine abschließende Bewertung dieser Punkte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Stand: 7. Juni 2021