Positionspapier: Ausreich­ende Flächenreserven schaffen und zügiger handeln – Gewerbeflächen­entwicklung in Bremen und Bremerhaven

Summary

Weichen auf Zukunft stellen: Die Bremische Wirtschaftsstrukturpolitik steht vor der entscheidenden Herausforderung, in Zukunft Arbeitsplätze, Unternehmen und Wachstum für unser Bundesland zu sichern. Wesentliche Voraussetzungen hierfür sind eine proaktive Gewerbeflächenpolitik sowie die deutlich schnellere Planung und Umsetzung von Flächenentwicklungen und Infrastrukturmaßnahmen.
Wettbewerbsfähigkeit stärken, Innovationen fördern: Bremen und Bremerhaven benötigen eine Gewerbeflächenpolitik, die Unternehmensgründungen, Neuansiedlungen und Erweiterungen durch vorausschauende Flächenangebote unterstützt, Wettbewerbsfähigkeit ausbaut und Innovationen fördert. Ziel des Senats und des Bremerhavener Magistrats muss sein, praxisnahe und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen, weil hierdurch Arbeitsplätze, Unternehmen und damit auch Steuereinnahmen für das Land gesichert werden. Erforderlich sind klare Perspektiven, verlässliche politische Zuordnungen und der Wille, diese Ziele gemeinsam zu erreichen.
Sofortprogramm - Flächen mobilisieren: Die Dispositionsreserve an verfügbaren Gewerbeflächen ist aktuell stark abgeschmolzen. Eine Qualifizierung von Bestandsgebieten braucht Zeit. Damit ansiedlungs- oder erweiterungswillige Unternehmen eine Perspektive bekommen, bedarf es neben langfristiger Planungen in der aktuellen Gewerbeflächenpolitik auch kurzfristiger Lösungen. Die Handelskammer schlägt ein 12-Punkte-Sofortprogramm zur Flächenmobilisierung vor.
Stärken ausbauen: Gewerbeflächenentwicklung und Clusterpolitik sind entscheidende Instrumente, um Bremens und Bremerhavens Stärken auszubauen – Häfen und Logistik, Automobilwirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Erneuerbare Energien, Umweltwirtschaft und Umwelttechnologien, Gesundheitswirtschaft und Life Sciences, Nahrungs- und Genussmittel sowie auch Kultur- und Kreativwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien, Maschinenbau und Robotik sowie Innovative Materialien. Beide Handlungsfelder müssen Hand in Hand gehen.
Klimaschutz als Innovationstreiber nutzen: Die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven steht zu ih-rer Mitverantwortung für das Erreichen von CO2-Reduktionszielen. Im Grundsatz unterstützt werden auch die Bremer Handlungsstrategie „Zukunftsweisende Wirtschaftsstandorte - Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität“ sowie das Bremerhavener Projekt „Green Economy - nachhaltig wirtschaften, zukunftsfähig wachsen“. Jedoch sollten die Unternehmen beim Übergang zu CO2-neutralen Gewerbeaktivitäten durch gezielte Anreize und Förderungen für Innovationen und Investitionen in ihrem Engagement für den Klimaschutz unterstützt werden.
Innenentwicklung allein reicht nicht aus: Eine Flächenkreislaufwirtschaft im Sinne eines einzelfall-bezogenen Flächenqualifizierungsmanagements reicht bei Weitem nicht aus, um den Anforderungen der ansässigen Unternehmen gerecht zu werden. Es bedarf konkreter Antworten, wie und wo den bereits bestehenden Gewerbeflächenengpässen begegnet werden soll. Insbesondere für nicht integrierbares, „störendes“ Gewerbe, Industrieflächen oder große zusammenhängende Nachfragen braucht es eine ausreichende Dispositionsreserve an frei verfügbaren und sofort vermarktbaren Flächen in gegebenenfalls neu zu entwickelnden Gewerbe- und Industriegebieten.
Gewerbegebiete einzeln weiterentwickeln: Eine gesamtstädtische Planung allein genügt nicht. Erforderlich ist auch der genaue und koordinierte Blick auf jedes einzelne Gewerbegebiet. Das gilt insbesondere für ältere, gewachsene Bestandsgebiete, die nicht im Fokus von Clusterpolitik und Neuvermarktung stehen.
Industriebetriebe vor Verdrängung schützen: Es wird zunehmend wichtig, robuste Gewerbe- und insbesondere Industriegebiete zu definieren, deren Unternehmensbesatz vor Umnutzung und Verdrängung geschützt wird. Dies gilt auch für die kleineren, von Wohngebieten umschlossenen „Gewerbeinseln“. Hier ist eine planungsrechtliche Absicherung erforderlich. Gewerbeinseln, die nicht baurechtlich geschützt sind, sollen als „Gewerbeschutzgebiete“ gesichert werden. Auch müssen die Bestandsunternehmen konsequent in die Weiterentwicklung bestehender älterer Gewerbegebiete einbezogen werden. Ihre Entwicklungsvorhaben und Flächenbedarfe müssen am bisherigen Standort Berücksichtigung finden.
Als Region und gemeinsamer Wirtschaftsraum agieren: Im Fokus der bremischen Gewerbeflächenentwicklung muss auch eine strategische Flächenentwicklung gemeinsam mit dem niedersächsischen Umland stehen. Wo immer es sinnvoll ist, sollten gemeinsame, Bundesländergrenzen-übergreifende Gewerbegebiete vorangebracht werden. Durch die vorhandenen wirtschaftlichen Verflechtungen profitiert auch das Land Bremen von einer solchen Regionalkooperation. Zum Beispiel durch Einkommen, Beschäftigung und Steuern.

1. Die aktuelle Ausgangslage

Gewerbeflächenentwicklung ist angesichts enger Haushaltsrahmen, der besonderen Stadtgeografien Bremens und Bremerhavens sowie vielschichtiger Flächenkonkurrenzen anspruchsvoll. Jedoch stellen Gewerbeflächenausweisungen die Voraussetzung für Beschäftigungssicherung und Beschäftigungsaufbau sowie für Neuansiedlungen und die standortnahe Entwicklungsmöglichkeit von Bestandsunternehmen innerhalb der Grenzen des Bundeslandes dar.
Arbeit braucht Fläche: Im Land Bremen sind rund 430.000 Menschen erwerbstätig – darunter rund 40 Prozent Einpendler. Die Wirtschaftsstruktur Bremens und Bremerhavens wird von Industrie und Handel, Hafen und Logistik, Dienstleistung und Innovation, Handwerk und Mittelstand geprägt. Für all diese Wirtschaftsbereiche ist die Verfügbarkeit von Flächen und Entwicklungsräumen ein zentraler Standortfaktor. Nur mit zuverlässigen und zukunftsorientierten Rahmenbedingungen für Gewerbeentwicklung und -ansiedlungen können Arbeitsplätze und Unternehmen sowie die mit Wertschöpfung verbundenen direkten und indirekten Steuereinnahmen für das Bundesland gesichert werden.
Die Gewerbeflächenpolitik sollte auch den klimapolitischen Herausforderungen und den aktuellen Erfahrungen wie den gestörten Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie und des Russland/Ukraine-Konfliktes Rechnung tragen. Die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft, Nutzung, Umschlag, Lagerung und Umwandlung alternativer Energiequellen, die Rückbesinnung auf lokale Produktion und regionale Wertschöpfungsketten, das Zurückholen der Produktion sensibler Güter (z.B. Halbleiter, medizinische Laborprodukte, Vorprodukte im Fahrzeugbau etc.) sowie die Ansiedlung wissensorien-tierter Dienstleistungen lösen einen weiteren Bedarf an geeigneten Flächen aus sowie die Notwendigkeit einer engeren Stadt/Umland-Kooperation.
Während in Bremen bei hoher Nachfrage das Angebot an frei verfügbaren Gewerbeflächen deutlich abgenommen hat, ist das Flächenangebot in Bremerhaven zwar besser, muss aber ebenso weiterentwickelt werden.
Stadt Bremen: Verfügbare Gewerbeflächen in den wichtigsten Gebieten
Fläche in ha
erschl­ossen
nicht erschl­ossen
vermar­ktbar und nicht reser­viert / option­iert
GVZ
365,3
352,1
13,3
10,4
Gewerbe­park Hansa­linie
290,6
151,6
139,0
3,5
Übersee­stadt
207,2
184,0
23,2
5,3
Airport­stadt
168,7
162,4
6,3
0,5
Bremer Industrie-Park
159,6
70,6
89,0
0,0
Techno­logiepark
57,7
57,1
0,6
0,0
Bayern­straße
46,7
46,7
0,0
0,0
Quelle: Transparenzportal Bremen (Sachstandsbericht GEP 2020) und eigene Recherche
Bremerhaven: Verfügbare Gewerbeflächen in den wichtigsten Gebieten
Fläche in ha
erschl­ossen
nicht erschl­ossen
vermar­ktbar und nicht reser­viert / option­iert
LogInPort (Carl-Schurz)
306,0
306,0
0,0
10,0
Lune Delta
155,0
0,0
155,0
k.A.
Luneort / Reithufer
80,0
80,0
0,0
18,0
Bohmsiel
69,0
69,0
0,0
2,0
Poristraße
9,3
9,3
0,0
1,2
Quelle: Transparenzportal Bremen (Senatsvorlage vom 18.11.2020: Bund_Länder-Gemeinschaftsaufgabe), BIS Bremerhaven und eigene Recherche
Mit dem im Jahr 2019 fortgeschriebenen Gewerbeflächenkonzept der Stadt Bremerhaven sowie dem kurz vor dem Abschluss stehenden Gewerbeentwicklungsprogramm GEP 2030 für die Stadt Bremen werden wichtige Weichenstellungen für die Wirtschaftsstrukturpolitik im Land Bremen vorgenommen. Daneben wird derzeit an einem Hafenentwicklungskonzept 2030 gearbeitet, das nicht nur den seewärtigen Umschlag in den Blick nehmen wird, sondern auch die Entwicklungsoptionen der hafennahen Logistikwirtschaft in Bremen und Bremerhaven. Als Orientierungsrahmen sowie Schwerpunktsetzungen für Flächenentwicklungen und Investitionen kommt den genannten Konzepten und Programmen eine große Bedeutung zu. Die entsprechenden Erwartungen der Wirtschaft lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Gewerbeflächen- und Hafenentwicklungspolitik müssen in Senat und Magistrat höchste Priorität genießen.
  • Erfolgreiche Gewerbeentwicklungspolitik zahlt sich aus. Sie sorgt für Beschäftigung und Steuereinnahmen. Auf beides sind Bremen und Bremerhaven angewiesen.
  • Die Ansiedlung von Unternehmen kann nur über attraktive und verfügbare Flächenangebote gelingen.
  • Eine Flächenkreislaufwirtschaft im Sinne eines einzelfallbezogenen Flächenqualifizierungs- bzw. Inwertsetzungsmanagements ist ein gutes Instrument. Dies reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um den Anforderungen der ansässigen Unternehmen gerecht zu werden. Es bedarf konkreter Antworten, wie und wo den bereits bestehenden Gewerbeflächenengpässen begegnet werden soll.
  • Flächen für nicht integrierbares „störendes“ Gewerbe, Industrieflächen oder große zusammenhängende Nachfragen sind nur schwer aus Konversionsflächen oder so genannten Brownfield-Entwicklungen zu gewinnen. Diese werden zudem regelmäßig durch komplexe Planungsprozesse und örtlichen Widerstand in der Bevölkerung behindert. Erforderlich ist daher weiterhin eine ausreichende Dispositionsreserve an frei verfügbaren und sofort vermarktbaren Flächen in gegebenenfalls neu zu entwickelnden Gewerbe- und Industriegebieten.
  • Planungsprozesse müssen beschleunigt werden, Haushaltsmittel für Flächenentwicklungen verlässlich zur Verfügung stehen und die Horizonte kommunaler Handlungsstrategien weit über das Jahr 2030 hinausreichen.

2. Leitgedanken – Was die Planungen generell bestimmen sollte

I. Gewerbeflächen schaffen Arbeit: Gewerbeflächen und Unternehmensansiedlungen müssen als Instrument für mehr Beschäftigung sowie stabile Steuereinnahmen gesehen werden. Ziel von Gewerbeflächenpolitik muss es sein, möglichst hohe Arbeitsplatzeffekte zu erzielen. Zwar hat beispielsweise die Logistik branchentypisch einen deutlich niedrigeren Arbeitsplatzbesatz als etwa ein Hightech-Standort wie der Technologiepark mit hoher Büronutzung. Dennoch ist der Logistiksektor ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen. Dazu zählt insbesondere die bremische Industrie, die rund zwei Drittel ihrer Umsätze mit dem Export ihrer Erzeugnisse erwirtschaftet. Industrie, Logistik, hochwertige Dienstleistungen, Banken und auch Ausbildungseinrichtungen bilden einen gemeinsamen und für das Land Bremen elementaren Wertschöpfungsverbund. Im Gesamtkontext sollten Politik und Verwaltung gemeinsam mit den Unternehmen Potenziale identifizieren und heben, um eine effizientere und innovative Bodennutzung – insbesondere auch im Logistiksegment – zu erreichen. Dies sollte von allen Akteuren als Ansporn verstanden werden, eine Vorreiterrolle im bundesdeutschen Raum einzunehmen.
II. Konkrete und belastbare Konzepte: Bremen und Bremerhaven müssen sich als nordwestdeutsche Oberzentren profilieren und weiterentwickeln. Neben der Aufwertung der Innenstädte, der Stärkung beider Städte als Wohnorte sowie der Sichtbarmachung und stärkeren Einbindung von Universität, Hochschulen und Instituten als besonderes Alleinstellungsmerkmal gehören hierzu auch die Attraktivität als wertschöpfungs- und beschäftigungsintensive Unternehmensstandorte. Um dies zu erreichen, bedarf es konkreter und belastbarer Konzepte, die über das politische Tagesgeschäft und letztlich auch über den Horizont 2030 hinausgehen. Bremens und Bremerhavens Wirtschaftsförderungseinrichtungen müssen weiterhin über ein gutes Flächenportfolio verfügen, um beide Standorte mit überzeugenden Argumenten regional und überregional vermarkten zu können. Aus diesen Gründen setzt sich die Handelskammer für ein weitsichtiges und maßvoll angebotsorientiertes Gewerbeflächenangebot ein. Bei Investitionsentscheidungen für Bremen und Bremerhaven müssen geeignete, erschlossene Flächen bereits vorhanden sein, damit die Investitionen auch zeitnah im Bundesland erfolgen können. Ziel muss es sein, dass zwischen einer ernsthaften Anfrage und dem Planungsbeginn nur drei bis sechs Monate und bis zum Baurecht idealerweise keine neun Monate liegen (siehe Interview mit Senatorin Vogt im Weser-Kurier vom 27.01.20).
III. Die Stärken stärken: Gewerbeflächenentwicklung und Clusterpolitik sind entscheidende Instrumente, um Bremens und Bremerhavens Stärken zu entwickeln (Häfen/Logistik, Automobilwirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Erneuerbare Energien, Umweltwirtschaft/Umwelttechnologien, Gesundheitswirtschaft/Life Sciences und Nahrungs- und Genussmittel sowie auch Kultur- und Kreativwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien, Maschinenbau/Robotik und Innovative Materialien). Beide Handlungsfelder müssen Hand in Hand gehen.
IV. Flächen für die mittelständiische Wirtschaft: Im Bremer Stadtgebiet stehen nur wenige Gewerbeflächenreserven für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus den Bereichen des kleinteiligen verarbeitenden Gewerbes, des Handwerks, der Dienstleistung und Technologie zur Verfügung. Es deutet sich bereits eine auch in anderen Kommunen erkennbare Tendenz an, dass Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und der allgemeinen materiellen Produktion aus dem städtischen Raum verdrängt werden. Um eine funktionale Ausdünnung der Stadt zu verhindern und in einer wachsenden Stadt im Sinne einer vielfältigen funktionalen Mischung auch Orte für das produzierende Gewerbe zu erhalten, sind vorhandene Flächenpotenziale beschleunigt zu entwickeln und die hierfür erforderlichen finanziellen Voraussetzungen zeitnah zu klären.
V. Bestandsgebiete weiterentwickeln: Es ist richtig, bei der zukünftigen Gewerbeflächenentwicklung verstärkt auf Themen wie die Pflege und Weiterentwicklung von Bestandsgewerbegebieten, den Schutz vor Umnutzung, die Impulssetzung für eine innovative Gründerszene, die Ankurbelung so genannter Urbaner Produktion sowie auch die Priorisierung von Innen- vor Außenentwicklung zu setzen. Ein sparsamer Umgang mit Flächen ist zweifellos wichtig. Wo möglich und sinnvoll, sollten daher die Nachverdichtung von Bestandsgebieten und das Flächenrecycling Vorrang in der Gewerbeflächenpolitik haben. Allerdings finden solche Brownfield-Entwicklungen noch viel zu wenig statt. Sie werden von langen Bauleitplanungsprozessen, Verfahrensdauern und politischen Entscheidungswegen sowie Widerständen in der Bevölkerung gehemmt.
Diagramm für das Land Bremen zum Thema Nutzung der Bodenflächen

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen (2019), eigene Recherche

VI. Flächenneuausweisungen nicht ausschließen: Neben einer Flächenkreislaufwirtschaft muss weiterhin die Ausweisung neuer Gewerbeflächen als Instrument der Wirtschaftsförderung und Unternehmenssicherung möglich sein. Hierzu gehören auch Flächenentwicklungen im Außenbereich, entlang wichtiger Infrastrukturen, aber auch in untergenutzten Kleingartenarealen. Es ist wachstumsschädlich, wenn Flächen erst bei offensichtlicher Nachfrage entwickelt werden. Die Reaktionszeit auf Ansiedlungswünsche ist damit deutlich zu lang – wie das Beispiel der Fa. Dornier zeigt, deren konkreter Ansiedlungswunsch in Bremen nicht bedient werden konnte. Rund 300 neue Arbeitsplätze entstehen nun am Flughafen Leipzig.

VII. Realistische Dispositionsreserven vorhalten: Vor diesem Hintergrund begrüßt die Wirtschaft die im GEP 2030 für Bremen beschriebene Dispositionsreserve von 100 Hektar, so es sich denn tatsächlich um nicht reservierte, vermarktungsfähige und kurzfristig verfügbare Flächen eines revolvierenden Pools handelt. Nicht marktgängige gewerbliche Bauflächen müssen konsequent aus der Bedarfsrechnung und der Dispositionsreserve herausgenommen werden. Mit diesem Ziel ist allerdings eine große Herausforderung verbunden. Während im Durchschnitt der vergangenen Jahre in Bremen durch die WFB etwa 32 Hektar Gewerbeflächen vermarktet werden konnten, wurden zuletzt jährlich stets nur etwa 22 Hektar neu entwickelt. Über die Jahre hinweg ist dadurch die bisherige Dispositionsreserve auf faktisch unter 40 Hektar gesunken. So gibt es im Bremer Osten und Süden kaum noch freie Gewerbeflächen. Hierunter leiden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die häufig auf den Standort Bremen angewiesen sind und für die eine Abwanderung ins Umland keine Option ist. Es ist unklar, wie Bremens Politik mittelfristig die verabredete Zielmarke von 100 Hektar Dispositionsreserve überhaupt erreichen will, ohne die Erschließungsleistung deutlich zu steigern.
VIII. Flächen für die Industrie sichern: Bremen hat zu wenige Industrieflächen. Für das verarbeitende Gewerbe stellen Urbane Gebiete, Flächenkreislaufwirtschaft und Nutzung oberer Gebäudegschosse selten gangbare Optionen dar. Hier kommt es auf Flächen für Neuansiedlungen und Unternehmenserweiterungen sowie auf restriktionsarme Umfeldbedingungen an.
IX. „Gewerbeinseln“ absichern: Es wird zunehmend wichtig, robuste Gewerbe- und insbesondere Industriegebiete zu definieren, deren Unternehmensbesatz vor Umnutzung und Verdrängung geschützt wird. Dies gilt auch für die kleineren von Wohngebieten umschlossenen „Gewerbeinseln“. Hier ist eine planungsrechtliche Absicherung erforderlich; Gewerbeinseln, die nicht baurechtlich geschützt sind, sollen als „Gewerbeschutzgebiete“ gesichert werden.
X. Bestandsunternehmen stärken: Bestandsunternehmen müssen konsequent in die Weiterentwicklung bestehender älterer Gewerbegebiete einbezogen sowie deren Entwicklungsvorhaben und Flächenbedarfe am bisherigen Standort berücksichtigt werden. Bei der Vergabe öffentlicher Flächen müssen benachbarte Gewerbebetriebe per Checkliste stets hinsichtlich ihrer Flächenbedarfe befragt und auf eine anstehende Ausschreibung aufmerksam gemacht werden.
XI. Klimaschutz als Innovationstreiber nutzen: Nachhaltigkeit wird zu einem großen Innovationstreiber. Die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven steht zu ihrer Mitverantwortung für das Erreichen von CO2-Reduktionszielen, beispielsweise durch die Umstellung auf grünen Wasserstoff oder den Ersatz von fossilen Rohstoffen unter anderem durch Biomasse, Recyclingmaterialien oder Solarstrom. Jedoch sollten die Unternehmen beim Übergang zu CO2-neutralen Gewerbeaktivitäten unterstützt werden. Hierzu ist ein Landesförderprogramm zu entwickeln, das gezielte Anreize und (Zuschuss-)Förderung für Innovationen und Investitionen beinhaltet und auf diese Weise unternehmerisches Engagement für den Klimaschutz unterstützt. Gefördert werden sollten flächenschonende Gebäudekonfigurationen, gemeinschaftlich genutzte Infrastrukturen sowie auch Brownfield-Entwicklungen und die Aktivierung stark untergenutzter Flächen, wenn dadurch auf neue Erschließungen im Außenbereich verzichtet werden kann und/oder Altlastensanierungen und Kampfmittelräumungen durch Investoren vorgenommen werden (müssen).

3. Wo in Bremen und Bremerhaven konkret gehandelt werden muss

a) Bremen
Gewerbe-, Hafen- und Logistikflächen „Links der Weser“: Die Logistik und somit auch das Güterverkehrszentrum GVZ als wichtiges Logistikgewerbegebiet in Bremen stellen einen wichtigen Bestandteil der (Hafen-)Wirtschaft des Landes Bremen dar. Auf Grund der sozialpolitischen Relevanz (Beschäftigung für alle Einkommensgruppen und Berufsfelder) sowie der ökonomischen und ökologischen Bedeutung (Bruttowertschöpfung, steigender Onlinekonsum, kombinierter Verkehr und Citylogistik) ist eine strategisch durchdachte Planung der GVZ-Erweiterung unentbehrlich für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft Bremens. Das GVZ Bremen wird in hohem Maße von allen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewerbeflächenpolitik in Bremen tangiert und fordert daher eine aktive Mitgestaltung im Prozess. Dies gilt sowohl für das GEP 2030 als auch für das neue Hafenentwicklungs-konzept des Landes Bremen.
Die Gewerbeflächenpolitik für die kommenden Jahre soll nachfrageorientiert und gerecht gestaltet werden. Hierbei müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:
  • Bestandsschutz: Gewerbeflächen dürfen nicht zu Lasten der Wirtschaft als Wohngebiete umgewidmet werden.
  • Kreislaufwirtschaft und Ausweisung neuer Gewerbeflächen sind gleichermaßen zu berücksichtigen.
  • Langfristige Perspektiven: Planungshorizont über 2030 hinaus.
  • Keine grundsätzliche Ablehnung der Areale Niedervieland III in der strategischen Langzeitbetrachtung 2050.
  • Entwicklung einer interkommunalen Gewerbegebietsachse Links der Weser vom Neustädter Hafen bis zum untergenutzten ehemaligen Flugplatzgelände Lemwerder.
  • Die Trimodalität und insbesondere der Zugang zum Kombinierten Verkehr sind Alleinstellungsmerkmale des GVZ bzw. der Gewerbegebiete Links der Weser und können potenziellen Neuansiedlern in anderen Gewerbegebieten so nicht zur Verfügung gestellt werden.
Gewerbe-, Hafen- und Logistikflächen „Rechts der Weser“: Der Industriehafen sowie der Holz- und Fabrikenhafen sind für Bremen rechts der Weser starke Seehäfen. Mit der Fertigstellung des Wesertunnels im Zuge der A 281 werden diese Häfen eine weitere Aufwertung erfahren. Die Hafenreviere links und rechts der Weser werden zu einem großen und leistungsfähigen Hafenindustrie- und Gewerbegebiet vernetzt. Bremen ist der südlichste Seehafen in Deutschland und liegt zentral zwischen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Mit seinen günstigen Hinterlandanbindungen per Bahn und Lkw (Trimodalität) leisten die Häfen einen bedeutenden Anteil zu Wertschöpfung und Beschäftigung in unserem Bundesland. Damit dies so bleibt, müssen folgende Themen angegangen werden:
  • Künftig müssen Industrie-, Hafen- und Gewerbeflächen stärker als bisher vor einer Umnutzung geschützt und der Bestand an Flächen in Gebieten für Industrie, Hafen und „störendes Gewerbe“ gesichert werden. Gewachsene gemischte Lagen müssen vor Verdrängung geschützt werden. Dies trifft insbesondere auch für die Industriehäfen und die daran angrenzenden Gewerbegebiete sowie für den Holz- und Fabrikenhafen zu.
  • Mit dem Bremer Modell haben sich Senat und dort ansässige Unternehmen auf Verfahren und Regelungen verständigt, die den Ausgleich von Interessen ansässiger Hafen-, Industrie- und Logistikfirmen mit den Interessen neuer Dienstleistungsbetriebe gewährleisten.
  • Bestehende Kajen und Wasserflächen müssen kontinuierlich unterhalten werden, um auch in Zukunft Umschlagtätigkeiten in den Bremischen Häfen (Bremen-Stadt) zu gewährleisten und auszubauen.
  • Am südwestlichen Kopf des Holz- und Fabrikenhafens müssen der Schuppen 19 und das Kühlhaus dem Status Hafen-/Industriegebiet hinzugefügt und die bisherige Bauleitplanung mit ihrer bestehenden Zonierung entsprechend angepasst bzw. erweitert werden.
  • Der Erhalt einer leistungsfähigen Hafeneisenbahn ist äußerst wichtig. Es ist zu prüfen, welche Gleisanlagen in Zukunft noch benötigt werden und welche weiter ausgebaut werden sollten.
Entwicklungsband A 281: Mit der Fertigstellung des Wesertunnels und der A 281 insgesamt entsteht die Chance einer Vernetzung der Hafengebiete links und rechts der Weser und der angrenzenden Industrie- und Gewerbegebiete. Hierzu gehören das GVZ einschließlich des Gewerbegebiets Reedeich, der Neustädter Hafen, die Industriehäfen, der Holz- und Fabrikenhafen, der Bremer Industrie-Park und das Gewerbegebiet Riedemannstraße/Reiherstraße. Dieses ca. 1.000 ha große Industrie-, Hafen- und Gewerbegebiet eröffnet völlig neue Potenziale für die Wirtschaftsentwicklung Bremens und die Stärkung des Industrie-, Hafen- und Logistikstandorts. Die Handelskammer und die ansässigen Betriebe unterstützen die Pläne des Senats, für dieses Areal einen Masterplan aufzulegen (Profilierung des Areals, Projekte, Förderschienen, Regelwerke). Dabei sollten sowohl Flächen für Erweiterungen und Neuansiedlungen ausgewiesen als auch untergenutzte Flächen identifiziert und gegebenenfalls gezielt aktiviert werden. Mit den Arbeiten sollte zügig begonnen werden. Die Flächen sollten Bestandteil des Gewerbeentwicklungsprogramms sowie des Hafenentwicklungskonzeptes sein.
Airportstadt: Das GEP 2030 bleibt beim Thema Airportstadt/Luft- und Raumfahrt sehr unkonkret. Dabei erlaubt die drängendste Frage keinen Aufschub: Wie gelingt es, Airbus am Standort zu halten und bei der Transformation in eine klimaneutrale Zukunft der Luftfahrt mit konkreten Flächenangeboten für neue Produkte und Fertigungstechniken zu unterstützen? Großteilige Flächen für Großbauteile der Luft- und Raumfahrt sind nicht vorhanden. Auch die ca. 6 ha südlich der Hannah-Kunath-Straße sind perspektivisch nicht ausreichend und für die Luftfahrtbranche sowie deren Zulieferer kaum interessant. Der heute bereits pressierende Flächenbedarf wird auch durch Nachverdichtung nicht zu decken sein. Die 25-Hektar-Kompromisslösung auf dem südlichen Flughafengelände ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Zu einer belastbaren Perspektive für die Flächenbedarfe des Luft- und Raumfahrtstandortes Bremen wird dieser Vorschlag erst nach Klärung der komplexen Erschließungsfragen und des ungestörten Flughafenbetriebs. Das muss nun sehr zügig erfolgen. Anderenfalls sind alternativ hierzu Vorplanungen für das bisherige Optionsgebiet Airport Süd (ggf. unter Einbezug der Nachbargemeinde Stuhr) entschlossen anzugehen.
In der weiteren nördlichen und westlichen Airportstadt gibt es aktuell einige fehl- und untergenutzte Flächen. Das Planungsrecht liefert keine hinreichende Planungssicherheit für interessierte Betriebe. So stammen beispielsweise die Planaufstellungsbeschlüsse für die Bebauungspläne 2235 und 2246 bereits aus dem Jahr 2000. Die Prozesse wurden bis heute nicht abgeschlossen. Demnach liegen keine geeigneten Bebauungspläne für die genannten Flächen vor. Dies erschwert Ansiedlungen und Umnutzungen. Die Bebauungspläne müssen zügig abgeschlossen und die Gebiete qualifiziert entwickelt werden. Hierbei könnte auch die WFB stärker in die Grundstücksentwicklung einsteigen.
Weitere wichtige und offene Entwicklungsfragen berühren einerseits die möglichen Entwicklungspotenziale und neuen Flächenoptionen, die sich für die Airportstadt aus dem Ringschluss der A 281 ergeben. Daneben fehlt auch eine umsetzungsorientierte Konzeption, wie sich eine Airportstadt 2.0 zu einem modernen und attraktiven Stadtraum mit mehr Freizeitnutzungen, Aufenthaltsqualität, Ärzten, Einkaufen und weiteren urbanen Dienstleistungsangeboten entwickeln kann.
Offen ist auch die Frage, wie und wo die der Initiative “Kulturbeutel“ für das Projekt “Irgendwo“ zentral in der Amelie-Beese-Straße überlassene hochattraktive Gewerbefläche so kompensiert wird, dass im vergleichbaren Maßstab zum früheren Vermarktungskonzept Wertschöpfungseffekte erzielt werden können.
Hemelinger Marsch/Gewerbepark Hansalinie (GHB): Die dringend erforderliche Erweiterung des Gewerbeparks Hansalinie kommt nur langsam voran. Erforderlich sind die zügige Schaffung von Planungsrecht sowie die Erschließung und Entwicklung der 3. Baustufe als nachhaltiges und energieeffizientes Gewerbegebiet – schwerpunktmäßig für Unternehmen der Automotivbranche. Daneben müssen bereits jetzt die Planungen für die 4. Baustufe, für einen weiteren Anschluss an die A1 sowie für einen S-Bahn-Haltepunkt aufgenommen werden.
Technologiepark: Der Technologieparks sollte stadtverträglich fortentwickelt werden. Hierzu gehören zum einen die Umnutzung der als Sonderbauflächen „Freizeit/Sport“ und „Campingplatz“ ausgewiesenen Flächen westlich des Technologieparks zu einem „Startup Campus im Grünen“ für junge, innovative Unternehmen aus dem Bereich Forschung und Dienstleistung sowie zum anderen die Schaffung von Planungsrecht, gewerbliche Erschließung und Entwicklung der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen gewerblichen Potenzialfläche „Horner Spitze“ als Ergänzungsstandort für technologieintensive Unternehmen insbesondere aus der Luft und Raumfahrt.
Bayernstraße: Mit dem Gewerbegebiet Bayernstraße besteht ein traditionell gewachsener, gefestigter und gut funktionierender Standort. Die ansässigen Unternehmen stellen einen Branchenmix aus den Bereichen Handwerk, Produktion und Dienstleistung dar. Auf Grund der Verkehrsgunst und der Lagevorteile in der Stadt ist dieses Gebiet hochattraktiv. Die Bremer Wirtschaft fordert daher eine Erweiterung des Areals, um auf diese Weise die vorhandenen drängenden Flächennachfragen bedienen zu können. Im Zuge dessen könnte die verkehrliche Anbindung des Gebietes verbessert, die bestehenden Belastungen infolge des zu verzeichnenden gewerblichen Verkehres durch das südlich angrenzende Wohngebiet reduziert und damit die aktuell verfolgte Lärmminderungsstrategie des Senats unterstützt werden.
Eine Profilierung des Gebiets sollte auch das Thema Klimaschutz/Klimaneutralität widerspiegeln, indem beispielsweise die Dächer neuer Gewerbeimmobilien durchgehend mit Solaranlagen bestückt werden und die Art der Energieversorgung von vornherein einen Vorbildcharakter aufweist. Zum besonderen Profil einer erweiterten Bayernstraße sollte auch gehören, dass neue Gewerbeflächen insbesondere der Erweiterung und Ansiedlung lokaler Betriebe dienen, die aus den Bereichen mittelständischer Produktion und Handwerk kommen und deren Hauptabsatzgebiete in der Stadt Bremen und dem näheren Umland liegen.
Bremer Industrie-Park: Die 5. Ausbaustufe ist vollständig zu erschließen und die 6. Baustufe zügig planerisch vorzubereiten. Das Schwerpunktprofil Industrie und störendes Gewerbe ist fortzuschreiben. Die Lagegunst nahe zur A281 und dem zukünftigen Wesertunnel sollte konzeptionell in die Weiterentwicklung einbezogen werden.
Oslebshausen/Gröpelingen: Die großen brachliegenden oder stark untergenutzten Flächen zwischen A 27 und Eisenbahnlinie bieten sich für eine Entwicklung an. In der Verlängerung des Gewerbegebiets Schragestraße entlang des Verbindungswegs „Pferdeweide“ bestehen gut angebundene Flächen zur möglichen gewerblichen Nutzung. Auf Grund der besonderen Gebietsstruktur bietet sich hierfür insbesondere auch „störendes“ Gewerbe an. Für das Gelände sollte daher eine Potenzialanalyse durchgeführt werden.
Bremen-Nord: Besondere Aufmerksamkeit sollte auch dem Bremer Norden gelten. Insgesamt ist Bremen-Nord der Stadtbezirk mit der geringsten Zahl an Arbeitsplätzen im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Entsprechend ist die Arbeitslosigkeit hoch und Pendlerverkehre belasten die wenigen Verkehrsachsen in Richtung Innenstadt.
Bremen-Nord weist eine Reihe von verfügbaren Gewerbeflächen auf, von denen allerdings in der Vergangenheit einige nicht oder nur sehr zurückhaltend vermarktet werden konnten. Dies steht im Kontrast zu einem deutlich dynamischeren Vermarktungsgeschehen in angrenzenden niedersächsischen Gemeinden wie Schwanewede oder Lemwerder.
Die Vermarktung von Gewerbeflächen im Bremer Norden muss daher neu aufgestellt werden. Notwendig ist eine ambitioniertere Gewerbeflächenvermarktungsstrategie für den Stadtbezirk, die eine aktive Ansprache potenziell ansiedlungs- oder erweiterungswilliger Unternehmen umfasst und klare Vermarktungs- und Profilierungsziele verfolgt. Zudem bedarf es eines fortlaufenden Monitorings, das den Bremer Norden im Standortwettbewerb mit dem niedersächsischen Umland evaluiert. Darüber hinaus sollten folgende Standorte gezielt entwickelt werden:
  • Das bisher nicht entwickelte Gebiet entlang der Hospitalstraße in Rekum sollte zeitnah als gewerbliche Ansiedlungsfläche geprüft und entwickelt werden, um an die wirtschaftlich dynamische Entwicklung in den in Sichtweite angrenzenden Schwaneweder Gewerbegebieten „Neuenkirchen“ und „Weser-Geest-Gewerbepark“ anzuschließen.
  • Das Gelände der Bremer Wollkämmerei (BWK) erfährt durch die Ansiedlung des Berufsschulcampus ein neues Profil. Der Standort sollte daher auch als Innovationsort zum Wissenstransfer zwischen Betrieben und Berufsschulen qualifiziert werden. Die Vermarktung von bisher schwer vermittelbaren Teilflächen mit geschützten, aber baufälligen Bestandsgebäuden könnte im Rahmen eines Ideenwettbewerbs angekurbelt werden. Alternativ könnte die Stadt die Bestandsimmobilien selbst renovieren und Räumlichkeiten an innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Stadtteil- und/oder Berufsschulbezug vermieten.
  • Für das als Gewerbegebiet gewidmete BBV-Gelände in Bremen Vegesack steht ein Investor bereit. Diese Entwicklung sollte seitens der Behörden unterstützt und aktuelle Hindernisse in der Grundstücksübertragung zügig ausgeräumt werden.
  • Das Gewerbegebiet Steindamm wurde bereits 2018 als Potenzialfläche für kleinteilige Gewerbeflächen identifiziert. Die Entwicklung der geplanten Neuerschließung von zwei Hektar sollte zügig umgesetzt werden.
  • Erschlossene Gewerbeflächen, die bisher gar nicht oder nur mit geringem Erfolg vermarktet wurden, sollten kritisch evaluiert werden und gegebenenfalls für Ansiedlungen in einen attraktiven Zustand gesetzt werden. Am Standort Farge-Ost etwa sind die vorhandenen Flächen auf Grund mangelnder Pflege mittlerweile stark von Vegetation eingenommen und fallen somit unter das Bremische Waldgesetz. Die Vermarktung wird damit unnötig erschwert. Die WFB sollte daher den Auftrag bekommen, bewachsene Flächen zeitnah zu einer geeigneten Jahreszeit vom Bewuchs zu befreien sowie alle zur Vermarktung stehenden Gewerbeflächen langfristig und regelmäßig durch Grünpflege freizuhalten, um Konflikte mit dem Umweltschutz in Zukunft zu vermeiden.
  • Das Gebiet des Science-Parks sollte unabhängig von der Zukunft der benachbarten Jacobs University als gewerblicher Standort vermarktet werden.
b) Bremerhaven
Bremerhaven ist es in den zurückliegenden Jahren gelungen, den wirtschaftlichen Abwärtstrend zu stoppen. Die Seestadt befindet sich auf einem Wachstumspfad, den es zu verstetigen gilt. Das Beschäftigungswachstum und die Ansiedlungserfolge gehen mit einer wieder höheren Flächennachfrage einher. Entsprechend muss auch für die Zukunft sichergestellt werden, dass Bremerhaven über ein bedarfsgerechtes Angebot an Gewerbeflächen, sowohl qualitativ als auch quantitativ, verfügt. Im Norden liegt der Schwerpunkt im Bereich der Maritimen Wirtschaft einschließlich Logistik, während sich im Süden die Lebensmittelwirtschaft, die wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien konzentrieren. Hinzu kommen branchenübergreifende Nachfragen nach kleinteiligen Gewerbeflächen sowie Expansionswünsche bereits ansässiger Unternehmen. Insgesamt voranzutreiben sind die weitere Profilierung Bremerhavens als integrierter F+E- und Produktionsstandort für maritim orientierte Technologien sowie die Stärkung der Green Economy mit entsprechenden Flächen- und Vernetzungsangeboten.
Bremerhavens Hafeninfrastrukturen dienen nicht nur der Ermöglichung von großen Umschlagsmengen, sondern sind gleichfalls Grundlage für:
  • touristische Nutzungen (Schaufenster Fischereihafen, Havenwelten, Klimahaus, Auswandererhaus etc.),
  • wissenschaftliche Arbeiten (AWI, Fraunhofer IWES, DLR Institut für die Sicherung maritimer Infrastrukturen, Hochschule Bremerhaven, Von-Thünen-Institute für Seefischerei und Fischereiökologie, BSH) und
  • Logistik- und Produktionsunternehmen (Werften, maritime Technologien, Lebensmittel- und Fischverarbeitung, logistische Dienstleistungen, Stauerei, Packbetriebe etc.).
Die potenziellen Wertschöpfungen aus den leistungsstarken Hafenfunktionen in Bremerhaven sind bei der Betrachtung von Flächennutzungen und Flächenerweiterungen stets zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings hervorzuheben, dass nur leistungsfähige und zukunftsfähige Hafen- und Logistikinfrastrukturen für Container, Automobile und High and Heavy diese positive Wirkung auf das Hinterland hervorrufen können.
Gewerbegebiet LUNE DELTA: Auf der Luneplate hinter dem ehemaligen Flugplatz soll auf 150 ha Fläche ein „grünes“ Industrie- und Gewerbegebiet entstehen, das besonders für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen der Green Economy (Green Tech und GreenTransformation Branche), aber auch für industriellen Großanlagenbau sowie Wasserstoffwirtschaft, Lebensmittelwirtschaft und maritime Dienstleistungen geeignet sein wird. Die gute Verkehrsanbindung sowie die Nähe zum Labradorhafen mit seiner Schwerlastplattform stellen dabei wichtige Standortfaktoren dar. Dieses neue Gebiet befindet sich in der Erschließungsplanung; es soll durchgehend nachhaltig entwickelt und bedarfsgerecht in voraussichtlich fünf Bauabschnitten von Süden nach Norden erschlossen werden. Die Planungen und Baurechtsschaffung für das Projekt Lune Delta sind voranzubringen. Dies gilt ebenso für die mittelbare Anbindung des Gebiets über die Trasse der ehemaligen Querlandebahn an das Hafenbecken im Bereich Fischereihafen II.
Fischereihafen/ehemaliger Flugplatz: Das Gewerbegebiet Fischereihafen zeichnet sich neben seiner Fokussierung auf die fisch- und lebensmittelverarbeitende Industrie insbesondere durch seine Funktion als Industriehafen aus. Mit der leistungsfähigen Fischereihafen-Doppelschleuse für Schiffe mit PanMax-Maßen sowie den zahlreichen Liegeplätzen entlang des Fischereihafens II und des Labradorhafens hat sich der Fischereihafen zu einem Industriehafen entwickelt, bei dem die direkte Verbindung zwischen Produktion und Umschlag für die ansässigen und wertschöpfenden Unternehmen von besonderer Bedeutung ist.
Als Beispiel ist hier die Unternehmensgruppe Rönner zu nennen, die den Stahl- und Schiffbau im südlichen Fischereihafen durch die passende Infrastruktur etablieren konnte. Auch die Firma Holz Cordes investiert direkt hinter den Kajen in Produktionskapazitäten und nutzt den Wasseranschluss zum Bezug von Rohware. Der ehemalige Flugplatz auf der Westseite des Fischereihafens II bietet die einmalige Chance, diese Verbindung zwischen Umschlag und Produktion direkt an den Kajen fortzuschreiben. Dazu ist es erforderlich, dass über die bisher im Baurecht möglichen 100 Meter Kaje hinaus weitere leistungsfähige Hafenumschlagsanlagen errichtet werden, die von Norden mindestens bis in Höhe der ehemaligen Querlandebahn des Flugplatzes reichen müssen. Dahinter ist bereits ein entsprechender Bebauungsplan in Kraft getreten, sodass hier die Verbindung zwischen Unternehmensansiedlung und Hafenumschlag weiter umgesetzt werden kann. Hierbei wird sicherlich ein Fokus auf den Bereich der erneuerbaren Energien sowie deren Speicherung und Umwandlung gelegt, da sich aus der direkten Nachbarschaft zum Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik Synergien ergeben können. Aber auch Unternehmen aus der Kreislaufwirtschaft, die den wasserseitigen Umschlag benötigen, und jene aus dem Bereich des Stahl- und Maschinenbaus sowie der Logistik werden die Standortgunst eines Industriehafens mit Sicherheit zu schätzen wissen und entsprechende Investitionen tätigen.
Die mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit deutlich steigenden politischen Ausbauziele für die Offshore-Windenergie belegen, dass Bremerhaven mit der Ansiedlung der Unternehmen aus dem Bereich der Offshore-Windenergie frühzeitig auf die richtige Technologie gesetzt hatte. Auch die Planung für das Offshore Terminal Bremerhaven (OTB) war und ist motiviert durch die Überzeugung, dass der Markt der Anlagen für die Erzeugung von erneuerbarem Strom weltweit ein Wachstumsmarkt ist und hier insbesondere die Offshore-Windenergie eine wichtige und bedeutende Rolle spielen muss. In diesem Licht betrachtet wäre es richtig, auch nach dem Urteil des OVG Bremen an der Planung und dem Bau des OTB festzuhalten. Der Senat wird also aufgefordert, die erforderlichen Mittel für die Planung und den Bau der leistungsfähigen Kaianlagen am Fischereihafen II im Bereich des ehemaligen Flugplatzes bereitzustellen.
Überseehafen und dahinter liegende Gewerbe- und Industriegebiete: Bremerhaven hebt sich positiv dadurch von den Wettbewerbsstandorten ab, dass dort leistungsfähige Containerterminals, Au-tomobilumschlagsanlagen und High- and Heavy-Terminals betrieben werden. Diese Kombination ist einzigartig und sorgt dafür, dass der Standort Bremerhaven bei Unternehmen als Investitionsstandort in den Fokus gerät, die bisher ihre Produkte im Binnenland gefertigt und über Bremerhaven sowohl per Container als auch als RoRo- und High- and Heavy-Fracht verschifft haben. Als aktuelles Beispiel kann die Investition der Firma Mafi & Trepel Technologies aus Tauberbischofsheim genannt werden. Das Unternehmen investiert in eine Montage- und Produktions- sowie Auslieferungs-Immobilie. Am bisherigen Produktionsstandort wäre Expansion nicht mehr möglich gewesen. Eine Situation, die auf viele exportorientierte Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus zutrifft. Für die Unternehmen werden immer langwierigere Genehmigungsverfahren für Sondertransporte sowie die Ablastung von Brückenbauwerken zu wachsenden und organisatorischen Hemmnissen beim Transport von großen und schweren Gütern und Geräten vom Produktionsstandort im Binnenland an die Küste. Vor diesem Hintergrund werden Investitionsentscheidungen von Industrie- und Montageunternehmen in räumlicher Nähe zu leistungsfähigen Hafeninfrastrukturen getroffen, wie das Beispiel Mafi & Trepel zeigt. Für weitere potenzielle Ansiedler sind jedoch nicht mehr ausreichende Industrie- und Gewerbeflächen hinter den Container- und Automobil-Terminals vorhanden. Es herrscht also dringender Handlungsbedarf, weitere potenzielle Flächen zu identifizieren. Hierfür gibt es fünf verschiedene Möglichkeiten:
  • Die Umwidmung von landwirtschaftlichen Nutzflächen zwischen der Ortschaft Weddewarden/Im-sum und dem Gewerbegebiet Weddewarden-Ost böte Potenzial. Dagegen spricht, dass dort einige Windenergieanlagen stehen. Es gibt ein Landschaftsschutzgebiet, und der Bereich der angrenzenden Wohnbebauung ist durch die Emissionen aus dem Containerterminal bereits entsprechend vorbelastet. Dieses Gebiet scheint also als potenzielles Erweiterungsgebiet der Gewerbeflächen auszuscheiden.
  • Zügige Erschließung des Gewerbegebietes Weserportstraße. Nach Fertigstellung des 1. Bauabschnitts werden ca. 2,4 ha und nach dem Endausbau ca. 4,9 ha zusätzliche Gewerbefläche zur Verfügung stehen.
  • Im Hafen- und angrenzenden Industriegebiet gibt es einige Kompensationsflächen, so zum Beispiel die so genannte Banane zwischen der ehemaligen Carl-Schurz-Kaserne und der Wurster Straße. Dieses Gebiet genießt einen hohen naturschutzfachlichen Status und stellt einen Trittstein zwischen dem Naturschutzgebiet Weserportsee und der offenen Marschenlandschaft nördlich von Bremerhaven dar. Trotzdem sollte die Umwidmung dieses Gebietes einer vertiefenden Prüfung unterzogen werden.
  • Ein wichtiges Ziel des Hafenentwicklungskonzeptes sollte die Erhöhung der Flächenproduktivität einzelner Areale sein, um auf diesem Wege Spielräume für Nutzungsänderungen bzw. -intensivierungen zu gewinnen. Hierfür sind Automatisierungsprozesse in Umschlag und Lagerung zu unterstützen.
  • Nördlich direkt angrenzend an die städtischen Gewerbeflächen, die unter dem Namen LogInPort (Logistik, Industrie, Hafen) vermarktet werden, schließt sich ein größeres Grünland-Areal in der Gemeinde Geestland an. Die Etablierung eines gemeinsamen Gewerbegebietes wurde bereits vor einigen Jahrzehnten zwischen Bremerhaven und der damaligen Stadt Langen diskutiert, damals allerdings nach Intervention durch das Land Bremen zunächst verworfen. Bei der Erschließungsplanung und Vermarktung in den Gewerbegebieten im nördlichen Bremerhaven wurde jedoch eine mögliche Trasse für die Anbindung dieses Gewerbegebietes bereits planerisch vorgesehen. Hier sind Gespräche mit der Nachbargemeinde über die Etablierung eines gemeinsamen Gewerbegebietes mit Fokussierung auf den Hafen aufzunehmen. Zur Entzerrung der Wirtschaftsverkehre im Hafen und für einen reibungslosen Warenaustausch zwischen dem Hafen und den angrenzenden Gewerbegebieten ist der Bau der Hafenspange Ost zwischen Rotersand und dem neuen Hafentunnel erforderlich.
Weitere Bremerhavener Gewerbegebiete: Auch für Bremerhaven kommt es darauf an, alle Gewerbeflächenpotenziale auszuloten, insbesondere dort, wo wichtige Infrastrukturen in der Nähe sind. Neben den Bereichen Hafentunnel, Überseehafen und Fischereihafen gilt dies für die auch für die A 27 und die daran grenzenden Gebiete Poristraße, Carsten-Lücken-Straße und IKEA/Bohmsiel als weitere Flächen für die Entwicklung von kleinteiligem Gewerbe. Hierunter fallen (u.a.) Unternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bau von technischen Geräten und Anlagen, Unternehmen aus dem Bereich Nahrungs- und Genussmittelproduktion oder Unternehmen, die vorrangig chemische Produkte, Glas oder Steine bearbeiten. Weiter sind diese Gebiete für Dienstleistungsbetriebe geeignet, die u.a. Forschungs- und Entwicklungs- sowie Laborleistungen für die gewerbliche Wirtschaft erbringen. Während in den Gewerbegebieten Poristraße und Bohmsiel nahezu 100 Prozent der Flächen vermarktet sind, entstehen in dem geplanten Gewerbegebiet an der Carsten-Lücken-Str. Gewerbeflächen in einer Größenordnung von ca. 2,4 ha, wenn Bauleitplanung und Erschließung abgeschlossen sind.

4. Instrumente für die Gewerbeflächenentwicklung im Land Bremen

Gebietsmanagement flächendeckend entwickeln: Um konkrete Potenziale, Bedarfe und Herausforderungen zu erkennen, reicht ein gesamtstädtischer Blick nicht aus. Es bedarf eines genauen und koordinierten Blicks auf die einzelnen Gewerbegebiete selbst. Das gilt insbesondere für ältere, gewachsene Bestandsgebiete, die nicht im Fokus von Clusterpolitik und Neuvermarktung stehen. Das Instrument des Gewerbegebietsmanagements erfährt in Deutschland Zuspruch, auch in Bremen sind jüngst zwei Gewerbegebietsmanagerinnen für kleine Gebiete im Bremer Westen und Süden eingestellt worden. Gewerbegebietsmanagement kann dabei helfen, unerwünschte Fehlnutzungen und Probleme, zum Beispiel durch Vermüllung oder fremdparkende Lkw, zu erkennen. Außerdem können sie Unternehmen dabei unterstützen, gemeinsam von mehreren Betrieben genutzte Infrastrukturen (wie 3D-Drucker, Gabelstapler, Ladesäulen etc.) zu etablieren. Ebenso können Sie Bedarfe für eine bessere digitale Infrastruktur identifizieren, um die Gebiete auf dem aktuellen Stand zu halten und langfristig attraktiv für Unternehmensentwicklungen zu machen. Zu den Aufgaben eines Gewerbegebietsmanagements sollte auch der konsequente Einbezug der Bestandsunternehmen sowie insbesondere die Abfrage und mögliche Berücksichtigung von Entwicklungsvorhaben und Flächenbedarfen dieser Unternehmen bei Vermarktungsaktivitäten im Umfeld dieser Standorte gehören. Auf Grund der guten Erfahrungen sollten weitere Gewerbegebiete wie zum Beispiel die Airport-Stadt, das Bremer Kreuz oder die Bayernstraße ein Gewerbegebietsmanagement an die Seite gestellt bekommen. Auch für Bremerhaven sollte dieses Instrument geprüft werden.
Attraktive Jobs für Fachkräfte in attraktiven Gewerbegebieten: Viele Gewerbegebiete leiden auf Grund ihrer planungsrechtlichen Struktur, Randlage und Historie an einem Mangel an geeigneten Infrastrukturen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitsplatznahe und ansprechende Angebote der Gastronomie, etwa für den Mittagstisch, Supermärkte für den Einkauf nach Feierabend, Kita vor Ort, aber auch Grünflächen, um vom Arbeitsalltag kurz abschalten zu können, sind nicht nur ein Element guter Arbeit, sondern leisten auch einen Beitrag zur Fachkräftegewinnung für die Stadt. Gewerbegebiete - neue wie alte – müssen sich diesen Anforderungen stellen und Angebote entwickeln.
Die verkehrstechnische Anbindung der Gebiete für alle Verkehrsträger muss den Bedarfen angepasst werden. Insbesondere muss ein leistungsfähigerer und attraktiverer Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) entwickelt werden, durch den Erreichbarkeit aus Stadt und Umland für den Arbeitsweg, nicht nur zu den Stoßzeiten, garantiert wird. Dies ist eine wichtige Herausforderung für die Zukunft. Attraktive Gewerbegebiete mit einer ansprechenden arbeitsplatznahen Infrastruktur sind ein Baustein, Bremen für Fachkräfte attraktiv zu machen und zu halten.
Kooperation mit den Umlandgemeinden: Für die Gewerbeflächenentwicklung bedarf es auch einer verstärkten strategischen Flächenentwicklung gemeinsam mit dem niedersächsischen Umland. Angesichts der wirtschaftlichen Verflechtung profitiert auch das Land Bremen von einer gemeinsamen Gewerbeflächenentwicklung mit den Umlandgemeinden, zum Beispiel durch Einkommen, Beschäftigung und Steuern. Interkommunale Gewerbegebiete sind jedoch komplexe Angelegenheiten. Hierfür bedarf es der Offenheit bei allen beteiligten Akteuren, der Verlässlichkeit über Wahlperioden hinweg sowie des Grundverständnisses für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Vor allem aber bedarf es eines verstetigten Dialogs mit allen Umlandgemeinden, einer gemeinsamen Plattform und einer gemeinsam entwickelten Gewerbestrategie – mindestens für die Stadt/Umland-Region, wenn nicht gar für die gesamte Metropolregion Nordwest.
Vor diesem Hintergrund unterstützt die Handelskammer das Projekt Bremer Kreuz/Achim-West ausdrücklich. Seit langem ist es ihre Zielvorstellung, dass sich Bremen an diesem Projekt beteiligen muss, weil es nicht nur für die Stadt Achim und den Landkreis Verden, sondern auch für Bremen positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Arbeitsplätzen, Einwohnerzahlen und Vorleistungsgütern haben wird. Um dieses bundesweit einmalige interkommunale und Landesgrenzen übergreifende Vorhaben gut auf den Weg zu bringen, muss die konkrete finanzielle und organisatorische Beteiligung Bremens ausgestaltet werden - beispielsweise durch Gründung einer gemeinsamen Projektgesell-schaft sowie einer verbindlichen und fairen Verabredung zur Gewerbesteuerteilung.
Der Abschlussbericht der Klimaenquete sieht einen Ausbau der Windenergie auf bis zu 400 MW bis zum Jahr 2038 vor. Das entspräche in etwa einer Verdopplung der heutigen Kapazität auf Bremer Gebiet. Hierfür müssen noch konkrete Lösungen gefunden werden. Das gilt auch für die im Abschlussbericht genannte Vereinbarkeit von Gewerbe und Windkraft, die nicht für alle Standorte vorausgesetzt werden kann. Zum Erhalt und zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes wird Bremen weiterhin auf ausreichende Gewerbeflächen angewiesen sein. Stattdessen könnten zur Erzeugung von Windkraft auch Standorte im niedersächsischen Umland in Erwägung gezogen werden – ähnlich dem bei Ausgleichsflächen üblichen Verfahren. So könnte sichergestellt werden, die knappen Flächen einer ökonomisch sinnvollen Verwendung vorzubehalten, ohne dabei die Klimaziele aus dem Auge zu verlieren. Diese Form der Regionalkooperation muss jetzt zügig anmoderiert werden.

5. Was sofort umgesetzt werden kann

Die Dispositionsreserve an verfügbaren Gewerbeflächen ist schon heute stark abgeschmolzen, und die Qualifizierung von Bestandsgebieten braucht Zeit. Um bereits heute ansiedlungs- und erweiterungswilligen Unternehmen eine Perspektive zu geben, bedarf es neben langfristigen Planungen in der aktuellen Gewerbeflächenpolitik auch kurzfristiger Lösungen. Daher schlägt die Handelskammer ein Sofortprogramm zur Flächenmobilisierung vor. Mit dem klaren Ziel zügiger Inwertsetzung und rascher Hebung von Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzialen werden hierzu sowohl Maßnahmen als auch konkrete Flächen benannt, für die bereits Baurecht existiert oder vergleichsweise schnell hergestellt werden könnte:
  1. Das nordwestliche Areal der Überseestadt im 2007 beschlossenen Bebauungsplan 2335 (zwischen Hafenkante, Speicher XI und Holzhafen) ist in den noch unbebauten Zonen als Gewerbegebiet ausgewiesen, bisher aber kaum entwickelt. Eine dem Standort angemessene städtebauliche und nutzungsbezogene Qualifizierung, wie sie derzeit diskutiert wird, ist grundsätzlich zu begrüßen, sollte allerdings nicht dazu führen, dass sich die Entwicklung des Gebiets verzögert. Eine unbürokratische Ansiedlung von Unternehmen mit geeignetem Profil sollte an diesem Standort zügig ermöglicht werden.
  2. In Oslebshausen befinden sich in der Verlängerung des Gewerbegebiets Schragestraße entlang des Verbindungswegs „Pferdeweide“ mögliche, gut angebundene Flächen zur gewerblichen Nutzung. Für das Gelände sollte eine Potenzialanalyse durchgeführt werden.
  3. Der Standort „Horner Spitze“ sollte als Erweiterung des Technologieparks ohne weiteren Verzug entwickelt werden.
  4. Für das Gebiet Nußhorn in Bremen-Osterholz wurde bereits 2006 ein Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan 2361 gefasst. Der Standort wurde zudem 2018 als explizit geeignet für kleinteilige Gewerbeansiedlungen identifiziert. Seitdem herrscht jedoch Stillstand. Der Planungsprozess sollte zügig im Sinne einer gewerblichen Entwicklung des Gebiets fortgesetzt werden.
  5. Schaffung von Planungsrecht für das Güterbahnhofsareal westlich und östlich der Hemmstraße zur Erschließung und Entwicklung als „Urbane Gebiete“ mit Flächen für kleinteiliges Gewerbe, Dienstleistungen und Wohnen.
  6. Die ökologisch unbedeutenden Brachflächen rund um den ehemaligen Güterbahnhof sollten als Mischgebiet oder Urbanes Gebiet aktiviert werden, zu dessen Erschließung die Gleistrasse der Oldenburger Kurve vollständig nördlich um das Gebiet herumverlegt werden muss.
  7. Klärung der Flächenbedarfe und realistischen Flächenoptionen für die Luft- und Raumfahrt in Flughafennähe.
  8. Planung und Bau leistungsfähiger und schwerlasttauglicher Kajen am Bremerhavener Fischerei-hafen II im Bereich des ehemaligen Flugplatzes Luneort.
  9. Weitere Profilierung des Wissenschaftsstandortes Bremerhaven durch gezielte Ansiedlungspolitik, Flächenbereitstellung und Startup-Förderung.
  10. Erstellung einer Gewerbeflächenprognose für den Zeitraum bis 2030 sowie die Entwicklung eines Flächentauschverfahrens, in das neben den Gewerbearealen auch Wohnbauflächen, Grün- und Wasserflächen sowie Verkehrsflächen einbezogen werden.
  11. Einrichtung einer Gewerbeflächenkonferenz, die unter Einbezug der Kammer und der Unternehmerschaft Erkenntnisse über den Flächenbedarf der Bremer Wirtschaft und mögliche Entwicklungsstrategien liefern soll.
  12. Projekte zur Gewerbeflächenentwicklung werden durch komplexe politische Entscheidungsprozesse und überlange Bauleitplanverfahren spürbar erschwert. Dies gilt für Bremen deutlich mehr als für Bremerhaven. Die Handelskammer erneuert daher ihre Forderung, dass Bauanträge im Gewerbebau binnen drei Monaten beschieden werden müssen; liegt dann keine Entscheidung vor, gilt ein Antrag automatisch als genehmigt (Genehmigungsfiktion).

6. Fazit

Die Bremische Wirtschaftsstrukturpolitik steht momentan vor entscheidenden Weichenstellungen: Wie entwickeln die Städte Bremen und Bremerhaven ihre Gewerbegebiete weiter? Wie will das Land seine Häfen voranbringen? Derzeit besteht die Gefahr, dass diese Weichenstellungen für die Zukunft falsch gestellt werden oder große Entwicklungen einfach stets zu viel Zeit für Planung und Umsetzung benötigen. Bremen und Bremerhaven müssen proaktive und keine reaktiven Gewerbeflächenpolitiken betreiben. Theorielastige und konkrete Flächenaussagen vermeidende Gewerbeentwicklungskonzepte helfen nicht wirklich weiter.
Bremen und Bremerhaven benötigen eine Gewerbeflächenpolitik, die Unternehmensgründungen, Neuansiedlungen und Erweiterungen durch vorausschauende Flächenangebote unterstützt, Wettbewerbsfähigkeit ausbaut und Innovationen fördert.
Ziel des Senats und des Bremerhavener Magistrats muss es sein, praktikable und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit dem Ziel, Arbeitsplätze und Unternehmen sowie dadurch auch Steuereinnahmen für das Bundesland zu sichern. Hierfür sind klare Perspektiven, verlässliche politische Zuordnungen sowie gemeinschaftliches Handeln erforderlich. Ein solches Bekenntnis der Politik zu den Wirtschaftsstandorten Bremen und Bremerhaven nimmt auch die Unternehmen mit in die Pflicht, sich für Nachhaltigkeit, gute Arbeit, Innovationen und das Gemeinwesen insgesamt zu engagieren.
Vom Plenum der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven am 9. Mai 2022 einstimmig beschlossen.