Falsche Maßnahme zur falschen Zeit - Handelskammer, Handwerkskammer und Unternehmensverbände kritisieren geplanten Ausbildungsfonds als sinnlose finanzielle Belastung für Unternehmen – Positionspapier zur Verbesserung der Ausbildungssituation vorgestellt

(PM 37-2022, 19.09.2022) Der in Bremen diskutierte umlagefinanzierte Ausbildungsfonds ist für Unternehmen nicht nur eine unnötige finanzielle Belastung. In Anbetracht der zahlreichen unbesetzten Ausbildungsstellen, der Vielzahl bereits vorhandener Förderinstrumente und aktueller Pläne der Bundesregierung für eine bundesweite Ausbildungsgarantie ist er auch sinnlos. Statt einen Ausbildungsfonds einzuführen, sollten die bereits vorhandenen Instrumente zur Förderung der dualen Ausbildung in einem Schulterschluss von Politik und Wirtschaft fortgesetzt, überprüft und – wo nötig – verbessert werden. Diese gemeinsame Überzeugung haben die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven, die Handwerkskammer Bremen sowie die Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V. heute (19. September) im Rahmen einer Pressekonferenz im Haus Schütting der Handelskammer bekräftigt und dazu ein Positionspapier vorgelegt.
Eduard-Dubbers-Albrecht, Präses der Handelskammer, Thomas Kurzke, Präses der Handwerkskammer, und Lutz Oelsner, Präsident der Unternehmensverbände, fassten die Kritik zahlreicher Unternehmen zusammen.
„Wir registrieren bei den Firmen in Bremen und Bremerhaven großen Unmut über die Pläne für den Ausbildungsfonds – besonders vor dem Hintergrund, dass es mehr offene Stellen als geeignete Bewerberinnen und Bewerber gibt. Viele Unternehmen, die gerne ausbilden würden, aber keine geeigneten Bewerber finden, fühlen sich völlig zu Unrecht an den Pranger gestellt“, sagten Eduard Dubbers-Albrecht, Thomas Kurzke und Lutz Oelsner bei der Pressekonferenz, an der auch die Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger (Handelskammer), Andreas Meyer (Handwerkskammer) und Cornelius Neumann-Redlin (Unternehmensverbände) teilnahmen.
Außerdem gehe der geplante Ausbildungsfonds inhaltlich fehl.
„Ende August standen 1.499 unbesetzte Ausbildungsplätze zur Verfügung, ein Plus von 553 (58,5 Prozent) gegenüber dem Vorjahreswert. Diesen standen 1.166 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, ein Rückgang von 12,3 Prozent. Damit setzt sich der Trend des Jahres 2021 fort, denn schon damals war die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze um über 10 Prozent gestiegen und zugleich die Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber um mehr als 30 Prozent zurückgegangen. Trotz dieser Entwicklung ist die Ausbildungsquote im Land Bremen seit Jahren höher als im Bundesdurchschnitt sowie mit 4,9 Prozent auch deutlich höher als in den anderen Stadtstaaten. In Berlin liegt sie bei nur bei 3,2 Prozent, in Hamburg bei vier Prozent. Die Unternehmen suchen händeringend Nachwuchs. Eine Strafsteuer, und nichts anderes ist die angedachte Umlage faktisch, wäre hier kontraproduktiv und müsste als Ultima Ratio auch juristisch überprüft werden“, so die Vertreter der Kammern und Unternehmensverbände.
Weitere Kritik übten sie an den Doppelstrukturen im Bereich von Fördermaßnahmen für unversorgte Jugendliche, die durch den Ausbildungsfonds geschaffen würden.
„Bereits heute gibt es im Land Bremen eine große, selbst von Fachleuten kaum überschaubare Anzahl von Maßnahmen zur Förderung der dualen Ausbildung. Eines der wesentlichen Ziele des geplanten Ausbildungsfonds ist deren weitere Finanzierung. Diese kann künftig aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch über die vom Bund geplante, nicht auf einer Umlage basierenden Ausbildungsgarantie erfolgen. Eine Bremer Insellösung würde also auch in finanzieller Hinsicht für das Land nicht erforderlich sein, sondern die hiesigen Unternehmen nur unnötig belasten.“
 
Darüber hinaus käme die Ausbildungsumlage zur Unzeit.
„Deutschland und Bremen stehen angesichts multipler Krisen vor einer Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Es ist zwar das demokratische Recht jeder Landesregierung, aus ideologischen Gründen auch inhaltlich falsche Maßnahmen zu beschließen. In dieser aktuellen Situation jedoch sollten alle Akteure in unserer Stadt zusammenstehen, gemeinsam handeln und zum Beispiel die bereits vorhandenen Instrumente der Jugendberufsagentur und der Vereinbarung ‚Ausbildung: innovativ‘ weiterentwickeln.“
Was ihrer Meinung nach getan werden muss, zeigen die Kammern und Unternehmensverbände in ihrem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel „Duale Ausbildung im Land Bremen stärken – mit sinnvollen Maßnahmen, statt eines umlagefinanzierten Ausbildungsfonds“. Die vier Kernpunkte des Papiers umfassen die Verbesserung der Schulbildung und des Spracherwerbs Jugendlicher, den Ausbau von Maßnahmen zur Berufsorientierung, die Verbesserung des Matchings – insbesondere mit Blick auf „besondere Jugendliche“, sowie die intensivere Nutzung von Instrumenten, die Auszubildende während ihrer Ausbildung unterstützen.
„Die gute und vertrauensvolle Abstimmung, die es gerade in den ersten Monaten der Corona-Pandemie gab, kann ein Vorbild für eine gemeinsame Krisenbewältigung sein. Wir sind dazu bereit“, sagen die Kammern und Unternehmensverbände.