Vertragsrechtliche Fragen in Krisenzeiten

Bitte beachten Sie zu der aktuellen Situation auch unseren Artikel zum Ukrainekonflikt: Völkerrechtliche Einordnung und Auswirkungen.

Was ist, wenn ein Vertrag nicht erfüllt werden kann?

Hier ist zunächst zu prüfen, welche Art von Vertrag vorliegt. Zuerst sollte ein Blick in die Vertragsunterlagen geworfen werden. Liegen hier Vereinbarungen zum Fall der höheren Gewalt (Force Majeure) vor, können diese als erster Anhaltspunkt genutzt werden. Unter der  höheren Gewalt versteht sich ein Ereignis, welches von außen auf den laufenden Betrieb einwirkt, dass weder vernünftigerweise zu erwarten, noch unter Beachtung der jeweiligen Sorgfalt vorauszusehen war, noch abgewendet werden konnte.
Eine solche Klausel kann allerdings nur weiterhelfen, sofern man unter den vorliegenden Umständen, eine z.B. Pandemie (Corona) als höhere Gewalt werten kann. Solange ein unvorhersehbares Ereignis vorliegt, welches nicht abwendbar war, lässt sich sicherlich auch die aktuelle Corona Pandemie unter den Fall der Höheren Gewalt subsumieren. Für neu abzuschließende Verträge ist daher zu überprüfen, inwiefern bei bereits bekannten Pandemien solche Klauseln noch greifen können. Hier empfiehlt es sich vorausschauende Klauseln zu vereinbaren oder Vertragsanpassungen zuzulassen.
Bei Vorliegen von Höherer Gewalt wird die Vertragspartei ganz oder teilweise von ihren vertraglichen Pflichten befreit, da die Erfüllung der jeweiligen Leistungspflicht unmöglich geworden ist. Die Unmöglichkeit ist im Einzelfall zu überprüfen, da sich meist auch alternative Möglichkeiten aus dem geschlossenen Vertrag ergeben können. Nur weil eine Vertragspartei unter erschwerten Umständen leisten kann, heißt dies nicht, dass sie nicht leisten muss. Genauso liegt keine Unmöglichkeit vor, wenn der Leistungserbringer noch leisten kann, der Leistungsempfänger die Leistung oder Ware aber schlicht nicht mehr benötigt. Man sieht anhand dieser Aussagen, dass eine pauschale Betrachtung leider nicht möglich ist und jeweils im Einzelfall erläutert werden muss.
Neben der Möglichkeit eine Klausel über höhere Gewalt in Verträge aufzunehmen, gibt es auch Umstände, die nicht als höhere Gewalt gelten und die Leistungserbringung für eine Partei dennoch unzumutbar geworden ist, da diese mit unzumutbaren Härten verbunden ist. Solche Möglichkeiten können durch Härtefallklauseln (Hardship-Clauses) vertraglich abgesichert werden (siehe hierzu unseren letzten Punkt – Wo erhalte ich weitere Informationen). Gerade im internationalen Rechtsverkehr kann durch die Betrachtung verschiedener nationaler Rechtsnormen Rechtssicherheit durch eine Härtefallklausel geschaffen werden. Aber auch entsprechende Anpassungsklauseln können hier zum Einsatz kommen.
Sind keine Vereinbarungen für Krisensituationen im Vertrag zu finden muss der Dialog mit dem Vertragspartner aufgenommen werden, um eine Vertragsanpassung oder sogar einen Rücktritt vom Vertrag zu erörtern. Ist eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder der anderen Partei nicht zuzumuten, folgt aus der nachträglichen schwerwiegenden Veränderung oder Störung der Geschäftsgrundlage unter Umständen das Recht des benachteiligten Teiles zum Rücktritt oder zur Kündigung (bei Dauerschuldverhältnissen).
In einigen Ausnahmefällen können staatliche Eingriffe im Zusammenhang mit dem Coronavirus wie die behördliche Anordnung zur Geschäftsschließung eine Störung der Geschäftsgrundlage begründen. Dies ist jedoch nicht der Regelfall. In der Regel hat der Vertrag und seine Verpflichtungen weiterhin bestand und muss trotz Schwierigkeiten erfüllt werden.

Was bedeuten die Absagen von Veranstaltungen wegen Höherer Gewalt?

Der Fall der Höheren Gewalt liegt vor, wenn es in Anbetracht der Umstände und unter Einhaltung der jeweils erforderlichen Sorgfalt unmöglich ist, der vertraglichen Verpflichtung nachzukommen. Die Unmöglichkeit der vertraglichen Leistung tritt nur ein, wenn sie nicht erwartet werden konnte, vorauszusehen war oder verhindert hätte werden können. Daher kommt es wieder auf jeden Einzelfall an, ob Höhere Gewalt geltend gemacht werden kann oder nicht. Pauschale Aussagen wie, eine Veranstaltungsabsage aufgrund Corona, kann nicht zur einseitigen Lösung von allen vertraglichen Pflichten führen.
Unmöglichkeit liegt nur vor, wenn eine behördliche Stelle, wie das Gesundheitsamt unter Anordnung der Quarantäne den jeweiligen Betrieb einstellt oder die Veranstaltung absagt. Allgemeine Absagen aufgrund reiner Vorsichtsmaßnahmen zählen hier nicht dazu. Daher empfehlen wir Ihnen mit dem jeweiligen Vertragspartner bei Störungen und Problemen zu sprechen und eine einvernehmliche Lösung anzustreben.

Wer übernimmt die Kosten für gebuchte Hotelzimmer bei Absage einer Veranstaltung?

Unter bestimmten Umständen hat der Veranstalter bei der Absage einer Veranstaltung die dadurch entstandenen Schäden zu ersetzen, z.B. die Kosten für ein gebuchtes Hotelzimmer und bereits bezahlte Fahrtkosten. Dies gilt jedoch nur, wenn der Veranstalter ein Verschulden an dem Ausfall trägt. Anders zu beurteilen ist es, wenn von sogenannten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen auszugehen ist. Ob eine Absage wegen des Coronavirus tatsächlich als ein derartiger Umstand zu bewerten ist, muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden. Allein durch die Absage der Veranstaltung liegt kein Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor.
Zu differenzieren ist zudem, ob eine getrennte oder eine pauschale Buchung von einer Veranstaltung im Zusammenhang mit einer Hotelbuchung vorlag. Bei getrennter Buchung könnte das Zimmer auch ohne Besuch der Veranstaltung genutzt werden. Es ist lediglich der Zweck oder der Grund für die Buchung des Hotels weggefallen. Diese Tatsache allein, berechtigt jedoch nicht zum Rücktritt vom Vertrag. Hier kann man nur auf Kulanz der Hotels hoffen oder die jeweiligen Stornierungsgebühren hinnehmen. Wurden Hotel und Veranstaltung (oder auch weitere Bestandteile) jedoch als Pauschalangebot gebucht und entfällt der Zweck der Reise sollte ein Rücktritt von der gesamten Leistung möglich sein.

Mache ich mich als Veranstalter oder Lieferant schadensersatzpflichtig, wenn ich meinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann?

Wie bereits bei einer Absage einer Veranstaltung beschrieben muss ein Verschulden der jeweiligen Vertragspartei vorliegen, um Schadensersatz von diesen fordern zu können. Wenn eine behördliche Anordnung zur Betriebsschließung oder zum Tätigkeitsverbot führt oder letztendlich aufgrund dessen eine Veranstaltung nicht durchgeführt werden kann, ist grundsätzlich ein Verschulden ausgeschlossen.
In Zeiten der Corona-Pandemie müsste also ein Verschulden nachgewiesen werden, damit sich hieraus eine Schadensersatzpflicht ergeben könnte. Auch lassen sich hier wieder keine pauschalen Aussagen treffen. Es muss überprüft werden, ob der jeweilige Vertragspartner seine vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft vernachlässigt hat. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Vertragspartner eine Lieferung nicht ausführen kann oder er es aufgrund Personalmangels nicht rechtzeitig schafft seine Aufträge zu erfüllen und es sodann pflichtwidrig unterlässt, seinen Kunden oder Auftraggeber über diesen Umstand zu informieren.
Möchte der einen Schaden erleidende Vertragspartner anstelle von Schadensersatz der Leistung nunmehr Aufwendungsersatz geltend machen, muss er nachweisen, dass ihm auch ein Schaden entstanden ist, den der Verletzende durch seine Nichtleistung zu vertreten hat. Hier kommt es auch darauf an, ob der geschädigte Vertragspartner im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages bereits billigerweise Aufwendungen getätigt hat und die Ursache für die Vergeblichkeit der getätigten Aufwendungen in der Nichterfüllung der vertraglichen Leistungen seines Vertragspartners liegt.

Checkliste: Lösen vom Vertrag

  1. Blick in den Vertrag: Klausel zur Höheren Gewalt/Härtefallklausel vorhanden? Lässt sich diese auch auf die aktuelle Situation beziehen?
  2. Keine vertraglichen Regelungen vorhanden? Blick ins Gesetz: Gibt es gesetzliche Regelungen um sich von der vertraglichen Leistungspflicht (vorübergehend) zu lösen? Wenn die Beeinträchtigung eines Unternehmens durch die aktuelle Situation derart groß ist, dass eine vollständige Unmöglichkeit eintrifft, sind dementsprechend durch die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung auch eventuell bestehende Schadensersatzansprüche ausgeschlossen. Hiervon gibt es jedoch auch Abweichungen, beispielsweise im Falle des Verschuldens des Vertragspartners.
  3. In Dialog treten: Treten Leistungshindernisse ein, sollte der Vertragspartner umgehend informiert werden, um einvernehmliche alternative Lösungen zu finden. Auch in Zeiten der Krise können die Vertragspflichten nicht vollständig aufgehoben werden.
  4. Letzter Ausweg: Änderung bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage, Rücktritt oder Kündigungsmöglichkeiten überprüfen.

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