Abgabebescheid zur Ausbildungsumlage erhalten - Was können Sie argumentieren
Am 28.02.2025 endete die Frist zur Übermittlung der Daten im Meldeportal zur Festsetzung der Ausbildungsabgabe. Die Abgabebescheide werden nach Auskunft der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration erst ab Ende Juni 2025 an die Unternehmen ohne Einzelfallprüfung versandt. Der Versand der Bescheide über Einzahlungen in den Fonds beziehungsweise Auszahlungen aus dem Fonds wird in diesem Jahr zunächst ausschließlich postalisch erfolgen. Bescheide mit Nachweis- bzw. Einzelfallprüfungen folgen zu einem späteren Zeitpunkt, bei ihnen könnte – falls vom Unternehmen gewünscht und die technische Anbindung des Postfachs “meinUK” funktioniert – zukünftig auch eine digitale Zustellung möglich sein.
Die Unternehmen haben dann die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides Rechtsmittel gegen den Abgabebescheid einzulegen und damit die Heranziehung zur Ausbildungsabgabe anzufechten. Dies geschieht - neben dem aus Sicht der Handelskammer gleichzeitig einzulegenden Widerspruchsverfahren - mit der Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Bremen.
Wir möchten unseren Mitgliedsunternehmen vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem von uns angestrengten Normenkontrollverfahrens einen Überblick über die möglichen Argumentationen in den Klage- und Widerspruchsverfahren geben.
In dem von der Handelskammer Bremen und fünf weiteren Kammern angestrengten Normenkontrollverfahren wurde die Vereinbarkeit des Gesetzes zur Errichtung eines Ausbildungsunterstützungsfonds im Land Bremen auf seine Vereinbarkeit mit der bremischen Landesverfassung überprüft. In dem Verfahren wurde mit einer sehr knappen Mehrheit von 4:3 Stimmen festgestellt, dass das Ausbildungsunterstützungsfondsgesetz die bremische Landesverfassung nicht verletzt. In dem Verfahren wurde zwar die Vereinbarkeit des Gesetzes mit bremischem Verfassungsrecht geprüft. Inzident waren aber maßgebliche Fragen des bundesdeutschen Verfassungsrechts Gegenstand der Argumentation. Diese sind in den anstehenden Klage-verfahren von den Verwaltungsgerichten einer Prüfung zu unterziehen, da es jetzt nicht mehr um die Verletzung bremischen Verfassungsrechts im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens geht, sondern alle Verletzungen bundesdeutschen Rechts, also auch des Verfassungsrechts, zu prüfen sind.
Eine Auswahl der rechtlichen Erwägungen finden sich nachstehend. Diese bieten einen Einblick in die Argumentationsbreite, sind aber in jedem Fall auf ihre Verwendbarkeit in den Klageverfahren zu überprüfen. Es wird dringend empfohlen, fachlich versierte Rechtsvertretungen mit der Verfahrensführung zu beauftragen:
1. Abgabenerhebung
Das Ausbildungsunterstützungsfondsgesetz dient dem Ziel der Finanzierung eines Ausbildungskostenausgleichs, der Finanzierung von Maßnahmen des Ausbildungsunterstützungsfonds sowie der Finanzierung von Verwaltungsleistungen. Die hierfür notwendigen Mittel werden von den abgabepflichtigen Unternehmen eingezogen. Die jeweilige Höhe der Abgabe wird in dem jeweiligen Abgabebescheid festgelegt, der auf dem Ausbildungsunterstützungsfondsgesetz beruht. Wäre das Gesetz verfassungswidrig, wären die darauf beruhenden Abgabebescheide rechtswidrig, eine Zahlungspflicht bestände nicht. Die folgenden Argumente können im Verwaltungsklageverfahren (und einem Widerspruchsverfahren) herangezogen werden:
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Dem bremischen Landesgesetzgeber fehlt die notwendige Gesetzgebungskompetenz. Auf Bundesebene ist nach mehreren vergeblichen Versuchen, eine Ausbildungsabgabe einzuführen, von diesem Vorhaben Abstand genommen worden. Dieser bewusste Regelungsverzicht („beredtes Schweigen“) des Bundesgesetzgebers begründet eine Sperrwirkung. Spätestens mit der am 21. Juli 2023 in Kraft getretenen „Ausbildungsgarantie“ (Bundesgesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung) greift diese Sperrwirkung nunmehr ein.
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Die Gliedstaatenklausel des Grundgesetzes steht der wettbewerbsverzerrenden Wirkung der Bremer Ausbildungsabgabe im Wirtschaftsraum Bremen/der Metropolregion Nordwest (und darüber hinaus) entgegen.
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Das AusbUFG weist nicht die nötige Bestimmtheit auf, die es als Rechtsgrundlage für eine Abgabenerhebung bei Unternehmen und Betrieben benötigt. Das gilt sowohl für die Festlegung der Eingriffsvoraussetzungen als auch für die Sicherstellung des korrekten, nur eingeschränkt zulässigen Umgangs mit den eingenommenen Geldern. Insbesondere ist – auch noch nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs – unklar, wie weit der Kreis der Abgabenschuldner reicht. Ebenfalls unklar bleiben die Maßgaben des AusbUFG, die die Mittel-verwendung auf ein legitimes Maß eingrenzen sollen.
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Das AusbUFG verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit. Zum einen verfehlt die im AusbUFG angeordnete Ausgleichszahlung für Ausbildungsbetriebe ihre Wirkung, weil der Ausgleichsbetrag angesichts der hohen Lasten und Risiken der Ausbildung deutlich zu gering ist. Zum anderen stellen sich die aus dem Ausbildungsfonds zu finanzierenden „Maßnahmen“ entweder als nicht erforderliche Doppelung bereits vorhandener Maßnahmen oder als – gesetzlich verbotene – Ersetzung staatlicher Förderungsmaßnahmen dar. Neben das bestehende System koordinierter Maßnahmen ein weiteres Maßnahmensystem zu setzen, stellt sich für die Ausbildungsbetriebe als nicht erforderlich und unverhältnismäßig im Sinne des Übermaßverbotes dar.
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Die Gegenüberstellung der offenen Ausbildungsstellen einerseits und der Ausbildungsplatzbewerber andererseits ergibt für Bremen ein deutliches Überangebot an offenen Ausbildungsplätzen. Zugleich bestehen im staatlichen Bremer Schulwesen und bei der Integration von Zugewanderten staatliche Defizite, die gerade bei der Qualität der Bremer Schulen signifikant unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Das setzt in Bremen eine wesentliche Ursache dafür, dass weniger ausbildungsfähige junge Menschen hervorgebracht werden. Einerseits dieses staatliche Defizit nicht ausgeglichen zu haben, was zweifelsohne besser geeignet wäre, die Ziele des AusbUFG zu erreichen, andererseits aber die Ausbildungsbetriebe mit einer Ausbildungsabgabe zum Ausgleich dieser Defizite heranzuziehen, ist in besonderer Weise unverhältnismäßig im Sinne des grundrechtlich geforderten Verhältnismäßigkeitsprinzips.
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Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Sonderabgabe sind nicht erfüllt. Die Ausbildungsabgabe ist eine Abgabe mit Finanzierungsfunktion, an die das Grundgesetz besonders strenge Anforderungen stellt. Diese kann das AusbUFG nicht erfüllen:
Die als Abgabeschuldner in Anspruch genommene Gruppe ist inhomogen. Der Staatsgerichtshof hatte in seinem Urteil zwar versucht, hier gesehene Defizite zu beheben. Dies überschreitet aber die Grenzen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung, wie auch das Sondervotum der drei Richter des Staatsgerichtshofes aus zutreffenden Gründen zeigt. Zudem ist der Kreis der Abgabepflichtigen auch nach dem Staatsgerichtshof-Urteil unklar geblieben.
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Es fehlt zudem an der Finanzierungsverantwortung der Unternehmen und Betriebe durch spezifische Sachnähe. Die Ursachen für den Fachkräftemangel liegen in allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen, u.a. der Demographie, der Zuwanderungssituation sowie in der mangelnden Orientierung junger Menschen nach der Schule im Übergangsbereich zu Ausbildung, Studium oder alternativ auch in das Berufsleben. In Bremen kommt die Qualität der staatlichen Schulbildung hinzu. Diese Aufgaben sind aus Steuermitteln zu finanzieren. Zudem haben die Arbeitgeber keinerlei Ursache für die beklagten Defizite gesetzt.
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Schließlich ist die tatsächlich gruppennützige Verwendung der staatlicherseits eingenommenen Ausbildungsabgaben nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gesichert. Insbesondere die beispielhafte Aufzählung der Maßnahmen in § 4 AusbUFG in ihrer ganzen Unbestimmtheit und Breite zeigt einen unzureichenden Rahmen auf.
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Schließlich greift der Staat mit den Maßnahmen, die er aus dem AusbUFG finanzieren möchte, in die Kompetenzen der jeweiligen berufsständischen Kammern, in denen die Unternehmen und Betriebe organisiert sind, ein. Zu den wichtigen Aufgaben der Kammern gehört die Begleitung und Unterstützung der Ausbildungsbetriebe sowie der übrigen Unternehmen und Betriebe. Jede Kammer engagiert sich spezifisch ausgerichtet auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder und des jeweiligen Berufsnachwuchses in den entsprechenden Berufsbildungsbereichen. Die Maßnahmen, die der Staat aus der Ausbildungsabgabe finanzieren will, kreuzen und überschneiden sich damit. Das hilft einerseits den Auszubildenden nicht und stellt andererseits einen Verstoß gegen die Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben dar, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz abgeleitet hat.
Hinweis: Der Senat hat das erste Gesetz zur Änderung des Ausbildungsunterstützungsfondsgesetzes am 08. April 2025 im Gesetzblatt der freien Hansestadt Bremen verkündet (Gesetzblatt 2025 Nr. 31). Es trat am 09. April 2025 in Kraft. Mit der Novelle wurden Kritikpunkte aus dem abstrakten Normenkontrollverfahren vor dem Staatsgerichtshof adressiert. Es ist daher sehr genau zu prüfen, ob die genannten Argumente im Einzelfall auch nach der Gesetzesänderung Bestand haben.
2. Gründe für eine Anfechtung des Widerrufsvorbehalts im AusbUFG - Bescheid im Falle einer Ausgleichszuweisung (auch wenn überschießend)
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Der Abgabenbescheid wird mit einem Widerrufsvorbehalt hinsichtlich einer Rückzahlung der von den Unternehmen zu beantragenden Ausgleichszahlung versehen sein. Gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorbehalts gibt es gewichtige rechtliche Argumente, die im Folgenden dargestellt sind:
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Der Bescheid stützt den Widerrufsvorbehalt unzulässigerweise auf § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs.1 BremVwVfG. § 36 Abs. 2 VwVfG gilt nur für Ermessensentscheidungen. Die Entscheidung über die Erhebung der Ausbildungsabgabe und über die Zuweisung der Ausgleichszahlung ist aber eine gebundene Entscheidung, keine Ermessensentscheidung.
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Der Widerrufsvorbehalt kann auch nicht auf § 36 Abs. 1 VwVfG gestützt werden. Das AusbUFG lässt keinen Widerrufsvorbehalt zu, sondern gestaltet die Ausgleichszahlung als Anspruch der Betriebe aus („… wird gewährt“ gem. § 5 AusbUFG). Die anderslautende Regelung in § 5 Abs. 5 der Verordnung über die Durchführung des Ausbildungsunterstützungsfondsgesetzes (BremAusbUFDVO) ist schon nach dem AusbUFG unzulässig und damit unwirksam.
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Der Widerrufsvorbehalt ist schließlich nach der Ausschlussnorm des § 36 Abs. 3 VwVfG unzulässig, weil sie dem Zweck des Verwaltungsaktes zuwiderläuft. Den Ausbildungsbetrieben soll eine Ausgleichszahlung zugewiesen werden. Diese Ausgleichszahlung soll die Betriebe gemäß §§ 5, 3, 2 AusbUFG darin unterstützen, Ausbildungsplätze einzurichten – also Auszubildende einzustellen –, indem den Arbeitgebern ein Teil der Kosten der Ausbildung abgenommen wird. Wird ihnen ein Teil der Lasten aber doch nicht oder nur vielleicht abgenommen und muss der gewährte Betrag später ggf. zurückgezahlt werden, entfällt die Entlastungswirkung und der damit bezweckte Anreiz.
Hinweis: Die Informationen und Auskünfte der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven sind ein Service für ihre Mitgliedsunternehmen. Sie enthalten nur erste Hinweise und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Sie können eine anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.