Auftragswesen Aktuell
- Betrügerische E-Mails im Zusammenhang mit Ausschreibungen
- Vergabereport 2025: Startups & KMU sehen Potenzial im öffentlichen Sektor – aber auch Hürden
- UBA-Tool: Berechnung von Lebenszyklus- und CO₂-Kosten
- Alleinstellungsmerkmal darf dem Auftraggeber nicht zurechenbar sein – Gastbeitrag von Rechtsanwalt Norbert Dippel
- Schadensersatz für Vergabeverstöße kann auch den Bieter treffen – Gastbeitrag von Rechtsanwalt Norbert Dippel
- Keine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers für Bescheinigungen, die als bestandskräftiger Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren sind
- Neu bei Access2Markets: Tool „Beschaffung für Einkäufer"
- EU-Kommission erlässt Beschaffungsbeschränkungen für Medizinprodukte aus China
- Brandenburg: Neue Wertgrenzen
- Wärmeplanung in Sachsen: Kabinett beschließt rechtliche Grundlage
- Hessen: Gefälschte E-Mail im Umlauf
- Bayern: Mehr Chancen für Startups bei öffentlichen Aufträgen
Betrügerische E-Mails im Zusammenhang mit Ausschreibungen
Die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins warnen vor betrügerischen E-Mails im Zusammenhang mit Ausschreibungen.
Dabei nutzen Kriminelle ausgelesene Daten über Vertragspartner, um sich als vermeintlich Ausschreibende auszugeben und die Gewinner von Ausschreibungen per E-Mail zu kontaktieren. Diese E-Mails enthalten die Aufforderung, offene Rechnungen zu übersenden.
Manipulation legitimer Rechnungen
Die auf diesem Weg erlangten legitimen Rechnungen werden anschließend von den Betrügern manipuliert, indem die Bankverbindung ausgetauscht wird. Die veränderten Rechnungen werden dann an die entsprechenden Gläubiger versandt, wodurch Zahlungen auf Konten der Betrüger geleistet werden.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen empfiehlt die Anzeige bei der zuständigen Polizeidienststelle oder online. Für Nachfragen könne man sich an den Single Point of Contact (SPoC Cybercrime) des LKA NRW unter der Rufnummer 0211/939-4040 wenden.
Auch das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein warnt vor entsprechenden Betrugstaten, von denen bereits mehrere Fälle bekannt seien. Die Schadenssummen bewegen sich dabei häufig im sechsstelligen Bereich.
Amt für Veröffentlichungen: Mehrere Fälle bekannt
Schon im vergangenen Jahr warnte das Publications Office of the European Union vor entsprechenden Phishing-Fällen, bei denen in mehreren erfolgreichen Fällen Daten aus Tenders Electronic Daily verwendet wurden. Zentrales Element in den gemeldeten Fällen sei die Kombination aus der Nutzung echter Vertragsinformationen und dem Druck, den die Täter ausüben.
Folgende Schutzmaßnahmen werden empfohlen
Die Landeskriminalämter empfehlen die Einhaltung der folgenden Vorsichtsmaßnahmen.
1. Prüfung der Absenderadresse
- Überprüfen Sie die vollständige E-Mail-Adresse des Absenders sorgfältig. Achten Sie auf Abweichungen wie leicht veränderte Domainnamen oder ungewöhnliche Schreibweisen.
- Seien Sie besonders wachsam, wenn Ihnen die E-Mail-Adresse unbekannt ist oder keinen direkten Bezug zur bekannten Person oder Firma hat.
2. Verifizierung von Rechnungen
- Telefonische Bestätigung: Fordern Sie eine telefonische Bestätigung beim vermeintlichen Rechnungssteller ein, bevor Zahlungen angewiesen werden. Nutzen Sie hierfür ausschließlich offiziell bekannte Rufnummern.
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Bestätigung per E-Mail: Fordern Sie eine Bestätigung per E-Mail ein, aber antworten Sie nicht direkt auf die verdächtige Nachricht. Verwenden Sie stattdessen eine offiziell bekannte E-Mail-Adresse des Rechnungsstellers.Kontodaten prüfen: Vergleichen Sie die angegebenen Bankverbindungen mit den bereits bekannten Daten des Unternehmens. Seien Sie besonders vorsichtig bei ausländischen Bankkonten.
3. Sicherer Rechnungsversand
- Verwenden Sie verschlüsselte und signierte E-Mails, um die Manipulation von Rechnungen zu erschweren.
4. Maßnahmen bei Betrugsverdacht
- Wenn Sie einen Betrugsverdacht haben oder bereits betroffen sind, kontaktieren Sie sofort die Polizei.
- Versuchen Sie, bereits ausgeführte Überweisungen bei Ihrer Bank rückgängig zu machen.
Quelle: cosinex Blog. URL: https://csx.de/l5X9o
Vergabereport 2025: Startups & KMU sehen Potenzial im öffentlichen Sektor – aber auch Hürden
Der neue Vergabereport 2025 vom Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO) beleuchtet die Erfahrungen und Herausforderungen von Startups und KMU bei öffentlichen Ausschreibungen. Er zeigt deutlich, die Bedeutung des öffentlichen Sektors als Kundensegment der Unternehmen. Knapp 60 % der befragten Unternehmen sehen diesen als wichtiges Kundensegment, mit steigender Tendenz. Gleichzeitig bewerten viele Unternehmen (80 %) den Aufwand für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen als sehr hoch, das gilt insbesondere für die Erstellung von Eignungsnachweisen und von Angeboten. Beklagt wird auch eine nicht ausreichende Transparenz.
Um die Attraktivität öffentlicher Aufträge zu erhöhen, fordern die Unternehmen:
- Weniger Bürokratie und einfachere Verfahren
- Faire Chancen für Startups & KMU
- Eine digitale, zentrale Ausschreibungsplattform
- Stärkerer Fokus auf Innovation & Qualität
Der Report zeigt: Die öffentliche Beschaffung muss für Unternehmen benutzerfreundlicher, transparenter und attraktiver werden. So ließe sich der Wettbewerb stärken und es könnten mehr Innovationen in den öffentlichen Sektor einfließen.
UBA-Tool: Berechnung von Lebenszyklus- und CO₂-Kosten
Das neue Tool des Umweltbundesamts (UBA) ermöglicht es, nicht nur die Kosten, die ein Produkt im Laufe seines gesamten Lebenszyklus (Life Cycle Costing, LLC) verursacht, sondern auch die voraussichtlichen Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu berechnen. Damit lassen sich die CO₂-Kosten über einen anzusetzenden CO₂-Preis in die Lebenszykluskosten integrieren, was eine gezieltere Berücksichtigung von umweltfreundlichen Produkten bei der Angebotswertung ermöglicht.
Das LCC-CO₂Tool kann eingesetzt werden zur:
- Abschätzung der Wirtschaftlichkeit verschiedener Varianten in der Bedarfsanalyse zur Konkretisierung des Auftragsgegenstands.
- Ermittlung der THG-Emissionen (Treibhausgase), CO₂-Kosten und Wirtschaftlichkeit der eingereichten Angebote auf der Zuschlagsebene, indem das Tool den Bietern mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt und durch die Bieter ausgefüllt wird.
Bei der dynamischen Lebenszykluskostenrechnung berücksichtigt das Tool auch Kostensteigerungen von Energie- und Betriebskosten, die in der Zukunft anfallen, sowie bei Bedarf Kosten für die Kapitalbeschaffung durch entsprechende Diskontierungsfaktoren.
Das Tool ist prinzipiell für alle zu beschaffenden Produkte und Dienstleistungen anwendbar und nicht auf eine Auswahl an spezifischen Produktgruppen beschränkt.
Neben dem Tool steht ein überarbeitetes Schulungsskript zur Verfügung, das den Einstieg in die Tool-Nutzung erleichtern soll. Ergänzende Beispieldateien veranschaulichen praxisnah die Anwendungsmöglichkeiten.
Quelle: UBA
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, Tel. 089 5116-3172, muellers@abz-bayern.de
Alleinstellungsmerkmal darf dem Auftraggeber nicht zurechenbar sein – Gastbeitrag von Rechtsanwalt Norbert Dippel
Der EuGH hat in einem aktuellen Urteil eine weitere Voraussetzung für die Direktvergabe aus Gründen des Alleinstellungsmerkmals formuliert. Letztlich dürfe dem Auftraggeber die Alleinstellungssituation nicht zurechenbar sein, so Norbert Dippel in seiner Urteilsbesprechung.
Formularende
Formularende
Folgebeschaffungen werden oft nach einem bekannten Muster vergeben: Weil beispielsweise in dem ursprünglichen Vertrag die Rechte an einer Software oder der technischen Dokumentation nicht beschafft wurden, kommt für den anschließenden Wartungsvertrag oder die wesentliche Erweiterung oder Änderung des Beschaffungsgegenstandes aus technischen oder rechtlichen Gründen nur der ursprüngliche Vertragspartner in Betracht.
Dementsprechend wird der Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wobei ausschließlich mit dem ursprünglichen Vertragspartner Verhandlungen aufgenommen werden.
Anfang des Jahres hat der EuGH (Urteil vom 9.1.2025, C-578/23) eine weitere Voraussetzung formuliert, die bei der Berufung auf ein Alleinstellungsmerkmal vorliegen muss.
Zur besseren Verständlichkeit wird der Sachverhalt nachfolgend stark vereinfacht wiedergegeben. Außerdem werden sprachliche Vereinfachungen vorgenommen; dem sprachlichen Feinschmecker ist die Lektüre mit den typischen Schachtelsätzen im Original empfohlen.
I. Der Sachverhalt
Vor mehr als 30 Jahren hat das tschechische Finanzministerium eine Steuerverwaltungssoftware von einem Unternehmen entwickeln lassen. 2016 sollte ein Wartungsvertrag ohne vorherige Vergabebekanntmachung direkt an dieses Unternehmen vergeben werden.
Die Wahl dieses Verfahrens wurde mit der technischen Kontinuität zwischen der in Rede stehenden Software und seiner Wartung nach der Garantiezeit sowie mit dem Schutz der ausschließlichen Urheberrechte des Unternehmens (im Folgenden: Ausschließlichkeitssituation) am Quellcode dieses Systems begründet. Nach den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags ist dieses Unternehmen Inhaber der Lizenzrechte für die Software.
Darüber hinaus war aus Sicht des Auftraggebers die Einleitung eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Bereitstellung eines neuen Informationssystems für die tschechische Steuerverwaltung finanziell nicht sinnvoll.
Demgegenüber hielt das tschechische Wettbewerbsamt das Vorgehen für rechtswidrig, da insbesondere die Ausschließlichkeitssituation dem öffentlichen Auftraggeber selbst zuzurechnen sei. Schließlich habe er die Rechte an der Software im Rahmen des ersten Beschaffungsauftrages nicht erworben. Hierüber hatte nun der EuGH zu entscheiden.
II. Das Urteil
Der EuGH hält das Vorgehen des Auftraggebers für rechtswidrig und folgt im Ergebnis der Ansicht der Wettbewerbsbehörde.
1. Rechtlicher Rahmen
Als Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung hat der EuGH Art. 31 („Fälle, die das Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung rechtfertigen“) Nr. 1 der damals geltenden Vergaberichtlinie 2004/18 (nachfolgend: Vergaberichtline / VR) untersucht. Demnach sei eine Direktvergabe aus Gründen des Alleinstellungsmerkmals nur dann erlaubt, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien, nämlich,
- dass technische oder künstlerische Gründe bzw. Gründe des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand bestehen, und
- dass es zum anderen aus diesen Gründen unbedingt erforderlich ist, den Auftrag an einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben.
Wie schon in anderen Urteilen zum Alleinstellungsmerkmal betont der EuGH auch in diesem Fall zunächst, dass die Aufträge grundsätzlich im offenen und nicht offenen Verfahren zu vergeben seien.
Als Ausnahmevorschrift sei diese Vorschrift eng auszulegen. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trage, wer sich auf diese Ausnahme berufen will.
2. Die „neue“ Voraussetzung
Hiervon ausgehend prüft der EuGH, ob der öffentliche Auftraggeber nachweisen muss, dass ihm die Ausschließlichkeitssituation nicht zuzurechnen ist. Dabei stellt er zunächst fest, dass der Wortlaut von Art. 31 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie eine solche Voraussetzung nicht vorsieht.
Anschließend richtet der EuGH den Blick auf den „verwandten“ Ausnahmetatbestand der besonderen Dringlichkeit (Art. 31 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie). Demnach darf ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung nur dann erfolgen, wenn die dringlichen, zwingenden Gründe nicht auf Umständen beruhen, die dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sind.
Hiervon ausgehend sieht der EuGH das Ziel, nämlich freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten, gefährdet, würden die beiden Ausnahmetatbestände entsprechend ihrem Wortlaut unterschiedlich behandelt.
Zudem hat der Gerichtshof bereits in einem anderen Fall die Berufung auf ein technisches Alleinstellungsmerkmal abgelehnt. Damals sollte ebenfalls ein Softwareauftrag vergeben werden, wobei der Auftraggeber keine ernsthaften Nachforschungen belegen konnte, mit denen er geprüft hat, ob auch andere Unternehmen zur Lieferung einer geeigneten Software in der Lage sind (Urteil vom 15. Oktober 2009, Kommission/Deutschland, C‑275/08, EU:C:2009:632, Rn. 57 bis 64).
Daher sei ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Wettbewerbs verpflichtet, alles zu tun, was vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann, um die Berufung auf ein Alleinstellungsmerkmal zu vermeiden.
Mit dem Erfordernis des Wettbewerbs wäre es unvereinbar, würde dem öffentlichen Auftraggeber die Berufung auf ein Alleinstellungsmerkmal erlaubt, obwohl ihm die Schaffung oder Aufrechterhaltung der Ausschließlichkeitssituation zuzurechnen ist. Dies beträfe insbesondere Fälle, in denen er zur Erreichung des Ziels des betreffenden Auftrags die Ausschließlichkeitssituation nicht herbeiführen musste oder über tatsächliche und wirtschaftlich vertretbare Mittel verfügte, um diese Situation zu beenden.
Die beiden zuvor zitierten Voraussetzungen seien somit um eine dritte Voraussetzung zu ergänzen. Ihr zufolge dürften dem Auftraggeber das Vorliegen der technischen oder künstlerischen Gründe bzw. der Gründe des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand nicht zuzurechnen sein.
3. Inhaltliche Prüfung durch das tschechische Gericht
Im vorliegenden Fall verteidigte sich der Auftraggeber damit, dass er in dem Zeitraum des Beitritts Tschechiens zur EU (2004) und der Berufung auf das Alleinstellungsmerkmal (2016) versucht habe, die Ausschließlichkeitssituation zu beenden. Das Unternehmen habe jedoch die Übertragung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte am Quellcode des in Rede stehenden IT-Systems verweigert. Wäre ein neues System ausgeschrieben worden, wäre das bisherige System unbrauchbar geworden, was die Steuerverwaltung an der erfolgreichen Erfüllung ihrer Aufgabe gehindert hätte.
Vor diesem Hintergrund verweist der EuGH darauf, dass die Frage, ob eine zu berücksichtigende Ausschließlichkeitssituation vorliegt, durch das nationale Gericht zu beantworten sei. Diesbezüglich betont er, dass die Bewertung, ob dem öffentlichen Auftraggeber das Alleinstellungsmerkmal zuzurechnen sei, Aufgabe des zuständigen nationalen Gerichtes sei.
Darüber hinaus habe es zu prüfen, ob die Fortdauer einer solchen Ausschließlichkeitssituation bis zur Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zu betreiben, auf die Handlung oder Untätigkeit des öffentlichen Auftraggebers zurückzuführen sei.
Für die Zwecke dieser Überprüfung sei es nicht ausreichend, darauf zu verweisen, dass die Ausschließlichkeitssituation durch den Abschluss eines früheren Vertrags herbeigeführt wurde. Auf der anderen Seite sei es nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber die Ausschließlichkeitssituation absichtlich geschaffen oder aufrechterhalten hat, um den Wettbewerb bei der Vergabe künftiger öffentlicher Aufträge zu beschränken.
Im konkreten Fall seien bei der möglichen Zurechnung der Alleinstellungssituation insbesondere die Umstände des ursprünglichen Vertrags zu prüfen, sowie diejenigen Umstände, die den Zeitraum zwischen 2004 und 2016 kennzeichneten. Insbesondere könnte eine Zurechnung des Alleinstellungssituation dem Auftraggeber zuzurechnen sein, weil er über tatsächliche und wirtschaftlich vertretbare Mittel verfügte, um die Ausschließlichkeitssituation im genannten Zeitraum zu beenden.
III. Hinweise für die Praxis
Der Ausspruch „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“ bedeutet so viel wie „Was immer du tust, tue es bedacht und bedenke das Ende“.
Diese Redewendung kann auch auf das geschilderten EuGH-Urteil angewendet werden. Dementsprechend muss der öffentliche Auftraggeber bei der Neuvergabe von Leistungen zwingend prüfen, ob der Vertragsinhalt mit Blick auf etwaige Folgeaufträge zu einer Alleinstellungssituation führt. Sollte dies der Fall sein, wird er seine Bemühungen zur Verhinderung der Alleinstellungssituation dokumentieren müssen. Auch in der Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Neuvergabe hat sich der Auftraggeber im Rahmen seiner Möglichkeiten zu bemühen, die Alleinstellungssituation aufzulösen.
Mit dem Urteil beschreitet der EuGH Neuland. Denn bisher galt bezogen auf den Leistungsgegenstand die Regel, dass das Leistungsbestimmungsrecht bei dem Auftraggeber liegt. Dementsprechend konnte er frei entscheiden, ob und inwieweit er die „Rechte“ an Software, technischer Dokumentation etc. erwirbt. Das Urteil lässt sich durchaus in dem Sinne interpretieren, dass nunmehr die Leistung so beschafft werden soll, dass Folgeaufträge möglichst im Wettbewerb vergeben werden können. Unterlässt er dies ohne triftigen Grund, kann er sich später nicht auf das daraus resultierende Alleinstellungsmerkmal berufen. Man kann dies durchaus so interpretieren, dass faktisch das Leistungsbestimmungsrecht eingeschränkt wird.
Es bleibt spannend, wie in Zeiten knapper Kassen diese Forderung umgesetzt werden kann. Der EuGH selbst hat eine Hintertür geöffnet, indem er selbst geschrieben hat, dass dies nur im Rahmen der tatsächlich vorhandenen Mittel und wirtschaftlich vertretbar erfolgen muss. Vor diesem Hintergrund sind die Auswirkungen auf die Praxis abzuwarten.
Quelle: cosinex Blog. URL: https://csx.de/e85qCText
Schadensersatz für Vergabeverstöße kann auch den Bieter treffen – Gastbeitrag von Rechtsanwalt Norbert Dippel
Verstöße gegen das Vergaberecht können Schadensersatzansprüche begründen. Über die Konstellation, dass Bieter öffentliche Auftraggeber in Regress nehmen, haben wir mehrfach im cosinex Blog berichtet. Hingegen sind Schadensersatzansprüche des öffentlichen Auftraggebers gegen den Bieter aufgrund vergaberechtswidrigen Verhaltens – soweit ersichtlich – weitaus seltener.
Das OLG Naumburg hat in einem Urteil (vom 17.01.2025, 6 U 1/24) sehr grundsätzlich die beiden Pflichtenkreise umrissen und die Grundzüge des Schadensersatzanspruches eines öffentlichen Auftraggebers gegen einen Bieter erläutert.
Der Sachverhalt und insbesondere der Verfahrensgang werden im Folgenden stark vereinfacht wiedergegeben, da der Schwerpunkt der Darstellung auf dem Schadensersatzanspruch und nicht auf zivilprozessuale Probleme gelegt werden soll.
I. Der Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Dienstleistungsaufträge zur Abfallentsorgung EU-weit in verschiedenen Losen aus.
Im Rahmen der Angebotsprüfung fielen dem Auftraggeber Verdachtsmomente auf, die dafür sprachen, dass ein Bieter die Angebotserstellung in Kenntnis der Angebotskalkulation seiner Mitbewerberin erstellt hat. Zur Rede gestellt, antwortete der Bieter über seinen Anwalt nur, dass sich die Ähnlichkeiten aus den Vorgaben der Ausschreibung ergäben und letztlich die Verhältnisse der jeweiligen Mitbewerber im Entsorgungsgebiet hinlänglich bekannt seien.
Der Auftraggeber schloss die Angebote des Bieters nach § 124 Abs. 1 Nrn. 3, 4 und 9b GWB aufgrund der erheblichen Ähnlichkeiten mit dem Angebot einer Mitbewerberin von der Wertung aus. Nach erfolgloser Rüge reichte der Bieter einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein.
1. Das Nachprüfungsverfahren
In dem Nachprüfungsantrag bestritt der Bieter zunächst jegliche Kenntnis von Angebotsinhalten der Mitbewerberin.
Im Rahmen der Akteneinsicht sah sich der Bieter mit den doch sehr eindeutigen Verdachtsmomenten konfrontiert. Daraufhin trug er erstmalig vor, dass sein Berater im Rahmen seines Auftrags unter anderem auch Verhandlungen mit der Mitbewerberin über mögliche Unterauftragnehmerleistungen sowie über Behälteranmietungen geführt habe. Auch sei dem Berater ein Umschlag mit einem USB-Stick in den Briefkasten geworfen worden. Darauf hätten sich Daten einer Kostenkalkulation befunden, die der Berater dem Bieter zugeordnet habe. Zwar sei ihm aufgefallen, dass Personal-, Grundstücks- und Fahrzeugkosten nicht den ihm bekannten betrieblichen Daten des ihn beauftragenden Bieters entsprochen hätten; insoweit sei er aber davon ausgegangen, dass Mitarbeiter des Bieters diese für sie unwichtigen Daten ungenau und lediglich als sogenannte Fülldaten eingesetzt hätten. Er habe deswegen teilweise deren Korrektur vorgenommen. Im Übrigen habe er die Daten stillschweigend übernommen.
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag des Bieters zurück. Sie stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass jedenfalls ein Ausschluss der Angebote des Bieters wegen fahrlässiger Übermittlung irreführender Angaben (§ 124 Abs. 1 Nr. 9c GWB) gerechtfertigt sei.
Die Vergabekammer stellte fest, dass es in der konkreten Ausgestaltung der Angebote samt Urkalkulation eine Vielzahl von Parallelen in den Angeboten des Bieters und der Mitbewerberin gebe, so insbesondere eine weitgehend identische formale und inhaltliche Struktur des Angebots, identische Schreibfehler und Zeilenumbrüche, inhaltliche Zuordnungsfehler und zahlreiche übereinstimmende quantitative Annahmen, zum Beispiel bei den Behälterentleerungszahlen. Die Häufung und der Grad der Übereinstimmungen belegten, dass die Angebotskalkulation des Bieters derjenigen der Mitbewerberin jeweils folge und lediglich so modifiziert worden sei, dass die Angebotspreise der Mitbewerberin knapp unterboten würden.
Die Herkunft der vom Berater der Antragstellerin verwendeten Daten auf dem USB-Stick aus der Sphäre der Mitbewerberin habe sich aufgedrängt. Insoweit habe die dortige Antragstellerin zumindest fahrlässig gehandelt, indem sie auf dieser Grundlage ihre Angebote kalkuliert habe.
2. Vor dem Vergabesenat des OLG
Daraufhin legte der Bieter sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg ein. Nach Hinweisen des Vergabesenats auf die fehlende Erfolgsaussicht im Beschwerdeverfahren nahm der Bieter die sofortige Beschwerde zurück.
3. Vor dem Landgericht
Der Auftraggeber macht daraufhin gegen den Bieter Ansprüche auf Schadensersatz vor dem Landgericht geltend. Als Schadenspositionen hat er zunächst die Kosten der ingenieurtechnischen und rechtlichen Beratung im Rahmen der Aufklärung der Auffälligkeiten in den Angeboten des Bieters im Vergabeverfahren angegeben. Zusätzlich machte er auch die Kosten für die teuren Interimsvergaben geltend, die aufgrund des Nachprüfungsverfahrens notwendig wurden.
Das Landgericht sah einen Anspruch auf Ersatz der Schäden in Gestalt der mit der Verzögerung der Auftragsvergabe verbundenen Mehrkosten und des erhöhten Aufwands im Nachprüfungsverfahren nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB als begründet an. Der Bieter habe seine vorvertraglichen Rücksichtnahmepflichten dadurch verletzt, dass er mit Angeboten an der Ausschreibung teilgenommen habe, die bei Kenntnis aller Umstände ihres Zustandekommens auf Seiten der Klägerin nicht zuschlagsfähig gewesen seien.
Für die Beweiswürdigung hat sich das Landgericht auf vielfältige Parallelen der Angebote des Bieters und der Mitbewerberin sowie auf das Verhalten des Bieters im Rahmen der Preisaufklärung durch den Auftraggeber berufen.
4. Vor der Zivilkammer des OLG
Die gegen das entsprechende Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung des Bieters hat das OLG Naumburg zurückgewiesen. Es sah die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegen den Bieter als dem Grunde nach gerechtfertigt an (§§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB).
a. Parallelität unterschiedlicher Ansprüche
Dabei hat das Berufungsgericht zunächst festgestellt, dass die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zum Anspruch auf Schadensersatz aus vorvertraglichen Schuldverhältnissen neben dem speziellen Schadensersatzanspruch aus § 180 GWB anwendbar sind.
Dies folge aus der Gesetzesgenese, wonach es sich bei § 180 GWB um einen deliktischen Anspruch handele, welcher der spezifischen Missbrauchsgefahr und einem übermäßigen Blockieren von Beschaffungsmaßnahmen durch die Nachprüfungsverfahren begegnen solle. Deliktische Ansprüche sowie Ansprüche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis seien nebeneinander anwendbar.
b. Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen vorvertragliche Pflichten
Der Bieter habe nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts mehrfach gegen vorvertragliche Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.
Als Ausgangspunkt der Überlegungen stellte das Gericht fest, dass durch die Teilnahme des Bieters am Offenen Verfahren des Auftraggebers ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.v. § 311 Abs. 2 BGB entstanden sei. Dabei oblägen den Beteiligten wechselseitig die Nebenpflichten des § 241 Abs. 2 BGB. Dies schließe die Pflicht des Bieters zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Auftraggebers ein. Diese Pflichten werden im Vergabeverfahren durch das Vergaberecht konkretisiert.
(1) Pflichtwidriges Verhalten
Aus dem Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) folge, dass Bieter ihre Angebote in Unkenntnis der Konkurrenzangebote abgeben müssten (Geheimwettbewerb), weil andernfalls die Ziele des Wettbewerbs nicht erreicht werden könnten. Kenne ein Bieter die wesentlichen Kalkulationsdaten eines Konkurrenzangebotes, könne er seine Angebotskalkulation daran ausrichten und so ungerechtfertigte Vorteile haben. Mit einem derartigen Verstoß verletze der Bieter objektiv seine in § 241 Abs. 2 BGB definierte Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber.
Als Beleg für den Verstoß gegen den Geheimwettbewerb verweist das Berufungsgericht neben den auffälligen Übereinstimmungen (Struktur, Schreibfehler etc.) darauf, dass der Bieter die Preise der Mitbewerberin in €/Mg jeweils um genau 1,00 Euro unterbot. Zahlreiche weitere anzugebende Einzelpreise in Abhängigkeit von der behandelten Abfallmenge wiesen jeweils annähernd den gleichen Abstand zueinander auf. Bei einer vom Auftraggeber vorgelegten schematischen Darstellung der Kostenverläufe in verschiedenen Losen ergebe sich ein exakt paralleler Kurvenverlauf.
Außerdem habe der Bieter inzwischen eingeräumt, dass er seine Angebotskalkulation nach den Kalkulationsdaten auf einem USB-Stick ausgerichtet und diese Daten bewusst unterschritten habe. Es sei inzwischen unstreitig, dass die Daten auf dem USB-Stick die Daten der Kalkulation der Angebote der Mitbewerberin im selben Vergabeverfahren waren.
Ein weiterer objektiver Verstoß des Bieters gegen die bestehende Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter und Interessen des Auftraggebers liege darin, dass der Bieter im Rahmen der Aufklärung seiner Angebotskalkulation nach der Öffnung der Urkalkulationen zunächst die Orientierung an den Kalkulationsdaten der Mitbewerberin in Abrede stellte und dadurch weitere Ermittlungen des Auftraggebers veranlasste, statt das tatsächliche Zustandekommen seiner Angebotskalkulation umfassend wahrheitsgemäß offenzulegen. Gleiches gelte für die hier missbräuchliche Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes.
(2) Kausalität
Die vorgenannten Pflichtverletzungen sind ursächlich im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität für die geltend gemachten Schäden.
Es bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den objektiv unwahren Angaben des Bieters zur angeblichen Eigenständigkeit seiner Angebotskalkulation und den zusätzlichen Aufwendungen des Auftraggebers für eine ingenieurtechnische und rechtliche Beratung im Umgang mit den Angeboten des Bieters sowie den notwendig gewordenen Interimsvergaben.
(3) Schuldhaft
Die Beklagte hat die vorgenannten Pflichtverletzungen nach § 241 Abs. 2 BGB auch schuldhaft begangen. Hierfür genügte ein fahrlässiges Verhalten.
Für eine mit dem Unternehmen der Beklagten und dessen betrieblichen Strukturen vertraute sowie mit Angebotskalkulationen für den Bieter befasste fachkundige Person, wie hier für den Berater des Bieters, war klar erkennbar, dass die Leistungsansätze der Kalkulationsdaten auf dem USB-Stick nicht dem Unternehmen des Bieters zuzuordnen waren. Seine Aussage, dass er hinsichtlich der Abweichungen der Kostenansätze zwischen den von ihm ermittelten und den auf dem USB-Stick gespeicherten Daten von – versehentlich fehlerhaft eingetragenen – „Füllangaben“ ausgegangen sei, ist unter diesen Umständen nicht glaubhaft.
Ergänzend verweist das Gericht darauf, dass der Bieter spätestens nach der Gewährung der Akteneinsicht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vorsätzlich handelte. Es war spätestens zu diesem Zeitpunkt offensichtlich, dass die Daten auf dem USB-Stick, welche der Angebotskalkulation des Bieters zugrunde lagen, die Kalkulationsdaten der Mitbewerberin waren. Der Bieter beharrte in Kenntnis des eigenen objektiv pflichtwidrigen Verhaltens gleichwohl darauf, den Ausschluss seines Angebots rückgängig zu machen, indem er diesen Ausschluss weiter als vergaberechtswidrig rügte und der Nachprüfung unterstellte.
Damit sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aufgrund von Pflichtverletzungen in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis erfüllt.
c. Schadensersatzanspruch gem. § 180 GWB
Nach Ansicht des Gerichts kann der Auftraggeber seine Schadensersatzansprüche teilweise auch auf § 180 Abs. 1 und 2 GWB stützen.
Dabei geht das Gericht davon aus, dass der von dem Bieter angestrengte Nachprüfungsantrag von Anfang an objektiv aussichtslos war.
Insoweit lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c GWB vor, indem der Bieter im Rahmen seiner Anhörung im Vergabeverfahren zu den Umständen seiner Angebotskalkulation zumindest fahrlässig irreführende Informationen übermittelte, die den Anschein erwecken sollten, dass seine Angebote jeweils eigenständig und ohne Kenntnis der Kalkulationsparameter der Mitbewerberin erstellt worden seien.
Weiterhin sei maßgeblich, dass der Bieter deswegen keine Zuschlagschance hatte, weil seine Angebote wegen des o.a. Verstoßes gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs ausgeschlossen werden durften und die hierzu von dem Auftraggeber angestellten Ermessenserwägungen den Ausschluss tragen.
Der Bieter handelte bei der Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes auch mit einer subjektiv verwerflichen Zielrichtung. Er hatte in Person seines verantwortlichen Ingenieurs Kenntnis davon, dass seine eigenen Angebote unter vorsätzlichem Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs erstellt worden waren. Er führte das Nachprüfungsverfahren ausschließlich in der Hoffnung durch, dass es dem Auftraggeber nicht gelingen werde, den Nachweis dieses vergaberechtswidrigen Verhaltens des Bieters zu führen. Ihm war dabei bewusst, dass durch die Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes eine Verzögerung des Abschlusses des Vergabeverfahrens und damit der Beschaffung der für die Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge notwendigen Dienstleistungen eintrat, welche negative Auswirkungen auf die Vermögenslage des Auftraggebers haben musste.
Der Bieter handelte unter Zurechnung des Wissens seines verantwortlichen Ingenieurs vorsätzlich. Sein Fehlverhalten war auch für den eintretenden Schaden ursächlich, wie oben dargestellt.
II. Hinweise für die Praxis
Die vorstehende Entscheidung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber sowohl dem Bieter als auch dem Auftraggeber in dem Vergabeverfahren Pflichten auferlegt.
Es tut gut, zu sehen, dass öffentliche Auftraggeber sich im Wege des Schadensersatzes wehren können, wenn sich Bieter nicht an die vergaberechtlichen Spielregeln halten.
Neben dem Schadensersatz kann auch eine temporäre Auftragssperre ein Mittel sein, bei den potenziellen Bietern die Spreu vom Weizen zu trennen. Nach § 126 Nr. 2 GWB kann bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 GWB der Ausschluss bis zu einer Dauer von drei Jahren verhängt werden.
Quelle: cosinex Blog. URL: https://csx.de/c0Acb
Keine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers für Bescheinigungen, die als bestandskräftiger Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren sind
– hier Bescheid des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) zur Umsatzsteuerbefreiung von Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 11 b UStG
1. Ein bestandskräftiger Dauerverwaltungsakt entfaltet gem. § 124 AO Tatbestandswirkung mit der Folge, dass die darin getroffene Regelung "unbesehen" zugrunde zu legen ist. Die Vergabestelle muss einen bestandskräftigen Dauerverwaltungsakt nicht nochmals auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen, es sei denn, es liegen dafür evidente Anhaltspunkte vor (vorliegend verneint).
2. Ein zum Ende der Angebotsfrist abgelaufenes Zertifikat als Eignungsnachweis kann durch ein gültiges Zertifikat ersetzt werden, wenn die Nachforderung ausdrücklich zugelassen war und der Bieter das gültige Zertifikat fristgemäß nachgereicht hat.
3. Nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV sind Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, auszuschließen, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreis den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
4. Dem öffentlichen Auftraggeber ist im Rahmen der Angebotswertung ein von den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Gegenstand der Überprüfung durch die Vergabekammer ist im Wesentlichen, ob der Auftraggeber den zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig erfasst hat, ob er keine sachwidrigen oder sonst unzutreffenden Erwägungen angestellt hat.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb aufgeteilt in mehrere Lose Postdienstleistungen (Abholung, Sortierung, ggf. Frankierung, Beförderung und Zustellung von Briefen) EU-weit für ein Jahr mit viermaliger einjähriger Verlängerungsoption aus. Streitgegenständlich ist das Los 1.
Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin (Ag.) schrieb aufgeteilt in mehrere Lose Postdienstleistungen (Abholung, Sortierung, ggf. Frankierung, Beförderung und Zustellung von Briefen) EU-weit für ein Jahr mit viermaliger einjähriger Verlängerungsoption aus. Streitgegenständlich ist das Los 1.
Als Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit war u.a. ein gültiges Zertifikat zur Qualitätssicherung gem. DIN ISO 9001 oder vergleichbar beizufügen. Die Nachforderung von nicht mit dem Angebot vorgelegten Angaben, Erklärungen oder Nachweise zur Überprüfung der Eignung war zugelassen.
Zu den mit dem Angebot abzugebenden Unterlagen gehörte ein Preisblatt Los 1. Hierzu waren in den Vergabeunterlagen folgende Hinweise enthalten:
"Alle Preisangaben sind auf 4 Stellen und alle Steuersätze auf 2 Stellen hinter dem Komma anzugeben...Ist die angebotene Leistung von der Umsatzsteuer befreit, ist das Feld in der Spalte "Umsatzsteuersatz in %" mit "0,00" zu füllen. Näheres ist den Preisblättern zu entnehmen...Angebote, für deren Wertung wesentliche Preisangaben fehlen, müssen zwingend ausgeschlossen werden, § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV. Angebotspreis ist der Bruttopreis je Leistungsposition (ggfls. inkl. Mehrwertsteuer)."
"Alle Preisangaben sind auf 4 Stellen und alle Steuersätze auf 2 Stellen hinter dem Komma anzugeben...Ist die angebotene Leistung von der Umsatzsteuer befreit, ist das Feld in der Spalte "Umsatzsteuersatz in %" mit "0,00" zu füllen. Näheres ist den Preisblättern zu entnehmen...Angebote, für deren Wertung wesentliche Preisangaben fehlen, müssen zwingend ausgeschlossen werden, § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV. Angebotspreis ist der Bruttopreis je Leistungsposition (ggfls. inkl. Mehrwertsteuer)."
Die Antragstellerin (Ast.) und die Beigeladene (Bg.) gaben fristgemäß ein Angebot für Los 1 ab. Dabei gaben beide Unternehmen im Preisblatt umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Preisbestandteile an.
Nachdem die Ag. die Ast. gemäß § 134 GWB darüber informiert hatte, dass der Bg. der Zuschlag erteilt werden solle, rügte dies die Ast. Sie machte dabei insbesondere geltend, dass das Angebot der Bg. in preislicher Hinsicht nur dann preisgünstiger als ihr eigenes Angebot sein könne, wenn die Bg. die Zustellleistungen ohne Umsatzsteuer angeboten habe. Hierzu sei die Bg. jedoch nicht berechtigt, weil sie kein Universaldienstleister gem. § 3 Nr. 17 Postgesetz (PostG) in Verbindung mit § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz (UStG) sei.
Nachdem die Ag. die Ast. gemäß § 134 GWB darüber informiert hatte, dass der Bg. der Zuschlag erteilt werden solle, rügte dies die Ast. Sie machte dabei insbesondere geltend, dass das Angebot der Bg. in preislicher Hinsicht nur dann preisgünstiger als ihr eigenes Angebot sein könne, wenn die Bg. die Zustellleistungen ohne Umsatzsteuer angeboten habe. Hierzu sei die Bg. jedoch nicht berechtigt, weil sie kein Universaldienstleister gem. § 3 Nr. 17 Postgesetz (PostG) in Verbindung mit § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz (UStG) sei.
Die Ag. half der Rüge nicht ab und führte aus, die Bg. habe die Kopie einer ihr durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ausgestellten Bescheinigung zur Umsatzsteuerbefreiung von Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 11b UStG vorgelegt, auf deren Echtheit, Rechtmäßigkeit und Bestandskraft sie habe vertrauen dürfen.
Daraufhin ergänzte die Ast. ihr Rügevorbringen und machte geltend, das Angebot der Bg. sei wegen falscher Preisangaben und fehlender Auskömmlichkeit aus der Wertung zu nehmen. Zudem rügte Sie die Wertung ihres Angebotes bezüglich der Unterkriterien "Logistikkonzept" und "Laufzeitversprechen".
Daraufhin ergänzte die Ast. ihr Rügevorbringen und machte geltend, das Angebot der Bg. sei wegen falscher Preisangaben und fehlender Auskömmlichkeit aus der Wertung zu nehmen. Zudem rügte Sie die Wertung ihres Angebotes bezüglich der Unterkriterien "Logistikkonzept" und "Laufzeitversprechen".
Auch dieser Rüge wurde nicht abgeholfen. Daraufhin stelle die Ast. einen Nachprüfungsantrag bei der VK Bund.
Beschluss:
Ohne Erfolg! Der zulässige Nachprüfungsantrag war unbegründet. Das Angebot der Bg. sei nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV aus der Wertung zu nehmen, weil darin Zustellleistungen umsatzsteuerfrei angeboten worden sind. Die Wertung des Konzepts der ASt weise keine Beurteilungsfehler auf.
Ohne Erfolg! Der zulässige Nachprüfungsantrag war unbegründet. Das Angebot der Bg. sei nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV aus der Wertung zu nehmen, weil darin Zustellleistungen umsatzsteuerfrei angeboten worden sind. Die Wertung des Konzepts der ASt weise keine Beurteilungsfehler auf.
Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV seien Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, auszuschließen, es sei denn, es handele sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreis den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Letzteres käme im vorliegenden Fall bereits aufgrund der Wertungsrelevanz der Umsatzsteuer nicht in Betracht.
Die Ag. habe vorgegeben, dass alle Preisangaben auf 4 Stellen und alle Steuersätze auf 2 Stellen hinter dem Komma anzugeben waren. Soweit die Leistungen nach den entsprechenden Angaben des Bieters von der Umsatzsteuer befreit sein sollten, sollte das entsprechende Feld in der Spalte "Umsatzsteuer Satz in %" mit der Angabe "0,00%" befüllt werden.
Die Ag. habe vorgegeben, dass alle Preisangaben auf 4 Stellen und alle Steuersätze auf 2 Stellen hinter dem Komma anzugeben waren. Soweit die Leistungen nach den entsprechenden Angaben des Bieters von der Umsatzsteuer befreit sein sollten, sollte das entsprechende Feld in der Spalte "Umsatzsteuer Satz in %" mit der Angabe "0,00%" befüllt werden.
Die Bg. habe im Preisblatt alle Felder befüllt, in einer Reihe von Feldern habe sie in der Spalte "Umsatzsteuer Briefbeförderung in %" die Angabe gemacht: "0,00%".
Zu dieser Angabe sei die Bg. berechtigt gewesen. Das ergäbe sich aus Folgendem:
Die Ausfüllhinweise im Preisblatt sahen vor, dass ein Bieter für den Fall, dass er einen vom Regelsatz (19%) abweichenden Steuersatz eintragen würde, eine Begründung und/oder geeignete Belege hierfür dem Angebot beifügen sollte. Dem sei die Bg. durch Vorlage einer Bescheinigung des BZSt nach § 4 Abs. 11b Satz 2 UStG nachgekommen.
Die Ag. habe davon ausgehen dürfen, dass eine Bescheinigung des BZSt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG nachweise (vgl. auch Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 21. Februar 2025, VK 1-4/25).
Die Ausfüllhinweise im Preisblatt sahen vor, dass ein Bieter für den Fall, dass er einen vom Regelsatz (19%) abweichenden Steuersatz eintragen würde, eine Begründung und/oder geeignete Belege hierfür dem Angebot beifügen sollte. Dem sei die Bg. durch Vorlage einer Bescheinigung des BZSt nach § 4 Abs. 11b Satz 2 UStG nachgekommen.
Die Ag. habe davon ausgehen dürfen, dass eine Bescheinigung des BZSt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG nachweise (vgl. auch Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 21. Februar 2025, VK 1-4/25).
Weder die Ag. im vorliegenden Vergabeverfahren noch andere öffentliche Auftraggeber, die Postdienstleistungen beschaffen, seien verpflichtet, den Bescheid des BZSt ihrerseits auf dessen materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Im Gegenteil wäre eine eigenmächtige Nichtbeachtung des von der zuständigen Steuerbehörde erlassenen, bestandskräftigen Verwaltungsakts durch öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren wegen vermeintlicher Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit der Bescheinigung der problematische Fall.
Die Feststellung, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden, träfe alleine das BZSt, nicht das für den Postdienstleister zuständige Finanzamt (Abschnitt 4.11b.1 Abs. 10 des UStAnwendungserlasses). Der Postdienstleister habe dort einen formlosen Antrag zu stellen und müsse darlegen, welche steuerbefreiten Leistungen er ausführen will. Außerdem müsse er sich dem BZSt gegenüber verpflichten, die Leistungen flächendeckend zu erbringen und nachweisen, dass die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen der Post-Universaldienstleistung erfüllt sind.
Ausweislich der von der Bg. ihrem Angebot beigefügten Bescheinigung des BZSt sei diese als ein Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren, der so lange rechtmäßig sei, wie die abgegebene Selbstverpflichtung tatsächlich eingehalten werde.
Entgegen der Auffassung der Ast. habe die Ag. die Rechtmäßigkeit der von der Bg. beigebrachten Bescheinigung des BZSt nicht zu hinterfragen, sondern durfte ihrer Vergabeentscheidung den Regelungsinhalt des bestandskräftigen Dauerverwaltungsakts zu Grunde legen.
Entgegen der Auffassung der Ast. habe die Ag. die Rechtmäßigkeit der von der Bg. beigebrachten Bescheinigung des BZSt nicht zu hinterfragen, sondern durfte ihrer Vergabeentscheidung den Regelungsinhalt des bestandskräftigen Dauerverwaltungsakts zu Grunde legen.
Ein bestandskräftiger Dauerverwaltungsakt entfalte gem. § 124 AO Tatbestandswirkung mit der Folge, dass insbesondere Finanzämter die darin getroffene Regelung "unbesehen", d. h. ohne die Rechtmäßigkeit nochmals überprüfen zu müssen, zugrunde zu legen haben. Dies gelte auch in Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. September 2004, 6 Verg 3/04).
Ein Ausnahmefall, in dem eine Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber im Vergabeverfahren zu erfolgen habe, liege vorliegend nicht vor. Ein solcher Ausnahmefall wäre nur dann anzunehmen, wenn es für den öffentlichen Auftraggeber offensichtlich sei, dass die angebotene Leistung nicht mit den Vorgaben der Bescheinigung des BZSt vereinbar seien. Ein solcher Fall könne bspw. vorliegen, wenn ein Postdienstleister eine Leistung umsatzsteuerfrei anbieten würde, für die er beim BZSt keine Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG beantragt und erhalten habe. Die von der Bg. umsatzsteuerfrei zu erbringenden Leistungen seien vorliegend in der Bescheinigung des BZSt jedoch explizit aufgeführt.
Entgegen der Annahme der Ast. sei das Angebot der Bg. auch nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen, weil deren Angebot kein gültiges Zertifikat nach DIN ISO 9001 beigefügt worden war.
Die Bekanntmachung habe vorgesehen, dass dem Angebot u.a. ein gültiges Zertifikat zur Qualitätssicherung gem. DIN ISO 9001 beigefügt werden sollte. Die Bg. habe ein Zertifikat gem. DIN ISO 9001 eingereicht, dessen Gültigkeitsdauer kurz vor Ablauf der Angebotsfrist abgelaufen gewesen sei und habe zusätzlich ein Schreiben ihres Zertifizierungsdienstleisters beigefügt. Darin habe der Zertifizierungsdienstleister bestätigt, dass die Bg. sich derzeit in einem Re-Zertifizierungsverfahren befinde und der Auditor die Erteilung des Zertifikats empfohlen habe.
Die Bekanntmachung habe vorgesehen, dass dem Angebot u.a. ein gültiges Zertifikat zur Qualitätssicherung gem. DIN ISO 9001 beigefügt werden sollte. Die Bg. habe ein Zertifikat gem. DIN ISO 9001 eingereicht, dessen Gültigkeitsdauer kurz vor Ablauf der Angebotsfrist abgelaufen gewesen sei und habe zusätzlich ein Schreiben ihres Zertifizierungsdienstleisters beigefügt. Darin habe der Zertifizierungsdienstleister bestätigt, dass die Bg. sich derzeit in einem Re-Zertifizierungsverfahren befinde und der Auditor die Erteilung des Zertifikats empfohlen habe.
Da die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen eine Nachforderung von Unterlagen ausdrücklich zugelassen hätten, und die Bg. das gültige Zertifikat nachträglich innerhalb der ihr gesetzten Frist nachgereicht habe, sei das Angebot der Bg. in der Wertung zu belassen.
Auch sei die Wertung des Angebots der Ast. ist nicht zu beanstanden. Von der Ag. vorgenommene Punktabzüge bei den Unterkriterien "Logistikkonzept" und "Laufzeitversprechen" seien frei von Beurteilungsfehlern. Im Übrigen würde sich die Reihenfolge der Bieter bei der Angebotswertung selbst dann nicht ändern, wenn die beiden Unterkriterien - dem Vorbringen der Ast. entsprechend - höher bewertet würden.
Dem öffentlichen Auftraggeber sei im Rahmen der Angebotswertung ein von den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Gegenstand der Überprüfung sei im Wesentlichen, ob der Auftraggeber den zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig erfasst hat, ob er keine sachwidrigen oder sonst unzutreffenden Erwägungen angestellt habe.
Praxistipp:
Nicht jede Bescheinigung muss von der Vergabestelle überprüft werden. Auftraggeber können grundsätzlich auf deren Richtigkeit und Echtheit vertrauen. Dies gilt jedoch nicht, wenn es für den öffentlichen Auftraggeber offensichtlich ist oder offensichtlich hätte sein müssen, dass die angebotene Leistung nicht mit den Vorgaben der Bescheinigung vereinbar ist.
Auch sei die Wertung des Angebots der Ast. ist nicht zu beanstanden. Von der Ag. vorgenommene Punktabzüge bei den Unterkriterien "Logistikkonzept" und "Laufzeitversprechen" seien frei von Beurteilungsfehlern. Im Übrigen würde sich die Reihenfolge der Bieter bei der Angebotswertung selbst dann nicht ändern, wenn die beiden Unterkriterien - dem Vorbringen der Ast. entsprechend - höher bewertet würden.
Dem öffentlichen Auftraggeber sei im Rahmen der Angebotswertung ein von den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Gegenstand der Überprüfung sei im Wesentlichen, ob der Auftraggeber den zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend und vollständig erfasst hat, ob er keine sachwidrigen oder sonst unzutreffenden Erwägungen angestellt habe.
Praxistipp:
Nicht jede Bescheinigung muss von der Vergabestelle überprüft werden. Auftraggeber können grundsätzlich auf deren Richtigkeit und Echtheit vertrauen. Dies gilt jedoch nicht, wenn es für den öffentlichen Auftraggeber offensichtlich ist oder offensichtlich hätte sein müssen, dass die angebotene Leistung nicht mit den Vorgaben der Bescheinigung vereinbar ist.
VK Bund, Beschluss vom 16.06.2025 – VK2-39/25 (Sofortige Beschwerde eingelegt beim OLG Düsseldorf unter dem Aktenzeichen VII Verg 27/25)
Ihre Ansprechpartnerin:
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95
Neu bei Access2Markets: Tool „Beschaffung für Einkäufer"
Über das Portal Access2Markets lassen sich. u.a. Informationen für den Handel mit Dienstleistungen für Investitionen und Beschaffungen in Drittländern sowie über EU-Handelsabkommen abrufen. Das Portal wurde um ein neues Tool für die Vergabe öffentlicher Aufträge „Beschaffung für Einkäufer“ („Procurement for Buyers“) erweitert. Das Tool unterstützt öffentliche Auftraggeber dabei, zu ermitteln, welche Bieter aus Drittstaaten zur Teilnahme an Vergabeverfahren in den EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage der internationalen Verpflichtungen der EU (z. B. WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen und bilaterale Handelsabkommen) berechtigt sind. Es ermöglicht auch festzustellen, welche sektoralen Rechtsakte auf das Vergabeverfahren anwendbar sein könnten.
EU-Kommission erlässt Beschaffungsbeschränkungen für Medizinprodukte aus China
Mit der am 30. Juni 2025 in Kraft getretenen Durchführungsverordnung (EU) 2025/1197 hat die EU erstmals vom Internationalen Beschaffungsinstruments (IPI) Gebrauch gemacht. Damit sind chinesische Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen im Bereich von Medizinprodukten ab einem Wert von mehr als 5 Mio. Euro ausgeschlossen. Auch nicht-chinesische Unternehmen, die Medizinprodukte mit Ursprung aus China anbieten, sind auszuschließen, soweit der Anteil der gelieferten Medizinprodukte mit Ursprung aus China mehr als 50 Prozent des Auftragswertes beträgt. Ausnahmen von den Beschränkungen gelten nur dann, wenn es neben Unternehmen aus China keine alternativen Anbieter gibt. Die Durchführungsverordnung gilt befristet für die nächsten fünf Jahre.
Die EU-Kommission zieht mit der Verordnung die Konsequenz aus der Diskriminierung von EU-Unternehmen und in der EU hergestellten Medizinprodukten bei öffentlichen Aufträgen in China. Nach einem Bericht der Kommission im Rahmen der IPI-Verordnung aus dem Jahr 2025 enthielten 87 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen für Medizinprodukte in China Verbote zur Beschaffung ausländischer und damit auch europäischer Medizinprodukte.
Ziel der Durchführungsverordnung sind die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen, der Schutz europäischer Unternehmen und die Versorgungssicherheit im EU-Gesundheitssystem, nachdem China bislang keine Verpflichtungen zur Beseitigung diskriminierender Praktiken eingegangen ist.
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, Tel. 089 5116-3172, muellers@abz-bayern.de
Brandenburg: Neue Wertgrenzen
Seit dem 17.06. bzw. 18.06.2025 gelten in Brandenburg sowohl für Kommunen als auch für Landesvergabestellen und Fördermittelempfänger erhöhte Wertgrenzen.
Kommunale Vergabestellen
Bauleistungen (§ 28 Abs. 2 Nr. 3 KomHKV)
- Die Wertgrenzen für die Beauftragung von Bauleistungen ohne Vergabeverfahren (Direktauftrag) werden von 3.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben.
- Für die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und die freihändige Vergabe von Bauleistungen wird die Wertgrenze auf 1.000.000 Euro angehoben.
- Bis zum 31. Dezember 2030 gilt darüber hinaus, dass eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb auch dann zulässig ist, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer 2 Millionen Euro nicht erreicht und die Vergabe im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb einer Geflüchtetenunterkunft steht; dies gilt auch für die Einrichtung und den Betrieb der durch die vermehrte Aufnahme von Geflüchteten betroffenen sozialen Infrastruktur, insbesondere Schulen, Kitas, Horte und Jugendfreizeiteinrichtungen.
Liefer- und Dienstleistungen (§ 28 Abs. 3 KomHKV)
- Die Wertgrenzen für die Beauftragung von Liefer- und Dienstleistungen ohne Vergabeverfahren (Direktauftrag) werden von 1.000 Euro bzw. 3.000 Euro (befristet bis 31.12.2025) auf 100.000 Euro angehoben (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 6)
- Eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und eine Verhandlungsvergabe von Liefer- und Dienstleitungen sind bis zum Erreichen des EU-Schwellenwertes möglich § 28 Abs. 3 S. 2 KomHKV
§ 28 KomHVK finden Sie hier und die Verordnung zur Änderung der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung vom 17. Juni 2025 hier.
Rundschreiben des MWAEK zum Direktauftrag vom 21.07.2025
Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Landes Brandenburg hat am 21.07.2025 ein Rundschreiben mit Hinweisen zum Direktauftrag versandt.
- Für Direktaufträge besteht keine Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters nach dem Wettbewerbsregistergesetz (WRegG), eine Abfrage ist allerdings möglich und wird dringend empfohlen.
- Für Direktaufträge besteht keine Pflicht zur Meldung an die Vergabestatistik nach der Vergabestatistikverordnung (VergStatVO).
- Das Brandenburgische Vergabegesetz (BbgVergG) findet auf Direktaufträge keine Anwendung.
- Die Frauenförderverordnung (FrauFöV) findet auf Direktaufträge keine Anwendung.
- Das Brandenburgische Mittelstandsförderungsgesetz (BbgMFG) findet auf Direktaufträge keine Anwendung.
- Aber: Die Binnenmarktrelevanz ist auch bei Direktaufträgen zu prüfen und zu beachten.
- Allgemeine Hinweise.
Das Rundschreiben finden Sie hier: 2025-07-21_Rundschreiben zum Direktauftrag_MWAEK
Landesvergabestellen und Fördermittelempfänger
Die Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Landeshaushaltsordnung (VV zu § 55 LHO) wurden wie folgt geändert:
- Die Wertgrenzen für die Beauftragung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen ohne Vergabeverfahren (Direktauftrag) werden von 1.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben.
- Für die freihändige Vergabe von Bauleistungen wird die Wertgrenze von 100.000 Euro auf 1.000.000 Euro angehoben.
- Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen werden die Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb sowie eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich zugelassen, solange der geschätzte Auftragswert den jeweiligen EU-Schwellenwert nach § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (für klassische Auftragsvergabe aktuell 221.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen) nicht erreicht. Es erfolgt eine Dynamisierung des Bezuges zu den jeweils gültigen EU-Schwellenwerten.
- Darüber hinaus wird die Wertgrenze für Veröffentlichungen auf dem Vergabemarktplatz von 10.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben, um einen Gleichklang mit den angehobenen Wertgrenzen für Direktaufträge herzustellen.
Die Veröffentlichung der Änderungen der VV zu § 55 LHO im Amtsblatt für Brandenburg vom 09.07.2025 finden Sie hier:
Bitte beachten Sie dazu auch die Erlasse des Ministeriums der Finanzen und für Europa zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung
- vom 16.06.2025
2025-06-16_Erlass des MdFE v. 16.6.25_VV zu § 55 LHO
2025-06-16_Anlage_Erlass des MdFE v. 16.6.25_VV zu § 55 LHO-
2025-06-16_Anlage_Erlass des MdFE v. 16.6.25_VV zu § 55 LHO-
und
- vom 17.06.2025
2025-06-17_Neufassung des Erlasses des MdFE_VV zu § 55 LHO
2025-06-17_Anlage_Neufassung des Erlasses des MdFE_VV zu § 55 LHO
Letzterer mit der Klarstellung, dass das Vorliegen einer Binnenmarktrelevanz immer zu prüfen ist, unabhängig von jeglichen Wertgrenzen und unabhängig, ob es sich um Direktaufträge handelt oder Aufträge im Wege von Vergabeverfahren vergeben werden.
Ihre Ansprechpartnerin:
Petra Bachmann, petra.bachmann@abst-brandenburg.de, 0331 95 12 90 95
Wärmeplanung in Sachsen: Kabinett beschließt rechtliche Grundlage
Mit der am 24.06.2025 verabschiedeten Sächsischen Wärmeplanungsverordnung (SächsWPVO) hat das Kabinett klare rechtliche Rahmenbedingungen für die kommunale Wärmeplanung in Sachsen beschlossen.
Deutschland hat sich mit der Klimaneutralität bis 2045 ambitionierte Ziele gesetzt. Die Potentiale zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und eine strategische Wärmeplanung stellen für eine erfolgreiche Energiewende dabei zentrale Ansatzpunkte dar. Effizient ist die Wärmeplanung dann, wenn sie individuell betrachtet, welche Wärmeversorgungsarten wo ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind. Mit der Umstellung auf erneuerbare Energien wie Solarthermie, Geothermie, Biomasse oder die Nutzung von Abwärme wird die Wärmeversorgung zudem nicht nur klimafreundlicher, sondern auch unabhängiger vom Weltmarkt.
Die SächsWPVO stellt darauf ab, die Gemeinden, wie im Wärmeplanungsgesetz (WPG) des Bundes vorgesehen, als planungsverantwortliche Stelle zur Erstellung von Wärmeplänen zu verpflichten und sie mit den dafür notwendigen Rechten und Instrumenten auszustatten. Die neue Regelung legt fest, welche Daten erhoben werden dürfen, welche Fristen gelten und wie das Verfahren in kleineren Gemeinden vereinfacht ablaufen kann. Große Städte (> 100.000 Einwohner) müssen ihre Wärmepläne bis Ende Juni 2026 vorlegen; kleinere Gemeinden haben dafür bis 2028 Zeit.
Dem Beschluss vorausgegangen ist die Anhörung unter Beteiligung des Sächsischen Städte und Gemeindetages (SSG), der Sächsischen Energieagentur (SAENA), des Sächsischen Landkreistages (SLKT), des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) sowie des Sächsischen Normenkontrollrates (NKR). Infolge der Stellungnahmen der Institutionen wurde die Verordnung nochmals überarbeitet.
Die Verordnung zur Wärmeplanung soll letztlich Planungssicherheit schaffen – auch für Bürger und Unternehmen, etwa bei Sanierungen.
Ihre Ansprechpartnerin:
Kristina Franke, Tel. 0351 2802-408, kristinafranke@abstsachsen.de
Hessen: Gefälschte E-Mail im Umlauf
Wir haben von einer E-Mail Kenntnis erhalten, die vermeintlich im Auftrag der Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. verschickt wird. Der Absender ist bieter@absthessen.de. Dies ist KEINE! E-Mail-Adresse der Auftragsberatungsstelle Hessen. Bitte antworten Sie nicht auf eine solche E-Mail und klicken Sie auch keinen Link darin an oder laden einen Dateianhang herunter.
Darüber hinaus ist aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bekannt geworden, dass Kriminelle E-Mails an Gewinner von Vergabeverfahren versenden, mit der Aufforderung, offene Rechnungen bezüglich der Beauftragung zuzusenden. In den zugesandten Rechnungen werden dann die korrekten Bankverbindungen in betrügerischer Absicht ersetzt und an die Auftraggeber der Vergabeverfahren weitergeleitet. Weitere Informationen und Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen erhalten Sie auf der Seite der Auftragsberatungsstelle Brandenburg.
Ihr Ansprechpartner:
Michael Adamovic, Tel.: 0611 974588-28, support@had.de
Bayern: Mehr Chancen für Startups bei öffentlichen Aufträgen
Die Bayerische Staatsregierung intensiviert ihre Bemühungen, um die Innovationskraft von Startups mit dem Bedarf der öffentlichen Hand zusammenzubringen. Startups sollen bei öffentlichen Beschaffungen künftig stärker berücksichtigt werden. Dazu hat das Bayerische Wirtschaftsministerium (StMWi) seine Checkliste für Startup-freundliche Beschaffungen überarbeitet. Ziel ist es, Vergaben an Startups für öffentliche Auftraggeber noch einfacher zu gestalten. Die überarbeitet Checkliste zeigt praxisnah wie innovative Anbieter / Lösungen gefunden werden können und diese unter Ausschöpfung der vergaberechtlichen Spielräume in den Beschaffungsvorgang einzubinden sind.
Ihr Ansprechpartner:
Steffen Müller, Tel. 089 5116-3172, muellers@abz-bayern.de